Der Million Dollar Mann

Von Jörg Taszman |
Vor seinem Drehbuch zu "Million Dollar Baby" kannte den erfolgreichen Fernsehregisseur und zweifachen Emmy-Gewinner Paul Haggis auch in Hollywood kaum einer. Das ist nun anders: Ab Donnerstag ist Haggis' Film "L.A. Crash" im Kino zu sehen, bei dem er selbst Regie führte. Der verfolgt mosaikartig 36 Stunden im Leben verschiedenster Menschen in Los Angeles.
36 Stunden in Los Angeles. Einem weißen Mittelstandspärchen wird der schicke Wagen geklaut, ein schwarzer TV-Regisseur auf der Straße von einer weißen Polizeistreife angehalten, seine Frau von einem rassistischen Cop unsittlich berührt. Stunden später wird derselbe Mann ihr Leben retten, ihr Ehemann fast Amok laufen.

Ein Iraner wird als Osama beschimpft, sein Laden aufgebrochen. Aber der Ausländer verdächtigt einen mexikanischen Schlosser und will ihn erschießen. Ein weiterer Polizist; ein Afroamerikaner, hat einen kriminellen Bruder, der den eingangs erwähnten Wagen gestohlen hat.

Meisterhaft verbindet Autor Paul Haggis Geschichten und Schicksale vom Leben und Sterben in L.A. Dabei ging es ihm um mehr als nur den alltäglichen Rassismus.

Paul Haggis: " Ich wollte über unsere Ängste schreiben, wie sehr sie uns verändern, vor allem in den USA nach dem 11. September. Diese Ängste führen dazu, dass wir Vorurteile haben, Vermutungen über Andere. Mit uns selbst sind wir sehr großzügig. Wir wissen, was für komplexe Persönlichkeiten wir sind. Aber wir neigen dazu, Fremde sehr schnell und vereinfachend zu beurteilen. Darin sehen wir keinen Widerspruch. Ich wollte also einen Film drehen, der eine unterhaltsame Achterbahnfahrt ist, Spaß macht, aber auch eine Herausforderung darstellt. Er ist manchmal politisch inkorrekt, es werden schreckliche Dinge gesagt, und wenn man darüber lacht, fühlt man sich schuldig, aber nicht zu schuldig. "

Paul Haggis möchte Fragen nicht beantworten, sondern aufwerfen und es dem Zuschauer überlassen, nach Antworten zu suchen. Er freut sich, dass jeder, der den Film sieht, sich mit einer anderen Figur identifizieren kann. Haggis ist bei aller Kritik dennoch weit davon entfernt, ein Zyniker oder Pessimist zu sein.

Paul Haggis: " Wenn man unter großem Druck steht, kann man auch wunderbare Dinge tun. Jemand, von dem man es am wenigsten erwartet, hilft dann ganz unvermittelt und der Freund, der einen beschützen sollte, tut es nicht. Dieser Widerspruch ist zutiefst menschlich. "

In den USA ist es immer noch ein gesellschaftliches Tabu den Rassismus zu thematisieren. Viele Kritiker auch bedeutender Zeitungen wie der "New York Times" sahen dann in "L.A Crash" nur eine Metapher und keine Gesellschaftskritik, meinten sogar, es seien nicht wirkliche Menschen, von denen Haggis erzähle, sondern überhöhte Kunstfiguren.

Haggis findet, dass sich in den Vorstädten von L.A, in den Ghettos, kaum etwas getan hat. Allein die wirtschaftliche Seite habe sich verbessert und nur so sei die Gewalt zurückgegangen. Wie kaum einer stellt sich Paul Haggis Fragen über die Gesellschaft, über Tabus. Das war auch bei "Million Dollar Baby" so. Wie aber kam es zur Zusammenarbeit mit Clint Eastwood?

Paul Haggis: " Ich schrieb das Drehbuch vor über 3 ½ Jahren und war in der zweiten Drehwoche zu "L.A Crash", als wir Clint Eastwood das Drehbuch zu "Million Dollar Baby" schickten, um ihn zu bitten, die Hauptrolle zu übernehmen. Hilary Swank und Morgan Freeman hatten bereits zugesagt und wir hatten ein Budget von 6,5 Millionen Dollar.

Er las das Drehbuch, mochte es sehr und fragte: "Kann ich auch Regie führen?" Ich hatte ursprünglich vorgehabt, auch der Regisseur zu sein. Aber wann bekommt man schon die Chance, mit Clint Eastwood zu arbeiten? So sagte ich: Natürlich kannst du Regie führen. Acht Monate später drehten wir. Clint hielt sich an die erste Drehbuchfassung, an jedes Wort und änderte nichts. "

In der Zwischenzeit hat Haggis für Clint Eastwood ein zweites Drehbuch verfasst, "Flags of our Fathers/Die Flaggen unserer Väter", dass im II. Weltkrieg spielt und den amerikanisch–japanischen Konflikt beleuchtet. Auch Steven Spielberg, der den Film produziert, hatte nur zwei kleine Anmerkungen.

Für Paul Haggis ist es ein Traum, mit Clint Eastwood zu arbeiten, weil er ihm so vertraut. Dankbar ist der in Kanada geborene Haggis, der seit 30 Jahren in Los Angeles wohnt, aber auch einem ganz anderen Mann: Don Cheadle, der kürzlich die Hauptrolle in "Hotel Ruanda" spielte.

Paul Haggis: " "Million Dollar Baby" war noch nicht verkauft und für L.A. Crash interessierte sich noch kein Studio, bevor Don Cheadle Interesse zeigte. Keiner vertraute mir, so brauchte ich bekannte Schauspieler. Ich fragte mich: Mit wem wollen alle Schauspieler einmal zusammen arbeiten? Da dachte ich an Don und ließ ihm das Drehbuch zukommen. Er las es und lud mich zu sich nach Hause ein. Ich war nervös und wusste nicht, ob er vielleicht zu mir sagt, du bist ein rassistischer Hurensohn.

Aber er sagte: "Ich mag es, ich bin dabei". Ich war erleichtert und fragte: Welche Rolle? Und er: "Egal welche Rolle. Ich möchte ein Teil dieses Films sein." Dann sagte ich: "Möchten Sie den Film produzieren?" Ich wusste, jeder würde sagen: "Den Haggis kennen wir nicht, aber wenn Cheadle ihm vertraut, dann vertraue auch ich ihm". Und genau so kam es dann auch. Don half überall, sorgte sich um die Finanzierung, rief Leute an, überzeugte Schauspieler und gab mir auch Ratschläge für den Schnitt. Er war ein echter Koproduzent."