Der Malteser und sein Falke
Kein Sport ist auf Malta so populär wie die Vogeljagd und gleichzeitig so umstritten. Erst kürzlich wurde wieder einer der seltenen deutschen Fischadler einfach abgeknallt. Denn bei Maltas Jägern gilt die Devise: Je seltener, desto besser. Sie jagen Trophäen, töten die Vögel, um sie dann auszustopfen. Die Politik zeigt sich machtlos.
"Allein in dieser Saison haben wir schon zwei beringte Vögel geborgen. Der eine war der Fischadler aus Deutschland. Der andere ein Turmfalke aus Finnland. Das waren die beiden mit Ringen. Und dazu haben wir noch jede Menge andere geschützte Vögel gefunden. Und ich glaube, allein das zeigt die Bedeutung des illegalen Jagens."
Malta, diese kleine Insel im Mittelmeer, ist ein Vogel Paradies.
384 verschiedene Arten wurden hier schon registriert. Immer nur für einen kurzen Zeitraum. Im Herbst und im Frühjahr. Dann wird Malta zu einer beliebten Raststätte für Zugvögel.
"Jeden Winter verlassen Europas Vögel ihre Heimat und fliegen nach Afrika. Im Winter ist es zu kalt und es gibt zu wenig Nahrung. Die Vögel nehmen eine von drei Routen. Die westliche über Gibraltar. Im Osten über den Bosporus. Und in der Mitte über das Mittelmeer. Malta liegt auf der mittleren Route, eine kleine Insel mitten im Meer, die sehr wichtig für Vögel ist. Denn wenn das Wetter schlecht ist, müssen Vögel landen, sich ausruhen, Kräfte sammeln, um weiter zu reisen. Deshalb registriert man auf Malta im Herbst und Frühjahr diesen großen Zustrom an Vögeln. Und wir haben durch Studien festgestellt, dass hier Vögel aus 36 europäischen Ländern rasten. Illegales Jagen in Malta ist also eine internationale Angelegenheit."
Illegales Jagen, nennt es Geoffrey Saliba vom maltesischen Vogelschutzbund "Birdlife". Man könnte auch sagen: Das Abknallen von Vögeln, die mit Millionen Steuer- und Spendengeldern andernorts mühsam aufgepäppelt und am Leben erhalten werden. Vogelarten, die auf roten Listen stehen, so wie der Fischadler. Vogelarten, von denen es europaweit nur noch wenig Paare gibt: Wie zum Beispiel der Schreiadler, der wegen seiner Herkunft auch der Pommernadler genannt wird.
Malta ist extrem dicht besiedelt. Es gibt keine richtigen Wälder, es gibt keine großen Felder. Keine freie Natur, immer wieder Häuser, Siedlungen, Dörfer und Hotels. Das bisschen, was in Malta noch an freier Natur übrig und zugänglich ist, sind Jagdgründe. Wer im Herbst oder Frühjahr durchs Land streift, begegnet ständig Männern, die ihre Gewehre geschultert oder gar im Anschlag haben.
Die Vogeljagd ist in Malta der Volkssport Nummer 1, das ist unübersehbar und vor allem unüberhörbar.
"Ich höre ja auch jedes Wochenende die Ballerei bei uns im Dorf. In den umliegenden Feldern. Also im Frühjahr wird es ganz stark sein. Denn bei der Rückkehr der Vögel aus Afrika, die ja in Afrika Zwischenstation machen - wie da eben geschossen wird. Und ich habe nicht den Eindruck, dass die Regierung entschlossen ist, die Sache mit Polizeikontrollen zu unterbinden."
410.000 Einwohner zählt Malta. Darunter sind geschätzt bis zu 20.000 aktive Jäger. Hochgerechnet ein enormes Wählerpotenzial: 20.000 Jäger und ihre Familien. Jeder Versuch der Regierung, die Jagd einzuschränken, im Frühjahr möglicherweise komplett zu verbieten, würde sofort an den Wahlurnen bestraft.
"Es ist eines dieser Themen, das die Bevölkerung bewegt und wo man politisch kaum Bewegung sehen wird trotz des Drucks der EU-Kommission, weil die Jäger einen wichtigen Teil der Wähler darstellen. Und wenn sie hier Wahlen mit 2000 Stimmen Vorsprung gewinnen, dann ist jeder vorsichtig."
"Wir haben unser Bestes getan, um die Vogelschutzrichtlinien der EU zu befolgen."
Sagt der maltesische Umweltminister George Pullicino. Aber: Es sei nicht einfach, eine Gewohnheit, eine Kultur von einem auf den anderen Tag zu verändern, so der Umweltminister von der regierenden Nationalen Partei. Ein Vertreter der Opposition würde übrigens nicht anders sprechen. Es geht ja um Wählerstimmen. Und so nehmen es Maltas Regierung und ihr Umweltminister billigend in Kauf, dass ihr Land von der EU verklagt wird.
Der Grund: Die Jagd im Frühjahr, die Maltas Regierung trotz gegenteiliger Bestimmungen und Beschwerden der EU, Jahr für Jahr wieder erlaubt. Jahr für Jahr beugt sich die maltesische Regierung der mächtigen Jägerlobby und erlaubt ausnahmsweise die Vogeljagd im Frühjahr. Das ist ein Verstoß gegen die Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union. Der Europäische Gerichtshof hat Malta deshalb bereits verurteilt, doch die Regeln und die Geld-Strafen der EU sind der maltesischen Regierung offenbar weniger wichtig als der Frieden mit den Jägern im eigenen Land.
Welcher Frieden? Längst gibt es in Malta eine Art Kleinkrieg zwischen Jägern und Vogelschützern. Regelmäßig zur Jagdsaison dokumentieren die Aktivisten von "Birdlife" illegales Jagen. Bei so genannten Beobachtungscamps im Frühjahr und Herbst machen sie sich bewaffnet mit Videokameras auf die Jagd nach Jägern. Unterstützt von Partnerverbänden aus Europa, zum Beispiel dem Naturschutzbund Deutschland oder dem internationalen "Komitee gegen den Vogelmord". Das Klima ist vergiftet. Und nicht selten enden die "Kontrollen" der internationalen Vogelfreunde im Streit und Handgreiflichkeiten mit den Jägern.
"Wir haben hier Polizei, und wir brauchen keine Desperados und Söldner, die in unseren Feldern mit Kameras herumrennen und filmen. Wenn sie etwas Illegales bemerken, sollten sie es der Polizei melden und nicht selbst als Polizisten agieren. Denn das schafft nur mehr Ärger, mehr Konfrontation und das schadet nicht nur uns, sondern auch den Vögeln."
Joseph Perici Calascione ist der Präsident des größten maltesischen Jagdverbandes FKNK. Der Vereinigung für Jagd und Naturschutz Malta.
"10.000 Mitglieder hat die FKNK."
Sagt Präsident Perici Calascione. Das ist die größte Nichtregierungsorganisation im Land. Eine Macht. Doch davon sieht man wenig, wenn man die schäbige Geschäftsstelle des Jagdverbandes besucht. Ein heruntergekommenes Büro mit alten Möbeln, Computern der ersten Generation. An der Wand hängen Trophäen. Ausgestopfte Singvögel, Greifvögel, Wasservögel. Verstaubte Erinnerungen an Zeiten, in denen noch nicht gefragt wurde, ob es legal oder illegal ist, diesen oder jenen Vogel zu jagen.
Und heute? Wie gesetzestreu sind Maltas Jäger? Stimmen die Vorwürfe der Vogelschützer?
"Es gibt kein illegales Jagen. Was es gibt, ist das Schießen von geschützten Arten. Aber das ist nicht Jagen. Denn das Wort Jagd meint immer nachhaltiges Jagen, wir respektieren den Schutzstatus von Arten. Ich kann ihnen versichern, dass in ganz Europa und vor allem in Malta noch nie eine Art ausgestorben ist wegen der Jagd."
Von Vogelschützern wird das bestritten: Wegen der Jagdbegeisterung der Malteser, sagt "Birdlife", sei Malta das einzige Land in Europa ohne eine einheimische Raubvogelart. Der Wanderfalke zum Beispiel, der früher an den Klippen Maltas gebrütet habe, sei komplett ausgelöscht worden.
Natürlich ging es früher auf der kargen, felsigen Insel vor allem darum, durch den Vogelfang oder die Kaninchenjagd die Mahlzeiten zu bereichern. Doch davon kann heute nicht mehr die Rede sein. Den Jägern geht es, so Geoffrey Saliba von "Birdlife", um die Trophäe:
"Der Hauptgrund, diese geschützten Vögel zu erschießen, ist, sie auszustopfen und in privaten Sammlungen aufzubewahren. Je seltener der Vogel, desto höher das Prestige. Aber es gibt auch Vögel, die abgeschossen und dann liegen gelassen werden, nachdem der Jäger sie gesehen hat. Wir hatten im letzten Jahr an einer Stelle allein über 200 geschützte Vögel gefunden, die dort getötet worden waren. Und wir erklären uns das so: Diese Vögel hatte der Jäger bereits in seiner Sammlung, er schießt sie ab und stellt dann fest, dass er bereits ein besseres Exemplar hat. Also, auch solche Vögel werden einfach abgeschossen."
In weniger dicht besiedelten Gebieten würde die sinnlose Ballerei kaum auffallen. Doch in Malta kann es einem passieren, dass einem tote Vögel buchstäblich vor die Füße fallen. Selbst in Siedlungen und Dörfern greifen Jäger schon mal zur Flinte, wenn sie einen Vogel sichten und machen so aus dem kleinen Land ein einziges Jagdrevier. Das prägt auch die Landschaft.
In den wenigen ländlichen Gebieten, an den Klippen findet man immer wieder kleine von Mäuerchen umrandete Flächen - ein Rechteck, ein paar Quadratmeter groß. Hier legen Vogelfänger ihre Netze aus. Klappnetze, die dann zuschnappen, wenn Vögel landen. Auch diese Form der Singvogeljagd - auf Englisch "Trapping" - hat auf Malta Tradition. Ein Lockvogel im Käfig soll die Artgenossen anlocken. Die zwei Klappnetze, die auf einen Rahmen gespannt sind, liegen flach auf dem Boden. Wird die Falle ausgelöst, klappen die beiden Flügel zusammen und umschließen den Vogel, ohne dass dieser verletzt wird. Bei dieser Form der Jagd geht es darum, einen Vogel für die Volieren zu fangen. Die Käfighaltung von Singvögeln ist sehr beliebt auf Malta.
"Beim Trapping sollen Vögel mit Netzen lebendig gefangen werden. Aus der europäischen Perspektive ist der Unterschied zwischen der Jagd und dem Trapping der, dass die Jagd unter bestimmten Bedingungen nicht notwendigerweise illegal ist. Aber Trapping ist überall in der EU verboten, weil es sehr viel effektiver ist als die Jagd."
Und dennoch entdeckt man - wenn man Malta aus der Vogelperspektive anschaut - überall im Land diese "trapping sites", die von Jägern problemlos aktiviert werden können, wenn die Zugvogelsaison wieder beginnt. Auch daran ändern die Vorschriften der EU wenig, und die maltesische Polizei, die immerhin eine eigene kleine Einheit für die Jagdaufsicht abstellt, ist scheinbar machtlos gegen die Jagdleidenschaft der Malteser.
"Das Jagen ist ein männlicher Instinkt."
Sagt Joseph Perici Calascione, der Präsident des maltesischen Jagdverbandes. Und auch wenn manche Männer sich vom Jäger zum Sammler weiter entwickelt hätten, die Jagd liege in der DNA des maltesischen Mannes. Für ihn ist sie so wichtig, wie die Luft zum Atmen. Und es kommt tatsächlich immer wieder vor, dass Jäger, die der Wilderei überführt wurden und die ihren Jagdschein verlieren, Selbstmord begehen.
"Die Jagd ist ein Weg, sich selbst zu finden. Ganz nah an der Realität, an der Natur hat man hier etwas Zeit für sich selbst. Das verursacht keinen Stress, man sieht den Sonnenaufgang jeden Morgen. Das erste Rotkehlchen, das um halb sieben Uhr zwitschert, dann das Rotschwänzchen, die Bachstelze. Die Natur wacht auf. Und das Töten ist das letzte in einer langen Reihe von Tätigkeiten, man hat Hunde, um die man sich das ganze Jahr über kümmern muss, die man trainieren muss. Das ist ein ganzheitliches Thema. Und um das ein bisschen zu begreifen, muss man hinausgehen."
"Unsere Angst ist, dass irgendwelche Vandalen unsere Autos anzünden."
Sagt Nimrod. Und Iwan bestätigt:
"Ja, das kam in der letzten Zeit vor, wenn die Vogelschützer ins Revier vordrangen."
Also bleibt Iwan beim Auto, während wir uns mit Nimrod einen ersten Überblick verschaffen.
Wir halten an einer viel befahrenen Straße, von der aus man einen wunderbaren Blick auf ein kleines Tal hat. Tatsächlich einmal eine Ahnung von Natur auf Malta. Bäume und Sträucher.
"Diese Gegend heißt bei uns Vogelfriedhof. Hier wurden viele geschützte Arten, vor allem Raubvögel, zum Beispiel der Wespenbussard, während ihrem Überflug im Herbst oder Frühling ausgerottet. Von Männern, die ich gar nicht Jäger nennen will, das sind Wilderer. Sie glauben, dass sie das Recht haben, zu töten, was immer sie wollen."
Nimrod ist Mitte zwanzig. Für "Birdlife" macht er Erkundungsfahrten. Ausgerüstet mit einer Videokamera dokumentiert er illegale Jagd und verbotene Trapping-Sites, Flächen, auf denen Klappnetze installiert werden können für die Vogeljagd.
Reich wird man bei "Birdlife" nicht. Aber Nimrod ist ein Kämpfer, ein Idealist.
"Ich habe Vögel gefunden, Kuckuck, Pirol, Braunkehlchen, auch kleinere Vögel wie die Nachtigall, einfach erschossen und auf den Felsen liegen gelassen oder versteckt. Ich kann das bezeugen. Ich komme aus einer Jäger- und Trapper-Familie, und ich bin Malteser. Aber ich kann nicht länger still sein, ich möchte Teil des Wandels werden."
Da fliegen sie wieder - die große Vogelschau im Deutschlandradio Kultur
Malta, diese kleine Insel im Mittelmeer, ist ein Vogel Paradies.
384 verschiedene Arten wurden hier schon registriert. Immer nur für einen kurzen Zeitraum. Im Herbst und im Frühjahr. Dann wird Malta zu einer beliebten Raststätte für Zugvögel.
"Jeden Winter verlassen Europas Vögel ihre Heimat und fliegen nach Afrika. Im Winter ist es zu kalt und es gibt zu wenig Nahrung. Die Vögel nehmen eine von drei Routen. Die westliche über Gibraltar. Im Osten über den Bosporus. Und in der Mitte über das Mittelmeer. Malta liegt auf der mittleren Route, eine kleine Insel mitten im Meer, die sehr wichtig für Vögel ist. Denn wenn das Wetter schlecht ist, müssen Vögel landen, sich ausruhen, Kräfte sammeln, um weiter zu reisen. Deshalb registriert man auf Malta im Herbst und Frühjahr diesen großen Zustrom an Vögeln. Und wir haben durch Studien festgestellt, dass hier Vögel aus 36 europäischen Ländern rasten. Illegales Jagen in Malta ist also eine internationale Angelegenheit."
Illegales Jagen, nennt es Geoffrey Saliba vom maltesischen Vogelschutzbund "Birdlife". Man könnte auch sagen: Das Abknallen von Vögeln, die mit Millionen Steuer- und Spendengeldern andernorts mühsam aufgepäppelt und am Leben erhalten werden. Vogelarten, die auf roten Listen stehen, so wie der Fischadler. Vogelarten, von denen es europaweit nur noch wenig Paare gibt: Wie zum Beispiel der Schreiadler, der wegen seiner Herkunft auch der Pommernadler genannt wird.
Malta ist extrem dicht besiedelt. Es gibt keine richtigen Wälder, es gibt keine großen Felder. Keine freie Natur, immer wieder Häuser, Siedlungen, Dörfer und Hotels. Das bisschen, was in Malta noch an freier Natur übrig und zugänglich ist, sind Jagdgründe. Wer im Herbst oder Frühjahr durchs Land streift, begegnet ständig Männern, die ihre Gewehre geschultert oder gar im Anschlag haben.
Die Vogeljagd ist in Malta der Volkssport Nummer 1, das ist unübersehbar und vor allem unüberhörbar.
"Ich höre ja auch jedes Wochenende die Ballerei bei uns im Dorf. In den umliegenden Feldern. Also im Frühjahr wird es ganz stark sein. Denn bei der Rückkehr der Vögel aus Afrika, die ja in Afrika Zwischenstation machen - wie da eben geschossen wird. Und ich habe nicht den Eindruck, dass die Regierung entschlossen ist, die Sache mit Polizeikontrollen zu unterbinden."
410.000 Einwohner zählt Malta. Darunter sind geschätzt bis zu 20.000 aktive Jäger. Hochgerechnet ein enormes Wählerpotenzial: 20.000 Jäger und ihre Familien. Jeder Versuch der Regierung, die Jagd einzuschränken, im Frühjahr möglicherweise komplett zu verbieten, würde sofort an den Wahlurnen bestraft.
"Es ist eines dieser Themen, das die Bevölkerung bewegt und wo man politisch kaum Bewegung sehen wird trotz des Drucks der EU-Kommission, weil die Jäger einen wichtigen Teil der Wähler darstellen. Und wenn sie hier Wahlen mit 2000 Stimmen Vorsprung gewinnen, dann ist jeder vorsichtig."
"Wir haben unser Bestes getan, um die Vogelschutzrichtlinien der EU zu befolgen."
Sagt der maltesische Umweltminister George Pullicino. Aber: Es sei nicht einfach, eine Gewohnheit, eine Kultur von einem auf den anderen Tag zu verändern, so der Umweltminister von der regierenden Nationalen Partei. Ein Vertreter der Opposition würde übrigens nicht anders sprechen. Es geht ja um Wählerstimmen. Und so nehmen es Maltas Regierung und ihr Umweltminister billigend in Kauf, dass ihr Land von der EU verklagt wird.
Der Grund: Die Jagd im Frühjahr, die Maltas Regierung trotz gegenteiliger Bestimmungen und Beschwerden der EU, Jahr für Jahr wieder erlaubt. Jahr für Jahr beugt sich die maltesische Regierung der mächtigen Jägerlobby und erlaubt ausnahmsweise die Vogeljagd im Frühjahr. Das ist ein Verstoß gegen die Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union. Der Europäische Gerichtshof hat Malta deshalb bereits verurteilt, doch die Regeln und die Geld-Strafen der EU sind der maltesischen Regierung offenbar weniger wichtig als der Frieden mit den Jägern im eigenen Land.
Welcher Frieden? Längst gibt es in Malta eine Art Kleinkrieg zwischen Jägern und Vogelschützern. Regelmäßig zur Jagdsaison dokumentieren die Aktivisten von "Birdlife" illegales Jagen. Bei so genannten Beobachtungscamps im Frühjahr und Herbst machen sie sich bewaffnet mit Videokameras auf die Jagd nach Jägern. Unterstützt von Partnerverbänden aus Europa, zum Beispiel dem Naturschutzbund Deutschland oder dem internationalen "Komitee gegen den Vogelmord". Das Klima ist vergiftet. Und nicht selten enden die "Kontrollen" der internationalen Vogelfreunde im Streit und Handgreiflichkeiten mit den Jägern.
"Wir haben hier Polizei, und wir brauchen keine Desperados und Söldner, die in unseren Feldern mit Kameras herumrennen und filmen. Wenn sie etwas Illegales bemerken, sollten sie es der Polizei melden und nicht selbst als Polizisten agieren. Denn das schafft nur mehr Ärger, mehr Konfrontation und das schadet nicht nur uns, sondern auch den Vögeln."
Joseph Perici Calascione ist der Präsident des größten maltesischen Jagdverbandes FKNK. Der Vereinigung für Jagd und Naturschutz Malta.
"10.000 Mitglieder hat die FKNK."
Sagt Präsident Perici Calascione. Das ist die größte Nichtregierungsorganisation im Land. Eine Macht. Doch davon sieht man wenig, wenn man die schäbige Geschäftsstelle des Jagdverbandes besucht. Ein heruntergekommenes Büro mit alten Möbeln, Computern der ersten Generation. An der Wand hängen Trophäen. Ausgestopfte Singvögel, Greifvögel, Wasservögel. Verstaubte Erinnerungen an Zeiten, in denen noch nicht gefragt wurde, ob es legal oder illegal ist, diesen oder jenen Vogel zu jagen.
Und heute? Wie gesetzestreu sind Maltas Jäger? Stimmen die Vorwürfe der Vogelschützer?
"Es gibt kein illegales Jagen. Was es gibt, ist das Schießen von geschützten Arten. Aber das ist nicht Jagen. Denn das Wort Jagd meint immer nachhaltiges Jagen, wir respektieren den Schutzstatus von Arten. Ich kann ihnen versichern, dass in ganz Europa und vor allem in Malta noch nie eine Art ausgestorben ist wegen der Jagd."
Von Vogelschützern wird das bestritten: Wegen der Jagdbegeisterung der Malteser, sagt "Birdlife", sei Malta das einzige Land in Europa ohne eine einheimische Raubvogelart. Der Wanderfalke zum Beispiel, der früher an den Klippen Maltas gebrütet habe, sei komplett ausgelöscht worden.
Natürlich ging es früher auf der kargen, felsigen Insel vor allem darum, durch den Vogelfang oder die Kaninchenjagd die Mahlzeiten zu bereichern. Doch davon kann heute nicht mehr die Rede sein. Den Jägern geht es, so Geoffrey Saliba von "Birdlife", um die Trophäe:
"Der Hauptgrund, diese geschützten Vögel zu erschießen, ist, sie auszustopfen und in privaten Sammlungen aufzubewahren. Je seltener der Vogel, desto höher das Prestige. Aber es gibt auch Vögel, die abgeschossen und dann liegen gelassen werden, nachdem der Jäger sie gesehen hat. Wir hatten im letzten Jahr an einer Stelle allein über 200 geschützte Vögel gefunden, die dort getötet worden waren. Und wir erklären uns das so: Diese Vögel hatte der Jäger bereits in seiner Sammlung, er schießt sie ab und stellt dann fest, dass er bereits ein besseres Exemplar hat. Also, auch solche Vögel werden einfach abgeschossen."
In weniger dicht besiedelten Gebieten würde die sinnlose Ballerei kaum auffallen. Doch in Malta kann es einem passieren, dass einem tote Vögel buchstäblich vor die Füße fallen. Selbst in Siedlungen und Dörfern greifen Jäger schon mal zur Flinte, wenn sie einen Vogel sichten und machen so aus dem kleinen Land ein einziges Jagdrevier. Das prägt auch die Landschaft.
In den wenigen ländlichen Gebieten, an den Klippen findet man immer wieder kleine von Mäuerchen umrandete Flächen - ein Rechteck, ein paar Quadratmeter groß. Hier legen Vogelfänger ihre Netze aus. Klappnetze, die dann zuschnappen, wenn Vögel landen. Auch diese Form der Singvogeljagd - auf Englisch "Trapping" - hat auf Malta Tradition. Ein Lockvogel im Käfig soll die Artgenossen anlocken. Die zwei Klappnetze, die auf einen Rahmen gespannt sind, liegen flach auf dem Boden. Wird die Falle ausgelöst, klappen die beiden Flügel zusammen und umschließen den Vogel, ohne dass dieser verletzt wird. Bei dieser Form der Jagd geht es darum, einen Vogel für die Volieren zu fangen. Die Käfighaltung von Singvögeln ist sehr beliebt auf Malta.
"Beim Trapping sollen Vögel mit Netzen lebendig gefangen werden. Aus der europäischen Perspektive ist der Unterschied zwischen der Jagd und dem Trapping der, dass die Jagd unter bestimmten Bedingungen nicht notwendigerweise illegal ist. Aber Trapping ist überall in der EU verboten, weil es sehr viel effektiver ist als die Jagd."
Und dennoch entdeckt man - wenn man Malta aus der Vogelperspektive anschaut - überall im Land diese "trapping sites", die von Jägern problemlos aktiviert werden können, wenn die Zugvogelsaison wieder beginnt. Auch daran ändern die Vorschriften der EU wenig, und die maltesische Polizei, die immerhin eine eigene kleine Einheit für die Jagdaufsicht abstellt, ist scheinbar machtlos gegen die Jagdleidenschaft der Malteser.
"Das Jagen ist ein männlicher Instinkt."
Sagt Joseph Perici Calascione, der Präsident des maltesischen Jagdverbandes. Und auch wenn manche Männer sich vom Jäger zum Sammler weiter entwickelt hätten, die Jagd liege in der DNA des maltesischen Mannes. Für ihn ist sie so wichtig, wie die Luft zum Atmen. Und es kommt tatsächlich immer wieder vor, dass Jäger, die der Wilderei überführt wurden und die ihren Jagdschein verlieren, Selbstmord begehen.
"Die Jagd ist ein Weg, sich selbst zu finden. Ganz nah an der Realität, an der Natur hat man hier etwas Zeit für sich selbst. Das verursacht keinen Stress, man sieht den Sonnenaufgang jeden Morgen. Das erste Rotkehlchen, das um halb sieben Uhr zwitschert, dann das Rotschwänzchen, die Bachstelze. Die Natur wacht auf. Und das Töten ist das letzte in einer langen Reihe von Tätigkeiten, man hat Hunde, um die man sich das ganze Jahr über kümmern muss, die man trainieren muss. Das ist ein ganzheitliches Thema. Und um das ein bisschen zu begreifen, muss man hinausgehen."
"Unsere Angst ist, dass irgendwelche Vandalen unsere Autos anzünden."
Sagt Nimrod. Und Iwan bestätigt:
"Ja, das kam in der letzten Zeit vor, wenn die Vogelschützer ins Revier vordrangen."
Also bleibt Iwan beim Auto, während wir uns mit Nimrod einen ersten Überblick verschaffen.
Wir halten an einer viel befahrenen Straße, von der aus man einen wunderbaren Blick auf ein kleines Tal hat. Tatsächlich einmal eine Ahnung von Natur auf Malta. Bäume und Sträucher.
"Diese Gegend heißt bei uns Vogelfriedhof. Hier wurden viele geschützte Arten, vor allem Raubvögel, zum Beispiel der Wespenbussard, während ihrem Überflug im Herbst oder Frühling ausgerottet. Von Männern, die ich gar nicht Jäger nennen will, das sind Wilderer. Sie glauben, dass sie das Recht haben, zu töten, was immer sie wollen."
Nimrod ist Mitte zwanzig. Für "Birdlife" macht er Erkundungsfahrten. Ausgerüstet mit einer Videokamera dokumentiert er illegale Jagd und verbotene Trapping-Sites, Flächen, auf denen Klappnetze installiert werden können für die Vogeljagd.
Reich wird man bei "Birdlife" nicht. Aber Nimrod ist ein Kämpfer, ein Idealist.
"Ich habe Vögel gefunden, Kuckuck, Pirol, Braunkehlchen, auch kleinere Vögel wie die Nachtigall, einfach erschossen und auf den Felsen liegen gelassen oder versteckt. Ich kann das bezeugen. Ich komme aus einer Jäger- und Trapper-Familie, und ich bin Malteser. Aber ich kann nicht länger still sein, ich möchte Teil des Wandels werden."
Da fliegen sie wieder - die große Vogelschau im Deutschlandradio Kultur