"Der Mond ist aufgegangen" als Bigband-Version

Von Andreas Malessa |
Volkslieder sind derzeit nicht sonderlich populär. Doch damit das Liedgut nicht ganz in Vergessenheit gerät, hat der erfolgreiche Produzent Dieter Falk eine neue CD herausgebracht. "Volkslieder" heißt sie und soll vergessen geglaubte Melodien und Klänge in Erinnerung rufen.
"Wer kennt sie nicht, diese Fernsehsendung 'Erkennen Sie die Melodie?' vom ZDF, ganz früher. Da gab`s immer so Erkennungsspiele und genau das tue ich auf dieser Platte auch."

Beim "Abendlied" des Hamburger Dichters Matthias Claudius aus dem Jahre 1778 dürfte das Wiedererkennen noch leicht fallen. Kirchenchöre singen so etwas gravitätisch erhaben.

Wie aber steht es um die Bekanntheit von alten deutschen Volksliedern, wenn sie kein Knabenchor konzertant konserviert und kein Hansi Hinterseer sie im Musikantenstadl schunkelt? Aus den Lehrplänen der Musikpädagogen scheinen Volkslieder so verschwunden zu sein wie der Titel "Volksschul-Lehrer". Von Querverbindungen zwischen Volkslied und Volksfrömmigkeit ganz zu schweigen.

Ausgerechnet ein Musikproduzent des Senders "Pro Sieben" will die Sache nun mit Humor, mit musikalischem Augenzwinkern angehen:

"Ich verstecke die Melodien ein klein wenig und so nach acht bis zehn Takten müsste auch der letzte erkannt haben 'Aaach, das isses?!' Und bei Wandern-ist-des-Müllers-Lust, ich hab meinen Spaß dran gehabt, das ist ja ein walking bass, adumdumdumdum, deswegen als Bigbandswing mit einem wandernden Bass."

Dieter Falk, Produzent von "Pur", Marshall & Alexander, Gitte Haenning und Daliah Lavi, Gold- und Platin-dekorierter Arrangeur für rund einhundert weitere Entertainer, Jury-Mitglied der Castingshow "Popstars” an der Seite von Nina Hagen, will die naiv-romantischen Lieder seiner Kindheit in Erinnerung rufen, sie aber – bei allem Respekt vor dem Original - ironisch verfremden. Um Neugier auf Altes zu wecken.

"Ich kann mich daran erinnern, dass es meinem Bruder und mir Spaß gemacht hat, wenn wir mit meinen Eltern zusammen musiziert haben. Und das gleiche tun wir heute mit unseren beiden Kindern – sie sind 11 und 13 – auch. Und offensichtlich macht`s ihnen auch Spaß, sonst würden sie nicht mitmachen."

Das bürgerliche Idyll der familiären Hausmusik sei mausetot, ist oft zu lesen und zu hören. Glaubt ausgerechnet ein für den schnellen Musikkonsum produzierender Künstler, er könne diese Hausmusik neu stimulieren?

"Was ich noch mehr tun will als Hausmusik zu stimulieren ist: Schulmusik zu stimulieren! Ich kann mich dran erinnern, dass mein Klavierlehrer sich damals ans Klavier gesetzt hat und wunderbar Volkslieder improvisiert hat und wir haben mitgesungen! Fand ich n` Hammer und heute kann das keiner mehr?! Find` ich jammerschade."

Berufsbedingt hat Dieter Falk mit all jenen blutjungen Möchtegern-Stars und -Models zu tun, die der kulturbeflissen geneigte Zuschauer über 50 geringschätzig wegzappt. Gerade in der Generation nach dem Traditionsabbruch aber gäbe es ein Interesse an Romantik und Religiosität, meint Falk:

"'Was soll das bedeuten' oder 'All Morgen ist ganz frisch und neu' – das kannten sie nicht. Ich hab ihnen ein bisschen was über die Lieder erzählt und dass mir sehr viel daran liegt, dass man wiedererkennt, wie Volk und Religion früher zusammengehangen hat."

Das "Volkslied-Experiment" polarisiert sofort. Was viele Musik- und Religionslehrer als jugendkompatibles Unterrichtsmaterial willkommen heißen, strafen Hüter deutscher Kulturhoheit mit Verachtung. Erst recht, weil am Ende noch eine deftige Provokation kommt: Dürfen dunkelhäutige Migrantenkinder wie die "Monrose"-Sängerin Senna ihre neue Heimat preisen? Im Rap-Stil? Und dazu das vielleicht deutscheste unserer deutschen Volkslieder benutzen?