Der morbide Charme von Schrumpfköpfen und Moorleichen
Sie sind die Attraktion in vielen Museen: Menschliche Totenschädel und andere konservierte Gebeine. Doch ist es überhaupt legitim, solche Exponate zu zeigen? Die Direktorin des Überseemuseums Bremen leitet eine Arbeitsgruppe, die sich mit diesem Problem befasst.
Alexandra Mangel: Ursula Biermann hat sich im Völkerkundemuseum St. Gallen umgeschaut. Und in Bremen sitzt jetzt für uns Wiebke Ahrndt im Studio, sie ist die Direktorin des Überseemuseums Bremen, und sie auch die Leiterin der Arbeitsgruppe, die der Deutsche Museumsbund beauftragt hat, diesen Leitfaden für den Umgang mit menschlichen Überresten in Museumssammlungen zu erarbeiten. Guten Morgen, Frau Ahrndt!
Wiebke Ahrndt: Ja, guten Morgen!
Mangel: Wird sich Ihre Arbeitsgruppe vor allem mit Rückgabeforderungen der betroffenen Völker an deutsche Museen beschäftigen?
Ahrndt: Nein, nicht nur. Es geht uns um die Gesamtthematik. Es geht darum, mal Empfehlungen zusammenzustellen, wie gehen wir mit Human Remains in unseren Sammlungen um, und dazu gehört natürlich dann auch die Frage, wie gehen wir denn gegebenenfalls mit Rückgabeforderungen um, die an unsere Häuser herangetragen werden.
Mangel: Im Mai werden deutsche Universitäten ja nach jahrelangen Forderungen die ersten Schädel der Herero und der Nama aus Namibia zurückgeben – das sind Schädel, die um 1904 von den Deutschen im kolonialisierten Südwestafrika geraubt und an deutsche Universitäten geschickt wurden, um die Überlegenheit der weißen Rasse zu beweisen. Vorher waren fast alle dort lebenden Angehörigen dieser Stämme von Truppen des deutschen Kaiserreichs ermordet worden. Da gibt es nun also erste Rückgaben. Wie viele weitere Rückgabeforderungen an deutsche Museen gibt es denn, also welche Dimensionen hat denn dieses Problem?
Ahrndt: Oh, das kann ich in der Form tatsächlich nicht quantifizieren. Es gibt Rückgabeforderungen aus verschiedenen Ländern, es gibt natürlich auch immer wieder Privatleute, die sich an uns wenden, aber aktuell gibt es Gespräche oder auch Wünsche, Forderungen aus Australien, Neuseeland, Namibia und in Teilen auch aus Peru.
Mangel: Sie haben schon gesagt, es geht nicht nur um die Rückgabe, sondern auch um den richtigen Umgang mit diesen Exponaten in den Museen. Was sehen Sie denn gegenwärtig für Probleme in der Präsentation dieser Objekte in den Museen? Wir haben ja eben gehört, es geht in St. Gallen darum, die Exponate in einen Kontext einzubinden – ist das ein guter Weg, geschieht das an den meisten Museen?
Ahrndt: Es geht natürlich darum, dass wir solche Überlegungen, wie dies jetzt die Kollegen in St. Gallen angestellt haben, auch einfach mal mit in die Arbeitsgruppe einfließen lassen wollen, dass wir die Empfehlung auch hineinschreiben, welche Fragen sollte ich mir denn selber stellen als Museum, als Kurator, bevor ich mich dazu entschließe, menschliche Überreste in einer Ausstellung zu zeigen.
Mangel: Aber wo liegen da die Probleme, was sind problematische Präsentationen, die es derzeit noch gibt?
Ahrndt: Na ja, nun haben ja menschliche Überreste – der Direktor des St. Gallener Museums sprach es ja etwas an –, sie haben ja eine Ausstrahlung jenseits dessen, was ich inhaltlich eigentlich erzählen möchte. Sie haben so einen gewissen, man kann es fast morbiden Charme nennen, es fördert die Schaulust.
Mangel: Das sind alle mal Menschen gewesen.
Ahrndt: Ja. Also wenn Sie sich angucken, wie begeistert sich Besucher auch auf die ausgestellten Moorleichen in norddeutschen Museen stürzen, weil sie das mal sehen wollen, oder natürlich auch die Beliebtheit von Schrumpfköpfen, weil man so was mal sehen möchte, dann ist das natürlich, da wird Schaulust bedient. Und da muss man sich natürlich fragen, warum sollte ich das tun, also nach welchen Grundsätzen soll ich da entscheiden, wo das legitim ist und nicht, denn wir müssen ja immer bedenken, wir haben es mit Menschen zu tun.
Mangel: Welche Objekte haben Sie da bei sich im Haus, also im Überseemuseum Bremen, und wie gehen Sie da damit um?
Ahrndt: Wir zeigen in den Ausstellungen keine menschlichen Überreste zum Angucken, im Gegenteil, aus unserem Schaumagazin habe ich die Schrumpfköpfe herausgenommen, weil sie dort anders als jetzt in der St. Galler Ausstellung eben nicht in einem Kontext standen, sondern einfach in der Vitrine zu sehen waren, ohne jede weitere Erklärung dazu. Da habe ich sie daraus entfernt und zeige sie nicht mehr. Aber das findet natürlich auch nicht nur begeisterte Zustimmung bei den Besuchern.
Mangel: Was für Reaktionen von den Besuchern bekommen Sie denn da?
Ahrndt: Na, sie hätten gerne die Schrumpfköpfe doch mal wieder gesehen. Es sind einfach Dinge, die man ansehen möchte. Ja, wie soll ich es beschreiben? Nehmen Sie die Ausstellung von Hagens, die "Körperwelten", wie viele Menschen dahin laufen, weil sie sich dann tote Menschen ansehen.
Mangel: Wir sprechen im "Radiofeuilleton" mit der Leiterin des Überseemuseums Bremen. Sie leitet eine Arbeitsgruppe, die im Auftrag des Deutschen Museumsbundes Empfehlungen für den Umgang mit Human Remains, also mit menschlichen Überresten erarbeiten soll. Frau Ahrndt, das National History Museum in London hat gerade australischen Aborigines Schädel zurückgegeben – warum wird das nicht generell so gehandhabt, wenn es um Opfer von Gewalt geht, wie bei Schrumpfköpfen?
Ahrndt: Es passiert in dem Fall ja. Bei Schrumpfköpfen ist es so, wir kennen ja gar nicht die Ethnien, von denen diese Schrumpfköpfe kommen, also wir wüssten überhaupt nicht, an wen wir diese Schrumpfköpfe zurückgeben sollten. Das ist ja zunächst erst mal das, was geklärt sein muss. Ich kann sie ja nicht den Shuar zurückgeben, die sie mal angefertigt haben von ihren getöteten Feinden.
Mangel: Den Tätern sozusagen?
Ahrndt: Den Tätern. So, das heißt, das ist natürlich immer die primäre Frage. Im Fall von Australien sieht die Situation inzwischen ja so aus, dass der australische Staat hier Rückgabeforderungen stellt und wie dann innerhalb des Landes mit den De-facto-Rückgaben an die einzelnen Aborigine-Familien oder Clans umgegangen wird, ist dann Sache der australischen Regierung und nicht mehr der europäischen Museen. Das ist natürlich in anderen Fällen durchaus anders, da gibt es natürlich dann auch Anfragen, die von einzelnen Personen kommen, die auf der Suche nach den Überresten ihrer Urgroßväter sind. Da stellen sich natürlich ganz andere Fragen. Das ist ja legitim, da reden wir von ethischen Fragestellungen, aber natürlich auch von der Frage, ist denn der, der das wiederhaben will, auch erbberechtigt.
Denn wenn ich das nur mal übertrage, um es nicht so fern klingen zu lassen, auf meine eigene Familie, ich würde die Gebeine meines Urgroßvaters suchen, dann gäbe es da mittlerweile einen ziemlichen Familienkreis, der genauso erbberechtigt wäre wie ich. Und dann muss natürlich geklärt sein, wer darf hier eigentlich was fordern, und ist mein Gesprächspartner eigentlich legitimiert. Und da geht es darum, dass die Arbeitsgruppe Empfehlungen zusammenstellen möchte, dass ich überhaupt als Museumskurator weiß, welche Fragen dann relevant werden.
Mangel: Sind Ihnen denn in Deutschland Fälle von solchen Forderungen von Nachfahren bekannt?
Ahrndt: Ja, das kommt immer mal wieder vor, dass es aus den ehemaligen Kolonialgebieten Anfragen gibt, wo Personen nach den Gebeinen ihrer Urgroßväter suchen. Nehmen wir mal das Beispiel, das die Frau Biermann in ihrem Beitrag ansprach, mit dem Urenkel von Sitting Bull: Das geht zurück auf ein Gesetz in den USA, dass an Indianer alles zurückgegeben werden soll, was da mit Human Remains zu tun hat oder illegitim in den Besitz der Museen gegangen ist. Nun ist es so, dass Sitting Bull sehr zahlreich auch Kinder adoptiert hat, aber man kann natürlich eine Haarlocke dann am Ende nur dem geben, der genetisch nachweisen kann, dass er tatsächlich der Urenkel ist. Und da sind wir dann bei den Blutsverwandten, damit sind natürlich alle, die mal über Adoption in die Familie gekommen sind, plötzlich aus der Erbfolge ausgeschlossen. Und das ist auch nach unserem deutschen Rechtsverständnis nicht machbar.
Mangel: Gibt es denn an den ethnologischen oder an den Völkerkundemuseen überhaupt so eine Art Provenienzforschung in dieser Richtung, also wird die Herkunft der Objekte untersucht und wird dann eben auch geschaut, ob es Nachfahren gibt, oder können die Museen das gar nicht leisten gegenwärtig?
Ahrndt: Das können die Museen nicht leisten. Es ist so: Wenn eine Anfrage an ein Museum gerichtet wird, dann gibt es eine Einzelfallprüfung. Das muss es auch in Zukunft immer geben, es muss jeder Fall einzeln genau geprüft werden.
Mangel: Und wenn in Zukunft bei Ihnen Nachfahren von Opfern kommen würden, wären Sie dann bereit, die auch zurückzugeben?
Ahrndt: Wenn sich herausstellen sollte, dass wir die Gebeine tatsächlich haben, der Mensch, der sie zurückhaben möchte, auch dazu berechtigt ist, dass wir sie ihm zurückgeben, und sie auch einfach per Unrecht in unser Haus gekommen sind, dann kann man das Unrecht – gutmachen kann man es sowieso nicht mehr, aber dann kann man natürlich auch gar nicht anders als zurückgeben.
Mangel: Wiebke Ahrndt, Leiterin des Überseemuseums in Bremen und Leiterin einer Arbeitsgruppe, die Empfehlungen für den Umgang mit menschlichen Überresten in deutschen Museen erarbeiten soll. Danke schön fürs Gespräch, Frau Ahrndt!
Ahrndt: Bitte sehr!
Wiebke Ahrndt: Ja, guten Morgen!
Mangel: Wird sich Ihre Arbeitsgruppe vor allem mit Rückgabeforderungen der betroffenen Völker an deutsche Museen beschäftigen?
Ahrndt: Nein, nicht nur. Es geht uns um die Gesamtthematik. Es geht darum, mal Empfehlungen zusammenzustellen, wie gehen wir mit Human Remains in unseren Sammlungen um, und dazu gehört natürlich dann auch die Frage, wie gehen wir denn gegebenenfalls mit Rückgabeforderungen um, die an unsere Häuser herangetragen werden.
Mangel: Im Mai werden deutsche Universitäten ja nach jahrelangen Forderungen die ersten Schädel der Herero und der Nama aus Namibia zurückgeben – das sind Schädel, die um 1904 von den Deutschen im kolonialisierten Südwestafrika geraubt und an deutsche Universitäten geschickt wurden, um die Überlegenheit der weißen Rasse zu beweisen. Vorher waren fast alle dort lebenden Angehörigen dieser Stämme von Truppen des deutschen Kaiserreichs ermordet worden. Da gibt es nun also erste Rückgaben. Wie viele weitere Rückgabeforderungen an deutsche Museen gibt es denn, also welche Dimensionen hat denn dieses Problem?
Ahrndt: Oh, das kann ich in der Form tatsächlich nicht quantifizieren. Es gibt Rückgabeforderungen aus verschiedenen Ländern, es gibt natürlich auch immer wieder Privatleute, die sich an uns wenden, aber aktuell gibt es Gespräche oder auch Wünsche, Forderungen aus Australien, Neuseeland, Namibia und in Teilen auch aus Peru.
Mangel: Sie haben schon gesagt, es geht nicht nur um die Rückgabe, sondern auch um den richtigen Umgang mit diesen Exponaten in den Museen. Was sehen Sie denn gegenwärtig für Probleme in der Präsentation dieser Objekte in den Museen? Wir haben ja eben gehört, es geht in St. Gallen darum, die Exponate in einen Kontext einzubinden – ist das ein guter Weg, geschieht das an den meisten Museen?
Ahrndt: Es geht natürlich darum, dass wir solche Überlegungen, wie dies jetzt die Kollegen in St. Gallen angestellt haben, auch einfach mal mit in die Arbeitsgruppe einfließen lassen wollen, dass wir die Empfehlung auch hineinschreiben, welche Fragen sollte ich mir denn selber stellen als Museum, als Kurator, bevor ich mich dazu entschließe, menschliche Überreste in einer Ausstellung zu zeigen.
Mangel: Aber wo liegen da die Probleme, was sind problematische Präsentationen, die es derzeit noch gibt?
Ahrndt: Na ja, nun haben ja menschliche Überreste – der Direktor des St. Gallener Museums sprach es ja etwas an –, sie haben ja eine Ausstrahlung jenseits dessen, was ich inhaltlich eigentlich erzählen möchte. Sie haben so einen gewissen, man kann es fast morbiden Charme nennen, es fördert die Schaulust.
Mangel: Das sind alle mal Menschen gewesen.
Ahrndt: Ja. Also wenn Sie sich angucken, wie begeistert sich Besucher auch auf die ausgestellten Moorleichen in norddeutschen Museen stürzen, weil sie das mal sehen wollen, oder natürlich auch die Beliebtheit von Schrumpfköpfen, weil man so was mal sehen möchte, dann ist das natürlich, da wird Schaulust bedient. Und da muss man sich natürlich fragen, warum sollte ich das tun, also nach welchen Grundsätzen soll ich da entscheiden, wo das legitim ist und nicht, denn wir müssen ja immer bedenken, wir haben es mit Menschen zu tun.
Mangel: Welche Objekte haben Sie da bei sich im Haus, also im Überseemuseum Bremen, und wie gehen Sie da damit um?
Ahrndt: Wir zeigen in den Ausstellungen keine menschlichen Überreste zum Angucken, im Gegenteil, aus unserem Schaumagazin habe ich die Schrumpfköpfe herausgenommen, weil sie dort anders als jetzt in der St. Galler Ausstellung eben nicht in einem Kontext standen, sondern einfach in der Vitrine zu sehen waren, ohne jede weitere Erklärung dazu. Da habe ich sie daraus entfernt und zeige sie nicht mehr. Aber das findet natürlich auch nicht nur begeisterte Zustimmung bei den Besuchern.
Mangel: Was für Reaktionen von den Besuchern bekommen Sie denn da?
Ahrndt: Na, sie hätten gerne die Schrumpfköpfe doch mal wieder gesehen. Es sind einfach Dinge, die man ansehen möchte. Ja, wie soll ich es beschreiben? Nehmen Sie die Ausstellung von Hagens, die "Körperwelten", wie viele Menschen dahin laufen, weil sie sich dann tote Menschen ansehen.
Mangel: Wir sprechen im "Radiofeuilleton" mit der Leiterin des Überseemuseums Bremen. Sie leitet eine Arbeitsgruppe, die im Auftrag des Deutschen Museumsbundes Empfehlungen für den Umgang mit Human Remains, also mit menschlichen Überresten erarbeiten soll. Frau Ahrndt, das National History Museum in London hat gerade australischen Aborigines Schädel zurückgegeben – warum wird das nicht generell so gehandhabt, wenn es um Opfer von Gewalt geht, wie bei Schrumpfköpfen?
Ahrndt: Es passiert in dem Fall ja. Bei Schrumpfköpfen ist es so, wir kennen ja gar nicht die Ethnien, von denen diese Schrumpfköpfe kommen, also wir wüssten überhaupt nicht, an wen wir diese Schrumpfköpfe zurückgeben sollten. Das ist ja zunächst erst mal das, was geklärt sein muss. Ich kann sie ja nicht den Shuar zurückgeben, die sie mal angefertigt haben von ihren getöteten Feinden.
Mangel: Den Tätern sozusagen?
Ahrndt: Den Tätern. So, das heißt, das ist natürlich immer die primäre Frage. Im Fall von Australien sieht die Situation inzwischen ja so aus, dass der australische Staat hier Rückgabeforderungen stellt und wie dann innerhalb des Landes mit den De-facto-Rückgaben an die einzelnen Aborigine-Familien oder Clans umgegangen wird, ist dann Sache der australischen Regierung und nicht mehr der europäischen Museen. Das ist natürlich in anderen Fällen durchaus anders, da gibt es natürlich dann auch Anfragen, die von einzelnen Personen kommen, die auf der Suche nach den Überresten ihrer Urgroßväter sind. Da stellen sich natürlich ganz andere Fragen. Das ist ja legitim, da reden wir von ethischen Fragestellungen, aber natürlich auch von der Frage, ist denn der, der das wiederhaben will, auch erbberechtigt.
Denn wenn ich das nur mal übertrage, um es nicht so fern klingen zu lassen, auf meine eigene Familie, ich würde die Gebeine meines Urgroßvaters suchen, dann gäbe es da mittlerweile einen ziemlichen Familienkreis, der genauso erbberechtigt wäre wie ich. Und dann muss natürlich geklärt sein, wer darf hier eigentlich was fordern, und ist mein Gesprächspartner eigentlich legitimiert. Und da geht es darum, dass die Arbeitsgruppe Empfehlungen zusammenstellen möchte, dass ich überhaupt als Museumskurator weiß, welche Fragen dann relevant werden.
Mangel: Sind Ihnen denn in Deutschland Fälle von solchen Forderungen von Nachfahren bekannt?
Ahrndt: Ja, das kommt immer mal wieder vor, dass es aus den ehemaligen Kolonialgebieten Anfragen gibt, wo Personen nach den Gebeinen ihrer Urgroßväter suchen. Nehmen wir mal das Beispiel, das die Frau Biermann in ihrem Beitrag ansprach, mit dem Urenkel von Sitting Bull: Das geht zurück auf ein Gesetz in den USA, dass an Indianer alles zurückgegeben werden soll, was da mit Human Remains zu tun hat oder illegitim in den Besitz der Museen gegangen ist. Nun ist es so, dass Sitting Bull sehr zahlreich auch Kinder adoptiert hat, aber man kann natürlich eine Haarlocke dann am Ende nur dem geben, der genetisch nachweisen kann, dass er tatsächlich der Urenkel ist. Und da sind wir dann bei den Blutsverwandten, damit sind natürlich alle, die mal über Adoption in die Familie gekommen sind, plötzlich aus der Erbfolge ausgeschlossen. Und das ist auch nach unserem deutschen Rechtsverständnis nicht machbar.
Mangel: Gibt es denn an den ethnologischen oder an den Völkerkundemuseen überhaupt so eine Art Provenienzforschung in dieser Richtung, also wird die Herkunft der Objekte untersucht und wird dann eben auch geschaut, ob es Nachfahren gibt, oder können die Museen das gar nicht leisten gegenwärtig?
Ahrndt: Das können die Museen nicht leisten. Es ist so: Wenn eine Anfrage an ein Museum gerichtet wird, dann gibt es eine Einzelfallprüfung. Das muss es auch in Zukunft immer geben, es muss jeder Fall einzeln genau geprüft werden.
Mangel: Und wenn in Zukunft bei Ihnen Nachfahren von Opfern kommen würden, wären Sie dann bereit, die auch zurückzugeben?
Ahrndt: Wenn sich herausstellen sollte, dass wir die Gebeine tatsächlich haben, der Mensch, der sie zurückhaben möchte, auch dazu berechtigt ist, dass wir sie ihm zurückgeben, und sie auch einfach per Unrecht in unser Haus gekommen sind, dann kann man das Unrecht – gutmachen kann man es sowieso nicht mehr, aber dann kann man natürlich auch gar nicht anders als zurückgeben.
Mangel: Wiebke Ahrndt, Leiterin des Überseemuseums in Bremen und Leiterin einer Arbeitsgruppe, die Empfehlungen für den Umgang mit menschlichen Überresten in deutschen Museen erarbeiten soll. Danke schön fürs Gespräch, Frau Ahrndt!
Ahrndt: Bitte sehr!