Der Mensch als Kraftwerk

Der Autor Ferdinand Cap verrät zwar nicht, wie man 130 Jahre alt wird. Aber er schildert sehr eindringlich die physikalischen Grundlagen, die das Leben erst ermöglichen. So ist sein Werk kein Buch für das ewige Leben - aber eines für das ewige Nachdenken über das Leben.
Der Mensch ist aus physikalischer Sicht nichts anderes als ein Kraftwerk. Ihm wird ein Energieträger in Form von Nahrung zugeführt. Der Mensch setzt durch physikalische und chemische Prozesse Energie frei, die für seinen Betrieb notwendig ist. Die dabei entstehenden Abfälle werden ausgeschieden.

Für Ferdinand Cap ist der Mensch ein Wesen der Natur. Was genau ist Leben? Wie kam es dazu? Warum und wann geht es zu Ende? Warum lebt der Mensch nicht unendlich lang? Der Autor, Jahrgang 1924, Physiker an der Universität Innsbruck, versucht Gesundheit, Leben und Tod allein durch physikalische Prozesse im Menschen zu erklären. Ob Gefühle wie Scham oder Angst, ob ein im Gedächtnis gebliebenes Ereignis oder das Anspannen eines Muskels: Was auch immer im Körper passiert: Es lässt sich letztlich auf chemische Stoffe und physikalische Prozesse zurückführen.

Ferdinand Cap erläutert zunächst die elementaren Grundlagen aus Chemie, Physik und Mathematik, die notwenig sind, um diese Vorgänge im Innern des Körpers zu verstehen. Das große steuernde Element im Hintergrund ist die Entropie.

Diese etwas sperrige physikalische Größe ist für Ferdinand Cap der "Betriebsdirektor" des Kraftwerks Mensch. Die Entropie gibt an, wie groß die "Unordnung" in einem System ist. Diese Unordnung nimmt stets zu. Es sei denn, man führt gezielt Energie zu, um bestimmte Vorgänge rückgängig zu machen.

Ein Tropfen Milch in der Kaffeetasse wird sich allmählich verteilen, aber sich niemals wieder in einem Punkt vereinen. Das ginge nur mit großem Energieaufwand. Alt wird man nur, wenn man die Entropie immer wieder senkt, so die Kernthese des Autors. Doch wie genau sich erreichen lässt, dass die Zellen im Körper einen möglichst geringen Entropieanstieg haben und also möglichst langsam altern, beantwortet Ferdinand Cap nicht.

Da gibt es vage Hinweise auf die Wirkung von grünem Tee, speziellen Fettsäuren oder Cholesterin etc. Der Autor zeigt, welche Lebensmittel welche Elemente enthalten, welche Rolle Zucker und freie Radikale spielen. Er erinnert an die berühmten Experimente aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren, in denen Biochemiker in den USA versucht haben, aus Ursuppen voller Aminosäuren durch Blitzeinschläge Leben entstehen zu lassen. Ferdinand Capo war bei einigen dieser Experimente aktiv dabei. Doch die Hoffnung, so die Entstehung des Lebens im Kosmos nachzustellen, hat sich nicht erfüllt.

Die kurzen, prägnant verfassten Kapitel geben zudem einen Überblick über die Entstehung der Erde und wann welche Lebensformen auf unserem Planeten aufgetaucht sind. Der Autor beschreibt die Grundlagen der Quantenphysik, um die Vorgänge im Innern der Moleküle zu verstehen. Aber wann immer es konkret um das Leben geht und wie man es rein physikalisch verlängern kann, weicht der Autor aus. Er muss es geradezu. Denn auch mit Hilfe der Physik lässt sich bis heute nicht verstehen, warum Zellen altern und irgendwann ihren Dienst einstellen.

Wie man 130 Jahre alt wird, verrät einem Ferdinand Cap in seinem Buch nicht. Aber er schildert sehr eindringlich die physikalischen Grundlagen, die das Leben erst ermöglichen. So ist sein Werk kein Buch für das ewige Leben – aber eines für das ewige Nachdenken über das Leben.

Rezensiert von Dirk Lorenzen

Ferdinand Cap: Wie man 130 Jahre alt wird
Böhlau, 194 Seiten, 24,90 Euro