Der Maestro in der Wüstenmetropole

Von Evelyn Bartolmai |
Vor ausverkauftem Haus gab Justus Frantz zusammen mit Künstlern aus sechs Ländern seinen Einstand als Chefdirigent der Sinfonietta Beersheva. Er ist der erste nicht-jüdische deutsche Orchesterchef in Israel.
Mit Beethovens Fünfter, der "Schicksalssinfonie", debütierte Justus Frantz in der wunderschönen Konzerthalle von Beersheva – aus gutem Grunde, denn das Schicksal in Form eines Auswahlkomitees, dem auch Staatspräsident Shimon Perez angehörte, hat den Maestro unisono für die nächsten drei Jahre zum Chefdirigenten des lokalen Sinfonieorchesters bestimmt. Und Justus Frantz ist dem Ruf in die Wüste sehr gern gefolgt:

"Erstens, ich liebe die Wüste, und 60 Prozent der Fläche Israels ist ja die Wüste Negev, das wissen die Menschen immer gar nicht. Und zweitens, Beersheva ist die aufstrebendste Stadt. Wenn Sie die Wirtschaftsdaten sehen, dann gibt es viele Firmen, die heute hierher gehen nach Beersheva, und es ist wohl die am schnellsten wachsende Stadt Israels. Und nun muss man einfach sehen, dass das Orchester eben auch auf dieses Niveau gebracht wird und dass es eben nicht nur eine Sinfonietta ist, sondern dass wir zusätzlich, und das ist der Auftrag auch, den ich habe, daraus ein hervorragendes sinfonisches Orchester machen, das muss jetzt in den nächsten drei Jahren passieren."

Um nicht nur dem Publikum, sondern vor allem auch den Musikern einen Vorgeschmack auf die angestrebte Qualität zu geben, wurde dank der Unterstützung einer namhaften Fluggesellschaft ein hochkarätiges Aufgebot international renommierter Künstler eingeflogen, die die Sinfonietta Beersheva musikalisch verstärkt und auf dem Weg zu neuer Meisterschaft begleitet haben.

Zehn Musiker der in Deutschland ansässigen Philharmonie der Nationen waren angereist, die Sopranistin Linda Bukhosini und der Tenor Tambe Bongani kamen aus Südafrika, die Internationale Chorakademie aus Lübeck, nicht ganz so weit hatten es der Akademische Kammerchor Jerusalem und der Kammerchor Tel Aviv. Vor allem die Sänger setzten im zweiten Teil des Konzertes mit dem "Lobgesang" von Felix Mendelssohn-Bartholdy Maßstäbe, in welche Richtung Justus Frantz das Schicksal zu lenken wünscht:

"Ja, natürlich, man muss sich immer große Ziele nehmen, man muss das Unmögliche probieren, um das Mögliche zu erreichen. Schon im nächsten Jahr werden wir auch im Ausland sein, das Orchester wird sich da messen lassen müssen und wird gemessen werden mit den großen Orchestern, die es hier auf dieser Welt gibt. Und ich denke, das Potenzial ist da, und wenn ich so, wie ich mir das vornehme arbeite, wird das auch gut werden."

Knapp ein Drittel seiner Zeit wird der Maestro künftig in der Wüstenmetropole verbringen, um intensiv zu proben, aber auch um die Klassik-Reihe der Sinfonietta Beersheva fortzusetzen. In dieser Spielzeit stehen neben Beethoven und Mendelssohn-Bartholdy noch Mozart und Brahms auf dem Programm von Justus Frantz, im nächsten Jahr will er auch Werke von Bruckner und Mahler einstudieren. Konzertmeister Jaron Prentzki zählt auf, was das Orchester am neuen Chef so mag:

"Seinen Geist, der so unvergleichlich ist; wie er mit seiner präzisen Stabführung die Musik fließen lässt; wie er ein Werk interpretiert und es zusammen mit dem Orchester erarbeitet – all das zeigt uns, dass er wirklich ein begnadeter Musiker ist."
Unter anderem beim Schleswig-Holstein-Festival hat Jaron Prentzki bereits mit Justus Frantz zusammengearbeitet und weiß, dass der Maestro seine Kunst auch in den Dienst von Frieden und Völkerverständigung stellt. Nicht groß mit Worten, sondern indem er einfach mit Christen, Juden und Moslems musiziert. Keine Berührungsängste zu haben - auch das ist wichtig in einem Land wie Israel.

"Ich hoffe sehr, dass das ein toller Anfang für eine internationale Zusammenarbeit sein wird. Nicht nur mit Deutschland, denn auch darüber hinaus hat er sehr viele Kontakte. Mir persönlich gefällt sehr der Zugang des Maestro zu Ländern wie der Türkei und unseren Nachbarländern. Und ich hoffe, dass dies dem Orchester sehr viele Türen öffnen wird."

Hilfreich dabei ist sicher, dass Justus Frantz keine Mühe hat, sich neben Deutsch auch in Englisch und Russisch zu verständigen. Selbst in Hebräisch gibt es bereits einen viel versprechenden Anfang, den der Meister auszubauen hofft:

"'Toda raba' oder 'Boker tov Israel', ich habe ja schon mal ein Amt hier gehabt, ich war ja schon mal Intendant in Eilat, vom Red Sea-Festival nach Lorin Maazel, und da habe ich morgens immer 'Boker tov Israel' gesagt, so habe ich immer angefangen, und wenn ich fleißig bin, dann werde ich es auch noch lernen!"

Mit großer Aufmerksamkeit wurde in der israelischen Öffentlichkeit nicht zuletzt die Tatsache vermerkt, dass der 1944 im heutigen Polen geborene Justus Frantz einer Familie entstammt, die auf ihrem Gut einst Juden versteckt und gerettet hat und dafür als "Gerechte unter den Völkern" geehrt wurde. Auch das mag dazu beigetragen haben, dass Frantz der erste nicht-jüdische deutsche Orchesterchef in Israel werden konnte.

"Das bedeutet sehr viel für mich. Sonst möglicherweise hätte ich auch dieses Amt, weil ich ja nun auch nicht mehr ganz jung bin, ich fühle mich zwar noch jung, aber immerhin habe ich auch genug zu tun und habe ungefähr 200 oder 250 Konzerte im Jahr, ich hätte es vielleicht sonst nicht gemacht. Aber das ist für mich ein ganz bedeutendes Symbol, und deswegen bin ich wahnsinnig gerne hier."

Längst lacht niemand mehr über Ben Gurions Vision von der blühenden Wüste. Daher darf man sich den Namen der "Sinfonietta Beersheva" durchaus bereits einprägen, denn mit Sicherheit wird man ihr eines Tages unter der Leitung von Justus Frantz auf dem internationalen Parkett wieder begegnen. Mazal tov uwehatzlakha, wie es auf Hebräisch heißt!