"Der Lohn der Navy“

Rezensiert von Lutz Bunk |
Es ist vollbracht! "Der Lohn der Navy", der 20. und letzte Serien-Roman des britischen Seeschlachten-Kultautors Patrick O`Brian, der 2000 verstarb, ist in Deutschland erschienen. Längst sind die Zeiten vorbei, als man O´Brian als Männer- oder Trivial-Literatur abtat.
Auf der Frankfurter Buchmesse 1999 wurden O´Brians Gesellschaftsromane aus der Zeit der napoleonischen Kriege um 1800 allgemein in den Stand der Hochliteratur erhoben, die Krimiautorin Donna Leon outete sich als fanatischer O´Brian-Fan und der "Spiegel" feierte O´Brian als großen historischen Autor, was auch die Verkaufszahlen bestätigen. Auf 25 Millionen wird die weltweite Gesamtauflage der 20 Romane über die Abenteuer der beiden Helden, Kapitän Jack Aubrey und Bordarzt Doktor Stephen Maturin, geschätzt, und Hollywood verfilmte 2003 O´Brians 18. Roman "Master and Commander".

Auch Roman Nummer 20, "Der Lohn der Navy", entführt den Leser wieder auf Kapitän Aubreys Lieblingsfregatte "Surprise" zu einer Reise um die Welt und lässt ihn jenen für O`Brian so typischen, tiefen, sinnlichen Blick in die politischen, naturwissenschaftlichen und sozialen Zustände der Gesellschaft des frühen 19. Jahrhunderts werfen. Das "Time Magazin" schrieb, O´Brians Bücher werden "für immer auf der Liste der hundert besten Romane weltweit stehen". Denn seine Erzählprosa ist so mächtig und lebendig, dass selbst Käferkunde oder unverständliche Seglerausdrücke zu lautmalerischen Effekten, zu sinnlichen Wortkaskaden geraten, zu einem stilistisch farbensprühenden Hyperrealismus, der manchmal ans Surreale grenzt.

Wir schreiben das Jahr 1815, Napoleons Armeen sind gerade bei Waterloo geschlagen worden, als sich das britische Kriegsschiff Surprise mit einem Geheimauftrag nach Chile auf den Weg macht, um dort die Revolution gegen die Kolonialmacht Spanien zu unterstützen. Wie in den anderen 19 Romanen Patrick O´Brians zuvor, wird auch diese Expedition wieder von denselben zwei Hauptprotagonisten geleitet, vom Kapitän Lucky Jack Aubrey und dessen Bordarzt Stephen Maturin, der einer der Top-Geheimagenten des britischen Empires ist, von einem sehr ungleichen Paar, wie wir es von Sherlock Holmes und Dr. Watson kennen. Und wie immer in O´Brians Abenteuer-Romanen nimmt auch diese Reise odyssee-hafte Dimensionen an, der Weg ist das Ziel, bevor das Schiff Chile erreicht, macht es Zwischenstopp in England, wo der Leser in das idyllische Landleben eintauchen kann, die nächste Station ist der afrikanische Regenwald Sierra Leones, wo Bordarzt Stephen Maturin eine heiße Liebesaffäre mit einer englischen Vogelkundlerin erlebt, - nach weiteren Zwischenstationen u.a. in Kapstadt und Rio de Janeiro, erreicht die Fregatte Surprise dann zirka auf Seite 250 endlich Chile. Und natürlich erfüllt sie ihren Auftrag, verhilft der Revolution zum Sieg, und Kapitän Jack Aubrey erhält jene Belohnung, auf die er sein Leben lang hingearbeitet hat, er wird Admiral.

Nach Patrick O´Brians Tod im Jahr 2000 überschlagen sich die Kritiker postum, seine Literatur sei mit der Tolkiens oder mit Alexandre Dumas´ "Drei Musketieren" vergleichbar; wie auch immer, wer einen Patrick O´Brian-Roman wie nun seinen letzten "Der Lohn der Navy" in die Hand nimmt, der darf eines erwarten: Unterhaltung pur, - wahrhaft wohltuender Balsam in einer krisengeschüttelten Welt.

Patrick O'Brian: Der Lohn der Navy
Übersetzt von Andrea Kann
Ullstein Taschenbuch, Februar 2005
336 Seiten. 8.95 Euro