Der Mann, der BP übernehmen will

Von Daniel Stender |
Ein Künstler aus Münster träumt von einer "feindlichen Übernahme" des BP-Konzerns: Der 44-jährige Ruppe Koselleck malt Bilder aus Ölresten, die er an Stränden der Welt findet. Von dem Erlös erwirbt er BP-Aktien - über 2000 hat er schon.
"Also wir befinden uns im Übernahmebüro von BP, das ist in der Schulstraße 43, das ist ein Atelierhaus..."

Der Kampf gegen das weltweite Imperium des Ölkonzerns BP wird von einem kleinen Büroraum in Münster aus gesteuert. An den Wänden hängen ölschwarze Gemälde, in den Aquarien blubbert grünliches Wasser aus verschiedenen Hafenbecken.

"Da ist das alte Kontorsbuch, und vor allem auch mein Ölarchiv, ich kann vielleicht mal öffnen, es gibt ein kleines Schränkchen."

Hier lagert Ruppe Koselleck, der Mann, der BP übernehmen will, in kleinen Tüten und Flaschen das Öl, das er an Stränden auf der ganzen Welt gefunden hat.

"Es fängt an mit dem Prestigeöl (öffnet Dose). Das ist ein Tanker, der ist untergegangen zwischen Spanien und Frankreich, in dem Fall ist es spanisches Öl, man kann das auch ganz gut riechen. Es riecht nach Tankstelle, ist aber richtiges Rohöl, da ist ein richtiger Tanker in der Mitte zerbrochen, herrliches Rohöl, der Strand: schwarz. Wenn man so will, bin ich auch Katastrophengewinner, mit dem sinnvollen Ziel, den Verursacher zur Strecke zu bringen."

Aus dem gefundenen Öl macht Ruppe Koselleck Kunst, getreu dem Motto: Sie kaufen Kunst und ich BP.

"Ziel ist es, einen Konzern mit seinen eigenen Mitteln, dem rohen Öl selbst zu schlagen, indem das ökologisch-ästhetische Verursacherprinzip gegen ihn verwendet wird."

Jeder Käufer eines Rohölgemäldes von Ruppe Koselleck erhält ein Zertifikat, das den Künstler dazu verpflichtet, das erworbene Geld auch im Sinne der Aktion einzusetzen:

"Ziel der Aktion ist es, nicht nur, die Mehrheit von BP zu erlangen, sondern den Konzern zu zerschlagen. Dass heißt, es wird festgeschrieben, dass es zu der Grundabsicht dieser Arbeit gehört, den Gegner auch zur Strecke zu bringen – nach großzügigen Entschädigungsleistungen gegen verschiedene Opfer."

Der Preis eines Gemäldes orientiert sich am Preis einer BP-Aktie, denn von der Hälfte des Geldes, die Koselleck durch den Verkauf verdient, kauft er Aktien des Konzerns. Die andere Hälfte behält er, für seine Familie und den Unterhalt des Büros.

"So, das wird gestempelt."

Über 18 Milliarden BP-Aktien gibt es. Koselleck besitzt 2003 Aktien. In 217 Jahren, sagt er, wird er den Konzern übernehmen.

"Wir sind Öl, vom Fuß bis zum Kopf. Vom Medikament bis zum Treibstoff, von der Jeans bis zum Kopfhörer, daraus ist Öl. Wir sind also im Moment fast in einer Symbiose zum Öl. Und wir versuchen, uns davon zu lösen, und das ist die Zukunftsaufgabe. "

Vergnügliche Vergeblichkeit, so bezeichnet Koselleck seine Aktion. Man könnte auch sagen: Ein mündiger Bürger nutzt eine Chance, die er eigentlich nicht hat. Auf einer Ausstellung erschien einmal zufällig ein BP-Team. Koselleck begrüßte die Leute als der zukünftige Chef des Konzerns.

Eigentlich heißt Koselleck mit Vornamen Ruprecht, aber "Ruppe" passt viel besser zu dem 44-Jährigen mit der Glatze und den wachen Augen:

"Ich habe mal Fußball gespielt, rechtsaußen und da hieß ich dann Ruppe, das blieb. Aber Ruppe war auch irgendwie ganz okay. Man rumpelt, man kommt irgendwo an, man hackt, wenn es sein muss. Aber Ruprecht ist auch ein schöner Name."

Ruppe Koselleck wurde in der Nähe von Heidelberg als eines von fünf Kindern geboren. Sein Vater war der Historiker Reinhart Koselleck. Kunst war schon den Eltern wichtig:

"Ich bin schon kunstaffin aufgewachsen, da hing ein Albersdruck an der Wand, das hängt auch nicht überall, oder wir sind auch in Kunsthallen gewesen, also ich kenne das von Kindheit an. Also, ich verbinde Kunst von Anfang an mit Spaß und Vergnügen."
Humor ist für Kosellecks Kunst entscheidend – denn obwohl viele seiner Arbeiten einen ernsthaften politischen Hintergrund haben, sind sie immer auch absurd und dadaistisch.

"Jetzt befinden wir uns in meinem anderen Büro, das Büro für deflationäre Maßnahmen. Man sieht einen alten 10 D-Mark-Schein. Vor der Einführung des Euro habe ich begonnen, D-Mark-Scheine einzuschweißen, zu signieren und die Nummer zu erfassen. Jeder Geldschein hat so eine Nummer und bekam eine neue Nummer eingestanzt. Und dann kostete ein 10 Mark-Schein 30 Mark. Und Ziel dieser Arbeit ist, so viel Geld wie möglich aus dem Markt zu ziehen. Ich habe insgesamt 11000 D-Mark eingeschweißt."

Bei Ruppe Koselleck verschwimmt die Grenze zwischen Kunst und Alltag. Schon als Teenager ging es dabei weniger um Formvollendung als um die Freude am Experiment.

"Da war ich 16, da hatte ich ein Bild im Kopf, wo ich eine ganze Tür von unten bis oben mit Zigaretten vollgenagelt habe, ich glaube, da haben meine Eltern sich ein paar Gedanken gemacht, was aus dem werden soll, das war geruchstechnisch eine enorme Belastung, die Tür stand draußen, es verweste langsam. Das fand ich künstlerisch."

In seinem Lebenslauf kommt das Kunststudium ebenso vor wie die Radtour, die er 1987 mit einem Freund in die Türkei gemacht hat. Im Familienurlaub amüsieren sich seine Töchter, wenn ihr Vater nach Öl sucht, oder – einer jahrelangen Installation folgend – kleine Polizistenfiguren auf Kaugummis klebt und überall platziert. Unabhängigkeit ist für Ruppe Koselleck entscheidend – auch finanziell:

"Ich habe zwei Kinder, also Leben ist Leben. Ich arbeite natürlich auch, um Geld zu verdienen. Ich kann auch auf dem Weihnachtsmarkt arbeiten. Ich versuche, nur von Kunst zu leben. Aber es ist schlimm, wenn Künstler wirklich an dieser Existenzminimumgrenze schrabben, ohne Alternativen zu haben."

Kosellecks Alternative war, dass er Jahre nach dem Kunststudium noch ein zusätzliches Examen als Lehrer gemacht hat. Zur Zeit lebt er von der Kunst und arbeitet nicht als Lehrer, seine Fächerkombination ist übrigens: Kunst und Politik. Kein Scherz, sondern Teil des Gesamtkunstwerks.