Der Musiker Daniel Kahn

"Klezmer ist Leben, Lust, Humor"

Der Musiker Daniel Kahn
Aus Liebe zu Bertolt Brecht zog der Musiker Daniel Kahn nach Berlin. © imago/Mike Schmidt
Moderation: Matthias Hanselmann |
Mit scharfem Humor seziert der Klezmer-Punk-Musiker Daniel Kahn in seinen Songtexten gesellschaftliche Verhältnisse, Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Armut. In Berlin kennt man ihn auch als Gründer des jiddischen Kulturfestivals "Shtetl Neukölln".
Der Komponist, Schauspieler und Regisseur Daniel Kahn spielt Akkordeon, Gitarre, Klavier, Mundharmonika und eine selbst gebaute Ukulele. Er singt auf jiddisch, englisch, russisch und deutsch. Kahn lebt in Berlin Neukölln an der Karl-Marx-Straße, sie ist zu einer seiner "Heimaten" geworden – und zu seinem "Shtetl": "Die ganze Welt trifft dort zusammen – und das ist schön." Hier führt er seinen Hund Shmonik spazieren, hier hat er Menschen gefunden, mit denen er Klezmer und Punk bei spontanen Jam-Sessions mischen kann und Menschen, die diese Mixtur intuitiv verstehen. Mit ihnen und für sie hat er das Jiddische Kulturfestival Neukölln gegründet. Klezmer ist für ihn alles: "Das ist Leben, Lust, Humor, das ist Trauer – das Menschliche. Alles ist da drin!"

Von Detroit nach Berlin

Geboren wurde Daniel Kahn 1978 in Detroit. Dort ist er auch aufgewachsen in einer hauptsächlich von weißen Amerikanern bewohnten Vorstadt. Dort hat er auch den alltäglichen Rassismus miterlebt und den Kampf der Schwarzen gegen Rassentrennung und um Gleichbehandlung. Eine Politisierung, die ihn bis heute geprägt hat. Geprägt hat ihn aber auch die Musik, die die Eltern zu Hause spielten. Und ein Satz seines Vaters:
"Man kann das schönste Gedicht der Zeit schreiben oder die klügste Kurzgeschichte oder Roman, aber das wird keiner merken. Aber wenn man eine Lyrik mit Musik zusammensetzt, zusammenstellt, dann bleibt das mit den Menschen. Das begleitet sie ein Leben lang."

Kahn und Gegenwartsbewältigung

Nach Berlin kam Daniel Kahn 2005, er hatte sich im Studium in Bertolt Brecht verliebt. Berlin ist für ihn aber auch die Stadt, in der er als Künstler leben kann ohne ständig an Geld denken zu müssen, wie zum Beispiel in New York. Hier arbeitet er unter anderem am Maxim Gorki Theater. An dem Ensemble schätzt er die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitisch und historisch relevanten Fragen wie dem Holocaust.
"Ich hab‘ mir vor Jahren dieses Wort `Gegenwartsbewältigung´ ausgedacht. Mich interessiert nicht die Vergangenheit, mich interessiert die Vergangenheit nur insofern sie unvergangen ist – die Unvergangenheit der Vergangenheit."
Der Alptraum des Holocaust lebe weiter, er sei wie ein schwarzes Loch.
"Und ich versuche in der Musik solche Sachen zu behandeln, damit ich das nicht irgendwo anders im Leben behandeln muss."
Mehr zum Thema