Stille nach dem Schuss
Der rätselhafte Mord an Burak Bektas 2012 in Berlin-Neukölln beschäftigt Angehörige, Anwälte und Politiker bis heute. Dass der Fall noch immer nicht aufgeklärt ist und Ermittlungen teils fragwürdig erscheinen, verunsichert nicht nur die türkischstämmige Bevölkerung.
Kundgebung: "Vielen Dank, dass Ihr so zahlreich erschienen seid, jedes Jahr findet hier die Gedenkstunde für Burak statt. In den Gedanken lebt Burak weiter, und solange wir an ihn denken, wird er auch für immer weiterleben. Und das sind die Gedanken der Freunde, und ich hoffe, niemand von uns wird ihn jemals vergessen. Und wir nutzen diese Tage auch, um uns daran zu erinnern, wie schön das Leben eigentlich mit ihm war."
Es wäre Buraks 26. Geburtstag gewesen, am 14. Februar 2016. Freunde, Verwandte und die "Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektas" erinnern jedes Jahr an Burak, der hier, im Neuköllner Ortsteil Rudow, gegenüber dem Krankenhaus, erschossen wurde. Genau hier, an dem Straßenbaum, stehen Burak und seine Freunde in der Nacht zum 5. April 2012. Wollen weiterziehen, quatschen sich fest. Dann kommt ein Mann, wie aus dem Nichts, geht auf die Gruppe zu. Zieht eine Waffe – und drückt ab. Mehrmals. Sagt keinen Ton und geht seelenruhig weiter. Verschwindet im Nichts. Burak Bektas stirbt kurz nach der Attacke im Krankenhaus, zwei seiner Freunde werden schwer verletzt.
Im Februar 2013 berichtet das ZDF in der Reihe "Aktenzeichen XY … ungelöst" über den Fall.
ZDF: "Zehn Monate ist es jetzt her, da hat ein Verbrechen in Berlin die Menschen zutiefst schockiert. Alles hatte ganz harmlos begonnen, mehrere junge Männer, darunter der 22-jährige Burak Bektas, zogen zusammen los, um Spaß zu haben. Aber dann passierte etwas, für das es bis heute keine Erklärung gibt."
In Neukölln leben viele türkischstämmige Berliner. Zugleich hat Neukölln, besonders der Ortsteil Rudow, in dem auch der Tatort liegt, ein ernsthaftes Problem mit Neonazis. Helga Seyb von der Opferberatung "Reach Out" und zugleich Mitbegründerin der "Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektas":
Seyb: "Es gab keine Anhaltspunkte, was jetzt irgendwie Motiv gewesen sein könnte, und dazu kam natürlich, das war ungefähr ein halbes Jahr nach der Selbstenttarnung des NSU, war auch so eine Geschichte, kommt einer, schießt, ohne Motiv, verschwindet, und wird nicht gefunden. Und ist bis heute nicht gefunden …"
Am Tag, an dem der Filmbericht zum Mord an Burak Bektas in der Reihe "Aktenzeichen XY … ungelöst" ausgestrahlt wird, schreibt auf Facebook der Nutzer "Kleener Krümel":
"Nachher erst mal ZDF gucken, über den Kanaken, der hier vor der Tür abgeknallt wurde und hoffen, dass keiner brauchbare Hinweise zum Täter liefert ;)"
Hinter dem Pseudonym "Kleener Krümel" verbirgt sich Mandy P., die damals ganz in der Nähe des Tatortes wohnte, beste Kontakte in die rechte Szene hat und außerdem zum Tatzeitpunkt mit dem Neonazi-Aktivisten Mike S. liiert war.
Seyb: "… da würde ich denken, ok, wenn sie ein großes Interesse daran hat, dass keine Hinweise gefunden werden, dann hat sie vielleicht ein großes Interesse an dem Mörder, und dann würde ich diese Person mir ein bisschen genauer angucken, und dann auch ihr Umfeld mir angucken, und das ist meines Erachtens nicht geschehen. Also es ist sozusagen wie im Sande verlaufen. Sie musste sich dafür auch nicht öffentlich rechtfertigen."
Der Täter hinterlässt kaum Spuren
Die Kriminalpolizei ermittelt in alle Richtungen – unter schlechten Voraussetzungen: Der Täter hinterlässt kaum Spuren. Der ermittelnde Kriminalhauptkommissar Hübner ist zu Gast im ZDF-Studio.
Hübner: "Was die Ermittlungen in dem Fall so schwierig machen, ist, dass es alles so furchtbar schnell ging. Es gab vorher keine Auseinandersetzung, es gab kein Ansprechen, keine Vorwarnung, und entsprechend wenige Spuren konnten auch nur gesichert werden. Es hat sich aber gezeigt, dass die jungen Männer weder in der Vergangenheit noch aktuell den Anlass für diese Tat gegeben haben."
Moderator: "Das heißt also, Burak und seine Freunde sind Zufallsopfer geworden?"
Hübner: "Ja."
Der Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler vertritt mit zwei Kollegen die Familie von Burak Bektas. Und weiß um die durch das NSU-Debakel ohnehin schon vorhandene Unsicherheit in der türkischen Community – die, zumindest in Neukölln, durch diesen Mord noch größer geworden ist.
Daimagüler: "Was parallel ist an den NSU-Morden und dem Mord an Burak Bektas ist sicherlich die Tatsache, dass hier Migranten die Opfer sind. Burak stand ja mit Freunden zusammen, fünf Freunden, und die waren alle migrantisch. Zwei wurden schwer verletzt, Burak getötet. Es gab kein Bekennerschreiben, kein Bekenntnis irgendeiner Art, das sind natürlich Parallelen, die aufhorchen lassen …"
Moderator: "Burak und seine Freunde wurden alle in Deutschland geboren, aber viele Menschen in Deutschland sind auch davon überzeugt, dass der Täter gezielt losgegangen ist, um Ausländer zu erschießen. Ist eine Variante. Was halten sie davon?"
Hübner: "Das haben wir natürlich von Anfang an in Betracht gezogen und auch mit den Fachdienststellen zusammengearbeitet, aber wir haben keine konkreten Hinweise, dass dass das Motiv der Tat ist. Ich schließe es aber auf keinen Fall aus."
Ein Hinweisgeber, der sich 2013 bei der Polizei meldet, nennt einen Rolf Z. als möglichen Verdächtigen. Helga Seyb.
Seyb: "Ein Hinweisgeber, der diesen Mann in die Nähe des Krankenhauses Neukölln schon gefahren haben will, vor Jahren aber schon, weil der sich dort irgendwie mit seinem Bruder trifft und irgendwie rumballert. Also das steht schon in der Burak-Ermittlungsakte drin, und so wie es uns vorkam, ist dieser Rolf Z. nie wirklich überprüft worden, oder gar eingeladen worden."
Özata: "Warum hat man sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob dieser Hinweis nicht doch weitere Ermittlungsansätze bringen könnte. Gerade auch, weil der Ende 2013 einging, bei der Polizei, und man sich da fragt, was passierte da überhaupt noch, in Sachen Burak Bektas? Da passierte herzlich wenig. Ja? Also alle bisherigen Ermittlungsansätze waren nicht erfolgreich, haben nicht zur Ergreifung des Täters geführt, und dann kam dieser Hinweis. Der doch relativ konkret war. Und der aber mit der lapidaren Begründung abgewiesen wurde, dass es keinen Bezug zu Neukölln gebe. Was wiederum auch nicht richtig ist."
… sagt Onur Özata, ebenfalls Anwalt der Familie Bektas.
Seyb: "Und dann ist halt die Frage: Wie kommt die Polizei dazu, zu sagen, dass der nichts damit zu tun hat? Haben kann? Wie haben sie das ausgeschlossen? Das wäre eine spannende Frage, die sich aus einer korrekt geführten Akte eigentlich auch ergeben müsste."
Nicht allen Hinweisen wurde nachgegangen
Die Akten sind offenbar ein weiteres Problem: Die Anwälte der Familie haben die Befürchtung, dass ihnen nicht alle Akten zur Verfügung gestellt werden. Ogün Parlayan.
Parlayan: "Wir hatten ja mehrfach gefragt, ob Akteneinsicht umfassend gewährleistet worden ist, ob wir die bekommen haben. Zuerst war es: Ja, wir haben. Dann, nach weiteren Nachfragen, hat sich erst später herausgestellt, dass wir eben nicht alle Akten hatten …"
Warum nicht? Und warum wird dem Hinweis auf Rolf Z. nicht weiter nachgegangen?
Parlayan: "Es wäre ganz einfach, es gibt eine Beschreibung des Täters, einigermaßen, wie er gelaufen ist, wie er aussah, und so weiter, das Gesicht kann man nicht sagen, aber bestimmte Merkmale gab es schon, die von den Zeugen genannt worden sind. Und unter diesen Gesichtspunkten würde ich Rolf Z. mal jetzt nicht ausschließen."
Trotzdem die Spur wird nicht weiterverfolgt.
Im September 2015, mehr als drei Jahre nach dem Mord an Burak Bektas, geschieht in Neukölln ein weiterer Mord an einem Ausländer. Der Brite Luke Holland wird vor einem Club erschossen. Der mutmaßliche Täter wird kurz nach der Tat festgenommen. Anwohner hatten ihn mit einer Schrotflinte in der Hand in ein Haus flüchten sehen.
Es ist: Rolf Z.
Er soll am Abend in der gleichen Bar gewesen sein und sich beschwert haben, dass hier "kein Deutsch mehr gesprochen werde". Er gilt als Waffennarr. In seiner Wohnung wird die Polizei später Nazi-Devotionalien finden. Helga Seyb:
Seyb: "Der Täter, damals, bei Burak, wurde beschrieben als ein Mann zwischen 50 und 60, der sehr ruhig weggegangen ist, und der Mörder von Luke Holland, also der Tatverdächtige, ist in einem passenden Alter, und alles, was man weiß, ist, dass es keine Auseinandersetzung gegeben hat mit Luke Holland, also es gab keinen Wortwechsel, irgendwie, oder Streit oder irgendetwas, sondern der ist einfach erschossen worden. Da gibt es einfach Parallelen, die sehr auffällig sind. Eben auch, dass der so ruhig gewesen ist. Wie der Täter, der im Mordfall Burak eben sehr ruhig und gelassen weggegangen ist."
Parlayan: "Wir haben angefragt, bei der Staatsanwaltschaft, ob die Lichtbilder von Rolf Z. den Zeugen vorgelegt worden sind. Die Staatsanwaltschaft hat gesagt: Nein, wir haben keine Bilder den Zeugen vorgelegt, aus einem einfachen Grund: Rolf Z. würde nicht den Beschreibungen entsprechen, insbesondere wurde niemals erörtert, dass hier ein Bartträger da gewesen sein soll. Aber wir haben ja mittlerweile herausbekommen, dass der Tatzeuge bei der Polizei nachgefragt hat, ob er mal die Bilder sehen kann, und auch das wurde ihm verwehrt, und da fragt man sich natürlich, warum man nicht dem Zeugen mal die Bilder zeigen kann von Rolf Z… ja? Also das ist ja kein größerer Aufwand."
Auch der auffällige Gang des Mörders von Burak Bektas könnte bei einer Gegenüberstellung mit den Zeugen Klarheit bringen, aber auch die hat es nicht gegeben. Hat die Berliner Polizei gründlich und mit der gebotenen Sorgfalt ermittelt? Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler.
Daimagüler: "Das kann ich gar nicht so genau beantworten. Laut Aktenlage und den Akten, die uns vorliegen, uns Anwälten, ist das nicht geschehen. Also wir haben keinerlei Erkenntnisse oder auch nur Anfragen an die Verfassungsschutzbehörden, ich sehe keinen Datenabgleich zu den über 700 ungelösten Tötungsdelikten, die das Bundesinnenministerium als möglicherweise doch rassistisch motiviert eingestuft hat. All diese Dinge fehlen in den Akten. Und da sie in den Akten fehlen, gehe ich davon aus, dass diese Ermittlungen nicht stattgefunden haben. Und das ist nach bald vier Jahren zu wenig."
Pressestelle der Staatsanwaltschaft fürchtet "Medienkampagne"
E-Mail an die Pressestelle der Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Beantwortung von sechs Fragen. Zu Rolf Z., möglicherweise unterbliebenen Anfragen an das BKA. Dann ruft Pressesprecher Martin Steltner an. Hudelt über die Fragen, hier ein nein, da ein ja, dort ein weiß nicht. Ein mehr desinformierendes als informierendes Gespräch mit kaum zitierfähigen Aussagen.
Die prägendsten Aussagen Steltners: Hier werde an einer Legende gestrickt, und da laufe eine "Medienkampagne", gegen die "müssen wir uns wehren".
Mahnwache: "Wir fordern eine Neuausrichtung der Ermittlungen! Mahnwache vor dem Gebäude der Berliner Staatsanwaltschaft. Die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektas. Als Reaktion auf Anfang Januar bekanntgewordene Details zu den bisherigen Ermittlungen im Fall Burak Bektas ziehen wir vor das Gebäude der Berliner Staatsanwaltschaft, um unserer Forderung nach einer konsequenten Neuausrichtung der Ermittlungen mit Blick auf ein mögliches rassistisches Tatmotiv Nachdruck zu verleihen."
Anfang Februar 2016. Die "Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektas" protestiert vor der Berliner Staatsanwaltschaft. Drei Dutzend Menschen reihen sich auf, einige halten Transparente. "Rassismus – wieder das Motiv?" oder "Wurde genug ermittelt?" steht darauf. Viele Türken sind gekommen, auch Familie Bektas. Ulrike Schmidt von der Initiative:
Schmidt: "Und natürlich ist ne klare Angst da. Also sowohl unter den Jugendlichen beziehungsweise in der türkischstämmigen Community in Neukölln selbst, als auch bundesweit kann man sehen, dass da eben der Mordfall Burak Bektas sehr präsent ist. Und da eben auch ne ganz berechtigte Angst besteht, erstens: dass es zu weiteren Mordfällen kommt, aber auch, dass wenn es zu Mordfällen kommt, da eben nicht hinreichend ermittelt wird."
Werden darüber hinaus sogar Ermittlungsergebnisse zurückgehalten? So könnte es geschehen sein mit einer Operativen Fallanalyse, einem kriminologischen Instrument, um an ein Täterprofil und eine Hypothese zum Tathintergrund zu gelangen. Eine solche Fallanalyse wurde bereits wenige Monate nach dem Mord an Burak angefertigt. Aber offenbar verleugnet die Staatsanwaltschaft diese Fallanalyse. Rechtsanwalt Onur Özata:
Özata: "Wir haben Anfang 2015 einen Fragenkatalog an die Staatsanwaltschaft geschickt, mit der Bitte um Beantwortung unter anderem auch dieser Frage, ob eine solche operative Fallanalyse vorliegt. Daraufhin hat der zuständige Staatsanwalt geantwortet, dieser Fall sei überhaupt nicht geeignet für eine operative Fallanalyse, unter anderem auch, weil der Täter ja gekommen sei, und einen Satz gesagt habe und dann wieder gegangen sei. Was schon mal falsch ist, weil er überhaupt nichts sagte, und das sagen alle Zeugen einhellig, dass das nichts gesagt wurde. Im Übrigen mussten wir dann später feststellen, im Rahmen einer ergänzenden Akteneinsicht, dass sehr wohl eine operative Fallanalyse angefertigt wurde, und zwar schon im Jahr 2012."
Warum leugnet die Staatsanwaltschaft diese Fallanalyse? Bewusst oder aus Unkenntnis der eigenen Akten? Besonders pikant: Die Fallanalyse hält ausdrücklich ein politisch motiviertes Tatmotiv für möglich.
Mahnwache: "Wir wollen, dass mit Blick auf Rassismus als mögliches Tatmotiv ermittelt wird. Wir haben folgende Fragen: Warum leugnet der zuständige Berliner Staatsanwalt, Dieter Horstmann, die Existenz einer intern durchgeführten operativen Fallanalyse, die ein rechtes, rassistisches Tatmotiv als möglich benennt? Warum wird Tatzeugen im Fall Burak Bektas die Gegenüberstellung mit Rolf Z., dem mutmaßlichen Mörder des im September 2015 ermordeten Luke Holland, verweigert, obwohl es im Zuge der Ermittlungen im Fall Burak Bektas bereits einen Hinweis auf Rolf Z. als möglichen Tatverdächtigen gegeben hat? Warum wird gegenüber der Öffentlichkeit verschwiegen, dass in der Wohnung des mutmaßlichen Mörders von Luke Holland Nazi-Devotionalien gefunden wurden?"
Seyb: "Ich will überhaupt niemandem irgendetwas vorwerfen. Aber trotz alledem kann man Ermittlungen nach einem NSU-Debakel nicht mehr führen wie vor dem NSU-Debakel. Und um das zu gewährleisten, müssen sie ihren eigenen Ansprüchen auch nachkommen und müssen sagen: OK, ein Fall, in dem so viele Jahre nichts bei den Ermittlungen rausgekommen ist, braucht möglicherweise neues Personal, um da drauf zu gucken, um zu gucken: OK, was ist da vielleicht schiefgelaufen.
Die Initiative und die Anwälte der Familie fordern den Generalbundesanwalt auf, den Fall zu übernehmen. Weil er erhebliche Unruhe und Verunsicherung in die türkischstämmige Bevölkerung bringt. Eigentlich wären Ermittlungen der Bundesanwaltschaft die logische Folge aus dem NSU-Debakel und den Konsequenzen, die sich Landes- und Bundesbehörden danach selbst auferlegt hatten.
Bayram: "Wir haben hier solche Erlebnisse mit dem Staatsanwalt, der uns anlügt, mit Ermittlungsansätzen, die nicht nachvollziehbar sind … und dann ist es ja auch so ein Berliner Brei. Und da wollen wir mal, dass von oben jemand, der unbelastet ist, in dem Kontext, wie der Generalbundesanwalt, mal reinschaut.
"In Neukölln, in der Gegend, ist jeder verunsichert"
Canan Bayram, für die Grünen Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, auf einer Pressekonferenz der Initiative. Sie hat eine umfangreiche Schriftliche Anfrage zu den fragwürdigen Ermittlungen an den Senat gerichtet.
Bayram: "In dem Zusammenhang will ich nicht unerwähnt lassen, dass ich auch Herrn Heilmann …"
… den Berliner Justizsenator …
"… dass ich auch Herrn Heilmann direkt gefragt habe, ob ich Akteneinsicht bekomme, als Abgeordnete. Und da wurde halt gesagt, das ginge nicht, weil es ein laufendes Verfahren ist. Und dann hab ich halt gefragt, was denn noch läuft im Verfahren. Wo denn noch ermittelt wird. Daraufhin musste er schon auch eingestehen, dass im Prinzip nichts mehr passiert, aber man hält eben die Akte offen, und damit erschwert man auch letztlich die Aufklärung, die nicht nur wichtig wäre für die Familie von Burak. Und nicht nur für alle Migrantinnen und Migranten, denen so etwas Angst macht."
Auch auf dem Podium der Pressekonferenz: Martina Renner, Bundestagsabgeordnete der Linken und Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags. Durch ihre Schriftliche Anfrage wird sich nun auch die Bundesregierung mit dem Thema beschäftigen müssen.
Renner: "Wir fragen, ob das Bundeskriminalamt in seiner Bewertung zu dem Ergebnis kommt, dass der Mord an Burak Bektas und Luke Holland möglicherweise politisch motivierte Gründe hat, Rassismus oder Rechtsextremismus. Diese Frage ist deswegen so wichtig, weil eine Konsequenz aus dem NSU-Skandal war, dass aufgegeben wurde, dass die Ermittlungsbehörden in Zukunft bei Tötungsdelikten zum Nachteil von Migranten immer und pflichthaft niederlegen müssen, warum sie entsprechend rechtsextreme und rassistische Motive ausschließen."
Daimagüler: "Und deswegen versuchen wir, der Familie zu helfen, wo wir können. Aber letzten Endes können wir … ja, vielleicht im Promillebereich wirklich der Familie helfen. Das einzige, was dieser Familie helfen würde, ist wahrscheinlich, den Täter zu finden. Und bis dahin, dass sie wenigstens das Gefühl hat, das der Staat alles tut, was er tun kann. Und dieses Gefühl haben die nicht. Und dieses Gefühl können wir als Anwälte der Familie auch nicht geben. Das kann nur der Staat selber."
Aber der Staat schweigt, zumindest in Gestalt seiner Berliner Staatsanwaltschaft. Rechtsanwalt Daimagüler, der wie seine Kollegen Özata und Parlayan auch Opferfamilien im NSU-Prozess vertritt:
Daimagüler: "Und wenn wir es dann mit einem Staatsanwalt zu tun haben, der uns Antworten gibt, manchmal, auf schriftliche Anfragen, die wir alle drei hier nicht verstehen. Als Anwälte. Wo wir sagen: Moment mal, hat er die Akte nicht gelesen? Oder interessiert ihn das nicht? Was ist denn da los? Und da würde ich mir erhoffen, dass die Staatsanwaltschaft wenigstens den Medien Rede und Antwort steht. Weil die Verunsicherung, die wir in der migrantischen Community haben, die könnte ja auch überspringen. In Neukölln, in der Gegend, ist jeder verunsichert. Egal ob Deutscher, Biodeutscher oder Neudeutscher."
Und wenn geschwiegen wird und nicht klar ist, warum geschwiegen wird, greift das Misstrauen um sich. Familie Bektas fühlt sich alleine gelassen. Fatih Bektas, Buraks Bruder:
Bektas: "Und dazu noch, denke ich, dass die eventuelle Geheimhaltung des Mörders sich darauf bezieht, wegen des NSU-Prozesses, so dass der Staat nicht weiter an Vertrauen verliert."
Schmidt: "Also Sie glauben, dass die Polizei mehr weiß, als sie jetzt zugibt?"
Bektas: "Es macht zumindest den Anschein. Sie sind sehr defensiv gegenüber uns, bezüglich der Informationen, sie geben nichts raus. Und das macht mich misstrauisch."
Ein schwerer Verdacht. Die Berliner Staatsanwaltschaft tut aber auch nicht viel dafür, diesen Verdacht aus der Welt zu räumen.