Der Mahner
Richard von Weizsäcker hielt zahlreiche Reden, Anlässe gab es in seiner Amtszeit reichlich. Doch in Erinnerung blieben vor allem seine Worte vom 8. Mai 1985, als er die bedingungslose Kapitulation Deutschlands im Zweiten Weltkrieg als "Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" bezeichnete.
"Meine Herren Präsidenten, Herr Bundeskanzler, Exzellenzen, meine Damen und Herren, liebe Landsleute!"
Ein Bundespräsident hält viele Reden, er eröffnet Messen und Kongresse, würdigt Jubilare und Ordensträger und begeht Jahres- und Gedenktage. Dazu kommen noch die Grußworte und Kurzbeiträge zu Ausstellungseröffnungen und Konferenzen. Richard von Weizsäcker, der am 1. Juni 1984 als Präsident der Bundesrepublik Deutschland vereidigt wurde, war ein besonders eifriger Redner. Wobei eine Ansprache seiner zehnjährigen Amtszeit besonders in Erinnerung bleiben wird.
"Viele Völker gedenken heute des Tages, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende ging. Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk dabei seine eigenen Gefühle."
In den beiden Amtzeiten dieses sechsten Bundespräsidenten mangelte es nicht an aktuellen Ereignissen, die der Kommentierung und Moderation bedurft hätten: die deutsche Wiedervereinigung, Ausschreitungen gegen Asylbewerber und Ausländer, der erste Irakkrieg. Das Generalthema der Präsidentschaft von Weizsäckers war jedoch der Umgang mit der eigenen Geschichte – zumindest seit dem 8. Mai 1985.
"Der 8. Mai ist für uns vor allem ein Tag der Erinnerung an das, was Menschen erleiden mussten. Er ist zugleich ein Tag des Nachdenkens über den Gang unserer Geschichte. Je ehrlicher wir ihn begehen, desto freier sind wir, uns seinen Folgen verantwortlich zu stellen."
Richard von Weizsäcker war aufgrund seiner Herkunft für die Bearbeitung dieses deutschen Themas geeignet wie kaum ein anderer, und er war zugleich der letzte Bundespräsident, der es noch autobiographisch behandeln konnte. Er war Soldat im Zweiten Weltkrieg. Seine Familie, die schon im Kaiserreich hohe Beamte und Führungskräfte stellte, war in mancher Hinsicht eng mit dem nationalsozialistischen System verbunden. Der Vater war Botschafter, der Bruder Kernphysiker im Dienst des Reiches. Andererseits hatte die Familie auch Kontakte zum Kreis der Hitlerattentäter vom 20. Juli.
"Wer seine Ohren und Augen aufmachte, wer sich informieren wollte, dem konnte nicht entgehen, dass Deportationszüge rollten."
1954 in die CDU eingetreten, wurde Richard von Weizsäcker dort schnell ein Mann fürs Grundsätzliche, für Programmdiskussionen und Wertedebatten. Mit konkreten tagespolitischen Fragen beschäftigte er sich lediglich während seiner Berliner Jahre, wo er zunächst Oppositionsführer und dann ab 1981 Regierender Bürgermeister war. Doch diesen Posten gab er schon nach drei Jahren zugunsten der Präsidentschaft auf.
Dass die CDU mit von Weizsäcker keinen strammen Parteisoldaten ins Amt hob, war offensichtlich, hatte er sich doch schon als Bundestagsabgeordneter - gegen die Linie der eigenen Partei - für die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition stark gemacht. Und tatsächlich führte er sein Amt so frei und unabhängig wie kaum einer seiner Vorgänger. Obwohl er sich nie weigerte, ein Gesetz zu unterschreiben, erwarb er sich den Ruf, kritisch gegenüber dem Regierungsbetrieb zu sein. Dabei gelang ihm das Kunststück, selbst dennoch kaum Kritiker zu haben.
Nachhaltig verärgert hatte er die politische Klasse lediglich gegen Ende seiner zweiten Amtszeit, als er 1992 in einem Interview den Parteien vorwarf, dass sie sich den Staat zur Beute gemacht hätten, dass sie "machtversessen" und "machtvergessen" seien. Aber in diesen Jahren fand der Präsident bereits weniger Gehör als zuvor. Der Respekt, der ihm als Person entgegengebracht wurde, war jedoch unverändert groß. Er fußte vor allem auf seiner Rede vom 8. Mai 1985.
"Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft."
Was Weizsäcker verkündete, war weder neu, noch revolutionär. Doch dadurch, dass ein ehemaliger Soldat, ein Adeliger aus einer alten konservativen deutschen Familie, ein CDU-Mann und Bundespräsident dies aussprach, wurde diese Sicht der Geschichte zur quasi offiziellen Version der Bundesrepublik. Das war wohl das größte Verdienst des sechsten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland.
Ein Bundespräsident hält viele Reden, er eröffnet Messen und Kongresse, würdigt Jubilare und Ordensträger und begeht Jahres- und Gedenktage. Dazu kommen noch die Grußworte und Kurzbeiträge zu Ausstellungseröffnungen und Konferenzen. Richard von Weizsäcker, der am 1. Juni 1984 als Präsident der Bundesrepublik Deutschland vereidigt wurde, war ein besonders eifriger Redner. Wobei eine Ansprache seiner zehnjährigen Amtszeit besonders in Erinnerung bleiben wird.
"Viele Völker gedenken heute des Tages, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende ging. Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk dabei seine eigenen Gefühle."
In den beiden Amtzeiten dieses sechsten Bundespräsidenten mangelte es nicht an aktuellen Ereignissen, die der Kommentierung und Moderation bedurft hätten: die deutsche Wiedervereinigung, Ausschreitungen gegen Asylbewerber und Ausländer, der erste Irakkrieg. Das Generalthema der Präsidentschaft von Weizsäckers war jedoch der Umgang mit der eigenen Geschichte – zumindest seit dem 8. Mai 1985.
"Der 8. Mai ist für uns vor allem ein Tag der Erinnerung an das, was Menschen erleiden mussten. Er ist zugleich ein Tag des Nachdenkens über den Gang unserer Geschichte. Je ehrlicher wir ihn begehen, desto freier sind wir, uns seinen Folgen verantwortlich zu stellen."
Richard von Weizsäcker war aufgrund seiner Herkunft für die Bearbeitung dieses deutschen Themas geeignet wie kaum ein anderer, und er war zugleich der letzte Bundespräsident, der es noch autobiographisch behandeln konnte. Er war Soldat im Zweiten Weltkrieg. Seine Familie, die schon im Kaiserreich hohe Beamte und Führungskräfte stellte, war in mancher Hinsicht eng mit dem nationalsozialistischen System verbunden. Der Vater war Botschafter, der Bruder Kernphysiker im Dienst des Reiches. Andererseits hatte die Familie auch Kontakte zum Kreis der Hitlerattentäter vom 20. Juli.
"Wer seine Ohren und Augen aufmachte, wer sich informieren wollte, dem konnte nicht entgehen, dass Deportationszüge rollten."
1954 in die CDU eingetreten, wurde Richard von Weizsäcker dort schnell ein Mann fürs Grundsätzliche, für Programmdiskussionen und Wertedebatten. Mit konkreten tagespolitischen Fragen beschäftigte er sich lediglich während seiner Berliner Jahre, wo er zunächst Oppositionsführer und dann ab 1981 Regierender Bürgermeister war. Doch diesen Posten gab er schon nach drei Jahren zugunsten der Präsidentschaft auf.
Dass die CDU mit von Weizsäcker keinen strammen Parteisoldaten ins Amt hob, war offensichtlich, hatte er sich doch schon als Bundestagsabgeordneter - gegen die Linie der eigenen Partei - für die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition stark gemacht. Und tatsächlich führte er sein Amt so frei und unabhängig wie kaum einer seiner Vorgänger. Obwohl er sich nie weigerte, ein Gesetz zu unterschreiben, erwarb er sich den Ruf, kritisch gegenüber dem Regierungsbetrieb zu sein. Dabei gelang ihm das Kunststück, selbst dennoch kaum Kritiker zu haben.
Nachhaltig verärgert hatte er die politische Klasse lediglich gegen Ende seiner zweiten Amtszeit, als er 1992 in einem Interview den Parteien vorwarf, dass sie sich den Staat zur Beute gemacht hätten, dass sie "machtversessen" und "machtvergessen" seien. Aber in diesen Jahren fand der Präsident bereits weniger Gehör als zuvor. Der Respekt, der ihm als Person entgegengebracht wurde, war jedoch unverändert groß. Er fußte vor allem auf seiner Rede vom 8. Mai 1985.
"Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft."
Was Weizsäcker verkündete, war weder neu, noch revolutionär. Doch dadurch, dass ein ehemaliger Soldat, ein Adeliger aus einer alten konservativen deutschen Familie, ein CDU-Mann und Bundespräsident dies aussprach, wurde diese Sicht der Geschichte zur quasi offiziellen Version der Bundesrepublik. Das war wohl das größte Verdienst des sechsten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland.