Der Meister der Abschweifung
Jean Paul war neben Goethe einer der bekanntesten Schriftsteller seiner Zeit. Als modern gilt heute sein Stil. Denn er inszenierte sein Schreiben als eine Art Journalführen, verfasste seine Geschichten in Notizen und Skizzen.
"Sobald wir anfangen zu leben, drückt oben das Schicksal den Pfeil des Todes aus der Ewigkeit ab."
Goethe hätte diese Bemerkung Jean Pauls vielleicht gefallen, ohne sein Gefallen jedoch öffentlich zugeben zu wollen. Er wusste zwar genau, wer ihm da in den Straßen des kleinen Weimar, wohin Jean Paul 1796 gezogen war, immer wieder über den Weg lief, aber er blieb auf Distanz. Goethes Alarmstimmung rührte sicher zum Teil daher, dass einer seiner engsten Freunde, Karl Philipp Moritz, 1792 nach der Lektüre von Jean Pauls Roman "Die unsichtbare Loge" seine Begeisterung auch öffentlich kundgetan hatte:
"Das begreif ich nicht! Der ist ja noch über Goethe, das ist was ganz Neues."
Bücher wie "Hesperus oder 45 Hundposttage", "Leben des Quintus Fixlein" oder "Siebenkäs" festigten Jean Pauls Ruhm. Statt eine von Anfang bis Ende durchgeführte Geschichte zu ersinnen, inszenierte er sein Schreiben als eine Art Journalführen, ein von vielen Improvisationen charakterisiertes Aufzeichnen von Notizen und Skizzen, die das Offene, Zufällige und Zerfließende eines Lebens in den Blick nahm – ein heute sehr modern anmutendes Konzept.
"Wenn man fragt, warum ein Werk nicht vollendet worden, so ist es noch gut, wenn man nur nicht fragt, warum es angefangen. Welches Leben in der Welt sehen wir denn nicht unterbrochen? So tröste man sich damit, dass der Mensch rund herum in seiner Gegenwart nichts sieht als Knoten, – und erst hinter seinem Grabe liegen die Auflösungen; – und die ganze Weltgeschichte ist ihm ein unvollendeter Roman."
Das Fragmentarische, die Aus- und Abschweifungen eines Lebens versuchte Jean Paul auch in seinem Schreibstil auszudrücken, in langen, gewundenen, verschnurrten Satzschlangen. Aber da war, bei allem ihm zur Verfügung stehenden Witz und Humor, der oft in eine beißend-satirische Gesellschaftskritik umschlagen konnte, immer auch ein dunkler Ton.
Goethe hätte diese Bemerkung Jean Pauls vielleicht gefallen, ohne sein Gefallen jedoch öffentlich zugeben zu wollen. Er wusste zwar genau, wer ihm da in den Straßen des kleinen Weimar, wohin Jean Paul 1796 gezogen war, immer wieder über den Weg lief, aber er blieb auf Distanz. Goethes Alarmstimmung rührte sicher zum Teil daher, dass einer seiner engsten Freunde, Karl Philipp Moritz, 1792 nach der Lektüre von Jean Pauls Roman "Die unsichtbare Loge" seine Begeisterung auch öffentlich kundgetan hatte:
"Das begreif ich nicht! Der ist ja noch über Goethe, das ist was ganz Neues."
Bücher wie "Hesperus oder 45 Hundposttage", "Leben des Quintus Fixlein" oder "Siebenkäs" festigten Jean Pauls Ruhm. Statt eine von Anfang bis Ende durchgeführte Geschichte zu ersinnen, inszenierte er sein Schreiben als eine Art Journalführen, ein von vielen Improvisationen charakterisiertes Aufzeichnen von Notizen und Skizzen, die das Offene, Zufällige und Zerfließende eines Lebens in den Blick nahm – ein heute sehr modern anmutendes Konzept.
"Wenn man fragt, warum ein Werk nicht vollendet worden, so ist es noch gut, wenn man nur nicht fragt, warum es angefangen. Welches Leben in der Welt sehen wir denn nicht unterbrochen? So tröste man sich damit, dass der Mensch rund herum in seiner Gegenwart nichts sieht als Knoten, – und erst hinter seinem Grabe liegen die Auflösungen; – und die ganze Weltgeschichte ist ihm ein unvollendeter Roman."
Das Fragmentarische, die Aus- und Abschweifungen eines Lebens versuchte Jean Paul auch in seinem Schreibstil auszudrücken, in langen, gewundenen, verschnurrten Satzschlangen. Aber da war, bei allem ihm zur Verfügung stehenden Witz und Humor, der oft in eine beißend-satirische Gesellschaftskritik umschlagen konnte, immer auch ein dunkler Ton.
Wie aus Johann Jean wurde
Zur Welt gekommen am 21. März 1763 in Wunsiedel im Fichtelgebirge, wuchs Johann Paul Friedrich Richter, so sein Geburtsname, nach dem frühen Tod des Vaters, eines Dorfschullehrers und Predigers, in Hof bei den Großeltern auf. Ein Studium der Theologie und Philosophie musste er aus finanziellen Gründen abbrechen. Es folgten Schreibversuche und erste kleinere Veröffentlichungen, bis aus dem jungen Autor "Jean Paul" geworden war – die Umwandlung des deutschen Johann ins französische Jean geschah aus Verehrung für Jean Jacques Rousseau. Seither verbrachte Jean Paul, abgesehen von ein paar Reisen und damit verbundenen Ortswechseln, die meiste Zeit seines knapp 62 Jahre währenden Lebens am Schreibtisch mit Träumen. Ja, wenn das Schicksal ihm im Alter von zehn oder vierzehn Jahren "ein unbedeutendes Mädchen und die gemeinste Musik und etwas Mondschein" zuerteilt hätte, schrieb er, dann … Aber:
"Was half mir nachher alles Wirkliche… Ach, ich war immer zu spät glücklich, nie zur rechten Zeit."
Auch als er durch Heirat und Kinder auf eine traditionelle Lebensbahn gekommen war, reihte er ein Werk ans andere: "Titan", "Flegeljahre", "Dr. Katzenbergers Badereise" – Schreiben, um das Buch des Lebens zu füllen, am Ende mit einer "Selberlebensbeschreibung", wie er seine Autobiografie nannte.
An seinem letzten Lebensort Bayreuth angekommen, wo ihn der bei seiner Geburt aus der Ewigkeit abgeschossene Pfeil am 14. November 1825 traf, war Jean Paul nach seiner lebenslangen Schreibarbeit doch innerlich ein wenig zur Ruhe gekommen. Aus dem auf Jugend-Bildern asketisch wirkenden Mann war ein fülliger Herr geworden, der das Bier von Bayreuth lobte. Die Anerkennung als einer der neben Goethe bekanntesten deutschen Schriftsteller seiner Zeit war zwar gegen Ende ein wenig verblasst, aber das störte ihn nicht. Jean Pauls Zukunft beschrieb Ludwig Börne in seiner Totenrede:
"Nicht allen hat er gelebt. Aber eine Zeit wird kommen, da wird er allen geboren, und alle werden ihn beweinen. Er steht aber geduldig an der Pforte des zwanzigsten Jahrhunderts und wartet lächelnd, bis sein schleichend Volk ihm nachkomme."
"Was half mir nachher alles Wirkliche… Ach, ich war immer zu spät glücklich, nie zur rechten Zeit."
Auch als er durch Heirat und Kinder auf eine traditionelle Lebensbahn gekommen war, reihte er ein Werk ans andere: "Titan", "Flegeljahre", "Dr. Katzenbergers Badereise" – Schreiben, um das Buch des Lebens zu füllen, am Ende mit einer "Selberlebensbeschreibung", wie er seine Autobiografie nannte.
An seinem letzten Lebensort Bayreuth angekommen, wo ihn der bei seiner Geburt aus der Ewigkeit abgeschossene Pfeil am 14. November 1825 traf, war Jean Paul nach seiner lebenslangen Schreibarbeit doch innerlich ein wenig zur Ruhe gekommen. Aus dem auf Jugend-Bildern asketisch wirkenden Mann war ein fülliger Herr geworden, der das Bier von Bayreuth lobte. Die Anerkennung als einer der neben Goethe bekanntesten deutschen Schriftsteller seiner Zeit war zwar gegen Ende ein wenig verblasst, aber das störte ihn nicht. Jean Pauls Zukunft beschrieb Ludwig Börne in seiner Totenrede:
"Nicht allen hat er gelebt. Aber eine Zeit wird kommen, da wird er allen geboren, und alle werden ihn beweinen. Er steht aber geduldig an der Pforte des zwanzigsten Jahrhunderts und wartet lächelnd, bis sein schleichend Volk ihm nachkomme."