Die Krise der Männlichkeit
In der garstigen Komödie "Der Mann aus Oklahoma" beschreibt der junge Schweizer Dramatiker Lukas Lindner eine Welt, in der seine Artgenossen nur noch lächerliche Versager sind. Das mit fiesen Pointen gespickte Stück hatte bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen Premiere.
Ein harter Kerl will Fred gern sein. Einer wie der Privatdetektiv Marlowe, der noch coole Sprüche raus haut, wenn er angeschossen ist, Aber Fred ist erst 13 und hat mit einer extrem gefühlskalten Mutter und einer geisteskranken Lehrerin zu kämpfen. "Vater, du Idol" heißt ein Projekt in seiner Klasse, alle Papis müssen zeigen, wie toll sie sind. Wer das nicht schafft, blamiert seine Kinder. Freds Vater ist nun verschwunden. Vielleicht ist es das Beste, was er tun kann. Nur nicht für seinen Sohn.
Der 31-jährige Schweizer Lukas Linder hat für sein Stück "Der Mann aus Oklahoma" zwei der wichtigsten deutschsprachigen Autorenpreise abgeräumt. Erst den Kleist-Förderpreis für junge Dramatiker, dann gewann er den Heidelberger Stückemarkt. Eine garstige Komödie hat er geschrieben, schnell, surreal, vollgestopft mit fiesen Pointen.
Linder beschreibt eine Welt, in der die Männer nur noch lächerliche Versager sind, egal, was sie anstellen. Die Traumpapis treten nicht auf, der Vater von Freds Mitschülerin - ein Ringer - scheitert daran, vor der Klasse ein Buch zu zerreißen. Als er es später zu Hause doch noch schafft, schreit sie auf und sagt, das sei ihre französische Grammatik gewesen. Nun müsse er ihr ein neues Buch kaufen.
Egal, was die Männer anstellen, sie genügen nicht. Die Welt hält nur Demütigungen für sie bereit. Die Frauen sind aggressive Zicken, vielleicht sehnen sie sich nach Machos wie Marlowe, auf jeden Fall verachten sie die Schlaffis und Softies. Wenn Männlichkeit nicht mehr funktioniert, gibt es auch keine Väter mehr. In dieser Situation muss Fred ein Mann werden. Eine miese Aufgabe, er sucht nach Identifikationsmöglichkeiten und findet keine. Höchstens in alten Detektivfilmen.
Vor-Uraufführungslorbeeren gab es zu Recht
Regisseur Marc Lunghuss gibt der Film-noir-Fantasieebene wenig Platz. Diese Szenen sind ein Spiel Freds, der alle Rollen verkörpert. Der abgetrennte Kopf, den er aus einer Tasche ziehen muss, entpuppt sich als Kuschelhase. Die Bühne ist ein geschlossenes Zimmer, in dem sich alle möglichen Fenster und Türen öffnen.
Daraus quellen die Quälgeister, das Muttermonster, die gemeine Mitschülerin, die Lehrerinnenscheußlichkeit. Wirklichkeit und Albtraum sind von Anfang an nicht zu unterscheiden, die Mutter sagt einmal offen, das hier sei die Hölle. Tempo, lustvoll gemeine Zuspitzungen und die hohe Spielenergie des Leipziger Ensembles sorgen für viele Momente schwarzbissiger Komik.
Während der hervorragende Felix Axel Preißler den jungen Fred mit glaubwürdiger Schüchternheit verkörpert, ein Pubertierender, der noch nicht richtig weiß, wie sein Körper funktioniert. Irgendwie muss Fred diesen Irrsinn um ihn herum in den Griff kriegen, das weiß er. Kein Wunder, dass er seinen Vater sucht, der nur als Saxophon spielender Schatten sichtbar wird. Falls es sich dabei überhaupt um den Vater handelt, der nach Oklahoma ausgewandert sein soll.
"Der Mann aus Oklahoma" hat die Vor-Uraufführungslorbeeren zu Recht bekommen. Lukas Linder hat eine krasse Groteske mit nachdenklichen Momenten geschrieben, ein enorm unterhaltendes Stück mit scharfen Kanten. Ein überzeugendes Stück über die gefährliche Phase der Pubertät und die schmerzhafte Krise der Männlichkeit.