Der Nato-Gipfel und Deutschlands Rolle in Europa

"Der Verlauf des Gipfels war eine Katastrophe"

Basil Kerski, Direktor des Europäischen Solidarnosc-Zentrums in Danzig im Jahr 2018
Basil Kerski, Direktor des Europäischen Solidarnosc-Zentrums in Danzig im Jahr 2018 © Deutschlandradio / Grenzgänger
Basil Kerski im Gespräch mit Anke Schaefer |
"Es gibt nur eine effiziente europäische Verteidigung mit einer aktiven Bundesrepublik", sagt Basil Kerski, Direktor des Europäischen Solidarnosc-Zentrums. Deutschland könne seine Verteidigungsausgaben ruhig hochschrauben, wie Donald Trump es gefordert hat.
US-Präsident Donald Trump hat auf dem Nato-Gipfel von den Partnern gefordert, ihre Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen – sie sogar bei vier Prozent ihrer jeweiligen Wirtschaftsleistungen anzusetzen, anstelle der vereinbarten zwei Prozent.
Doch wie würden anderen Länder wie Polen reagieren, wenn Deutschland seine Rüstungsausgaben deutlich erhöht? "Der ehemalige polnische Außen- und Verteidigungsminister Witold Waszczykowski hat – glaube ich - vor vier Jahren in Berlin gesagt, 'ein schwaches Deutschland wäre eine Katastrophe für Europa' – auch für Polen. Es gibt nur eine effiziente europäische Verteidigung mit einer aktiven Bundesrepublik", sagt Basil Kerski, Direktor des Europäischen Solidarnosc-Zentrums.
Zu Zeiten der Nato-Gründung hieß es noch: "Keep the Sowjet Union out, the Americans in and the Germans down" – also: Die Sowjetunion draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen klein halten. Dies habe sich nun aber deutlich geändert, meint Kerski.
"Ich bin beeindruckt, wie eng Offiziere aus Polen, Deutschland, Frankreich zusammenarbeiten. Ich habe den Eindruck, das ist eine Berufsgruppe, die sind mental sehr weit. Das sind Leute, die die Sprachen auch sprechen, die die Länder kennen, die Ausbildung ist international."

"De facto nimmt er das Bündnis auseinander"

Die Vereinigten Staaten waren maßgeblich an der Gründung der Nato beteiligt. Nun schien der US-Präsident sogar mit einem Austritt zu drohen, als er auf dem Gipfel fordert: Alle Partner müssten sofort ihre Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung erhöhen – anderenfalls würden die USA allein für ihre Sicherheit sorgen.
"Das ist Sensationelle der letzten Woche", sagt Kerski. "Trump spricht von der Stärkung des Bündnisses, aber de facto nimmt er das Bündnis auseinander, er zerstört die Glaubwürdigkeit des Bündnisses."
Der US-Präsident simuliere, dass es eine Geldfrage sei. "Aber wir wissen, Sicherheit, Vertrauen, die Autorität eines Bündnisses ist auch Politik, sind auch Gesten, Symbole, ist auch Solidarität zwischen den Gesellschaften, zwischen den politischen Systemen." Trump verunsichere Europa durch sein Verhalten. "Geld wird das nicht kitten."

Uneinigkeit in Europa

Stärken würde Europa eine zusätzliche, verstärkte europäische Verteidigungsidentität "als eine zusätzliche Schicht dieser westlichen Gemeinschaft", erklärt Kerski. "Wir dürfen nicht vergessen, dieser Gipfel begann mit der Ukraine und Georgien – zwei Länder, die von Russland angegriffen wurden."
Die realen Sicherheitsprobleme für Europa hätten beim Gipfel keine Rolle gespielt, sondern nur die Äußerungen von Trump. Der Verlauf des Gipfels sei insofern eine Katastrophe gewesen, meint Kerski.
Dass die Europäer nach dem Gipfel näher zusammenrücken, glaubt Kerski nicht. "Es wird schwierig: Vor allem weil die Briten draußen sind – einer der wichtigsten Armeen. Es wird schwierig, weil es in Polen eine Regierung gibt, die von Trump fasziniert ist und von ihm Sicherheit haben will."
Bündnisse mit Frankreich habe die Regierung in Polen wieder rückgängig gemacht. In Warschau hoffe man, dass alleine Trump für Polens Sicherheit sorge.
(orm)
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