Der nette Nachbar von nebenan

Von Thilo Schmidt |
Zurzeit testet die NPD im Freistaat ihre Kampagnenfähigkeit mit Aufmärschen, Infoständen und Mahnwachen. Mit dem gezielten Einsickern in Vereine hoffen ihre Kandidaten auf einen Listenplatz.
Karola Stange, Stadtvorsitzende Linkspartei, sagt: "Ich denke, seit gut zwei Jahren werden die Aktivitäten der NPD in Erfurt viel intensiver. Das wird darin sichtbar, dass sie erstens ganz massiv mit Infoständen sich in der Stadt präsent gemacht haben."

Steffen Dittes: "…also die NPD setzt zur Zeit auf eine Gewöhnung der Öffentlichkeit. Das machen sie sehr massiv, und eine andere Strategie ist natürlich auch die Mitarbeit in politischen Bündnissen, wo sie sich versuchen, als Einzelpersonen auch zu engagieren und sich zu etablieren."

Der Erfurter Anger, ein zentraler Platz in der Fußgängerzone. Hier protestiert seit Jahren ein Bündnis aus Gewerkschaften, Verbänden und Parteien gegen Sozialabbau. Neuerdings mischen sich Neonazis und NPD-Funktionäre unter die Demonstranten. Einer der Organisatoren, Falk Przewosnik, sagt:

"Was heißt seit kürzerem, seit gut einem Jahr haben wir hier regelmäßigen Besuch von bekannten Neonazis. Es gab da auch schon mehr oder weniger Auseinandersetzungen, die kommen regelmäßig. Und mitunter provozieren sie auch. "

Donnerstagsdemo. Heute bleibt alles friedlich auf dem Anger. Und doch, man musste sich an die Neonazis gewöhnen, jeden Donnerstag, immer mit ihrer Präsenz rechnen.

Karola Stange: "Also jeder hat da immer irgendwie n Transparent in der Jackentasche, was er aufziehen kann, was er zeigen kann, wir machen immer laut und deutlich, dass wir mit Nazis zu diesen Demonstrationen nichts zu tun haben wollen. Aber es gelingt uns nicht immer, das muss man einfach sagen."

Die NPD will ihr Bürgerschreck-Image loswerden. Und punktet mit sozialen Themen, gibt vor, antikapitalistisch und gegen Hartz IV zu sein. Und schleicht sich in bestehende Strukturen ein.

Erfurter Innenstadt, im Februar. Protest gegen den Abriss von Plattenbauwohnungen am Erfurter Stadtrand. Eine Demo des "Bürgerrates", einer Interessengemeinschaft betroffener Anwohner. Den Bürgerrat haben NPD und Freie Kameradschaften regelrecht gekapert …

Karola Stange: "Der Beweis dafür war ne Demo, die war am 13 Februar angemeldet, die war am Fischmarkt, vor dem Rathaus, das war eindeutig, der Sprecher des Bürgerrates, der Herr Walluhn, der hat sich da produziert."

Ulrich Walluhn: "… und fängt an, die Bürger in diesem Land im höchsten Maße zu bevormunden in diesem Land. Und dagegen verwahren wir uns!"

Ein Sprecher: "Sozial geht nur national! Anders geht es nicht!"

Karola Stange: "Die NPD hat die Technik bereitgestellt, und irgend so ein Klampfensänger der NPD hat da volkstümliche Weisen gesungen, im Umfeld war Herr Trinkaus, Herr Paul, also ist es ne eindeutige Linie. "

Patrick Paul ist einer der führenden freien Nationalisten Erfurts. Vorsitzender des rechtsextremen Vereins "Schöner leben in Erfurt", der - wie die NPD - den Bürgerrat offen unterstützt. Gespräch mit Paul in einem Erfurter Café. Ins Mikrofon reden will er nicht. Paul erzählt, wie er zusammen mit dem NPD-Bezirkschef auf den Sprecher des "Bürgerrates" zuging und Unterstützung angeboten hat. Die auch umgehend angenommen wurde von Ulrich Walluhn, der, so sagt es Paul, ganz genau wusste, mit wem er es zu tun hatte. Patrick Paul ist eben ein "adrett aussehender, selbstbewusst auftretender, gebildeter, junger Mann mit Sitte und Benehmen", so schreibt es Bürgerratssprecher Walluhn im Internet".

Erfurt, Wohngebiet Wiesenhügel. Schöner Blick über die Stadt. Hier stehen die Fünfgeschosser, die abgerissen werden sollen. Dass der Bürgerrat, der das verhindern will, von Neonazis übernommen wurde, wissen die Anwohner hier.

Anwohnerin: "Von der Bürgerinitiative… ich weiß nich, bin ich nicht so überzeugt …ich bin da nie hingegangen, oder wir, mit meinem Mann. S‘ liegt mir nich, die Bürgerinitiative. Ach, die bringts ja sowieso nicht, wenn man sieht, wer da so drinne is, ach … nee!"

Den Namen Ulrich Walluhn kennt hier jeder. Was hat den denn geritten, dass er sich da mit der NPD einlässt?

Anwohnerin: " Weil mich das gar nich so … der Mann interessiert oder irgendwas, gä? Ich sage: Is ja mehr de Polizei da hier wegen dem Walluhn da hier, ge? Dass der oben immer ausrastet. Aber sonst stört mich das nicht, da machen mer halt de Düren zu und gut is. Nee, ich weiß nich, was ihn da… ob er da schon vorher irgendwelche Leute da gekannt hat, keine Ahnung, ge?"

Andere dagegen finden, dass der Bürgerrat noch nicht genug tut.

Anwohnerin: "Find ich okay. Aber sie setzen sich meines Erachtens nicht genug ein. Sie könnten schon mehr tun."

Und dass sich jetzt die NPD noch an diese Initiative rangeklebt hat?

Anwohnerin: "Möcht ich mich nicht zu äußern …"

Warum nicht?

Anwohnerin: "Möchte ich mich nicht zu äußern. "

Ein Problem haben sie damit aber nicht jetzt, oder …

"Ich hab nich direkt ein Problem damit, aber ich möchte mich nicht wirklich dazu äußern. Dass se sich jetz da mit drangehängt ham."

Im nächsten Jahr sind Kommunalwahlen in Thüringen, und die NPD will in die Parlamente. Gibt sich bürgerlich und kümmert sich um die Alltagssorgen der Menschen. Stefan Heerdegen von Mobit, der "Mobilen Beratung für Demokratie – gegen Rechtsextremismus":

"Die NPD sehe ich in einem Spagat, also wirklich dem Bedienen extremer Rechter, also Neonazis, die sich in der NPD wiederfinden sollen, um zum Beispiel aus dem Spektrum der Freien Kameradschaften für die auch Wahlwerbung zu machen und andererseits eben der Notwendigkeit, nen Normalbürger auch dazu zu animieren, die NPD zu wählen. Und dann müssen sie natürlich kommunalpolitische Themen besetzen. Dann müssen sie versuchen, ne große Bandbreite an Themen zu haben. Ob das ne neue Qualität ist .. In der Intensität auf alle Fälle."

Und ausgerechnet die thüringische Landesregierung ist die einzige Ostdeutschlands, die sich einer strukturellen Förderung von Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus verweigert. Noch lebt Mobit, nachdem die Förderung des Bundesprogrammes "Civitas" ausgelaufen ist, von Übergangsgeldern des Bundes. Wie lange noch? Zu tun gibt es genug, nicht nur in den Städten, weiß auch Peter Metz, der Landeschef der Jungsozialisten:

"Es ist so, dass in Gemeinden führende Neonazi-Kader auf Fotos gemeinschaftlich mit der Freiwilligen Feuerwehr vor Ort zu sehen sind mit schön 'ner Feuerwehrkluft, und dann noch 'nen T-Shirt anhaben mit Aufschrift 'Freiheit für Lunikoff' und solche Geschichten. Es ist so, dass viele Sportvereine unterwandert werden, es ist so, dass viele Fußballspieler sich die '88' hinten draufmalen und das erstmal nicht beachtet wurde. Also das bürgerliche Lager wird von den Nazis unterwandert, und die Nazis bilden auch selber ein bürgerliches Lager, indem sie halt Hausaufgaben-Hilfe, Fahrdienste und so weiter anbieten."

Hinter "Lunikoff" verbirgt sich Michael Regener, der wohl populärste Neonazi-Musiker Deutschlands, und die "88" codiert im Alphabet die Buchstaben "HH". 88 - "Heil Hitler".

Stefan Heerdegen: "Rechtsextremen wird es mittlerweile sehr einfach gemacht, im ländlichen Bereich Jugendliche abzufischen. Wenn ich höre, dass es da Jugendpfleger, Jugendpflegerinnen gibt, die mehrere Dörfer abzudecken haben und maximal einmal pro Woche so einen Dorfjugendclub aufsuchen können, weil sie mehr Zeit und Ressourcen gar nicht haben, dann kann ich mir gut vorstellen, was in den anderen vier Tagen der Woche dort passiert. Da gab es ein Beispiel aus der Nähe von Eisenach, wo tatsächlich irgendwann ruchbar wurde, dass da hauptsächlich nur noch Rechtsextreme verkehren und eben da die anderen Jugendlichen verdrängt hatten."

Neonazi-Kameradschaften in der Provinz spielen der NPD in die Hände, versuchen, Jugendklubs, Herzen und Köpfe zu erobern. Ist der Deutschlandpakt, den DVU und NPD 2005 geschlossen haben, um sich nicht gegenseitig Wählerstimmen zu klauen, am Ende? Laut Deutschlandpakt ist Thüringen, wo im nächsten Jahr neben Kommunal- auch Landtagswahlen stattfinden, Terrain der DVU. Die aber ist kaum präsent im Land.

Stefan Heerdegen: "Also sie haben kaum flächendeckende Strukturen, kaum Protagonisten, die man öffentlich vorzeigen kann, die NPD hingegen arbeitet massiv an Mitgliederzahlen, arbeitet massiv an kommunaler Verankerung, ich kann mir nur vorstellen, dass die NPD antritt. Und eigentlich nicht, dass die DVU antritt. Freie Kräfte haben auch ganz eindeutig gesagt, dass sie für die DVU keinen Wahlkampf machen würden. Und es war in Mecklenburg-Vorpommern so und auch in Sachsen so, dass der Wahlkampf der NPD auch sehr massiv von den Freien Kräften unterstützt werden musste. Irgendjemand muss die Plakate hängen, ja."

Ein Café im Stadtzentrum. Der Erfurter NPD-Chef Kai-Uwe Trinkaus gibt Auskunft. Ins Mikrofon zu sprechen lehnt er ab, weil ihm das nicht "genehmigt" worden sei. Also bleibt das Mikro unter dem Tisch liegen. Dass der Deutschlandpakt aufgekündigt sei, dürfe er nicht verkünden, das käme gegebenenfalls von ganz oben. Fünf Minuten später erzählt er, die NPD habe bereits die Listen für die Kommunalwahl erstellt.

Im Kampf um Macht und Aufmerksamkeit scheut Trinkaus nicht einmal Stasi-Methoden. Er schleuste einen der seinen über eine Schnuppermitgliedschaft in SPD und Jusos ein. Dort arbeitete Andy Freitag, der eingeschleuste "Kamerad", überall mit, wo es um Gegenaktionen gegen die Rechten ging. Juso-Landeschef Peter Metz:

"Also es war ganz klar ein Angriff insofern, als dass die Strukturen von uns ausgekundschaftet werden sollten, um zu gucken, wie findet antifaschistische Arbeit auch bei den Jusos statt. Also er hat alle unsere Namen, hat wahrscheinlich auch viele Adressen von uns und auch viele Telefonnummern, und das war ein ganz klarer Angriff. Den hat man nicht erkannt. Der hat sich nicht irgendwie nationalistisch angezogen, sondern sah einfach nur total normal aus. So wie der nette Nachbar von nebenan … ich hab ihn jetzt schon lange nicht mehr gesehen, vielleicht hat er sich ja mittlerweile anders angezogen. "

Hat er nicht. Andy Freitag sieht immer noch aus wie der nette Nachbar, ist Schatzmeister im NPD-nahen Erfurter Verein "Alleinerziehende in Not". Der Vorsitzende dort ist NPD-Bezirkschef Trinkaus. Die NPD räumt offen ein, ihre Leute gezielt in Parteien einzuschleusen. Der Linkspartei-Landtagsabgeordnete Frank Kuschel war bereits zwei Mal Opfer eines NPD-Maulwurfs. Zuletzt schleuste sich im August 2007 ebenfalls der 21-jährige Andy Freitag als Praktikant bei dem Parlamentariern ein.

Frank Kuschel: "Ja, es ist ein Versuch sicherlich herauszubekommen, wie die Linke funktioniert. Wie wir also die Arbeit mit dem Bürger organisieren, wie wir also unsere Mitglieder aktivieren, und zum Glück ist das nicht aufgegangen, weil es eben in beiden Fällen zu einer Enttarnung kam."

Nach der Enttarnung von Andy Freitag versuchte die NPD noch einen letzten Triumph aus der perfiden Aktion zu ziehen und bezichtigte den Abgeordneten der sexuellen Belästigung an dem 21-jährigen Freitag.

Frank Kuschel: "Zuerst wars ja eine Straftat, zum Schluss war es eine Affäre, auch damit muss man leben. Da hatten se sich jetzt den Falschen ausgesucht, da hätten sie jemanden nehmen müssen, der vielleicht nicht so konfliktfähig ist, ne da waren se bei mir an der richtigen Adresse, dass man damit relativ souverän umgeht. Wobei ich sagen muss, das hat mich doch schon innerlich ein bisschen aufgewühlt, weil ich nicht gedacht hätte, dass es so sehr in die persönliche Auseinandersetzung geht. Also das lässt selbst mich nicht kalt, aber man hat natürlich gelernt, damit einigermaßen umzugehen. Und ich bedaure es immer, weil ich glaube, da ist der Andy Freitag eben auch ferngesteuert. Das ist nicht sein eigenes Konzept, und schade, dass sich junge Leute da so instrumentalisieren lassen. "

NPD-Chef Trinkaus behauptet, neben dem bereits enttarnten Andy Freitag noch ein weiteres, bislang nicht enttarntes U-Boot im Landtag installiert zu haben.

Frank Kuschel: "Also nach meiner Erfahrung könnt ich’s mir ja leicht machen und sagen: Alles ist möglich, weil ich gestehe, ich hab keinerlei Anzeichen bei den beiden jungen Männern gemerkt, dass sie aus dem rechtsextremen Bereich kommen. Also insofern ist alles möglich, aber wir bewegen uns hier im Bereich der Spekulation, und ich lehne es immer ab, Spekulationen zu bedienen, die aus dem rechtsextremen Bereich kommen."

Peter Metz: "Also Herr Trinkaus hat gesagt, dass das eine Strategie ist, und dass die NPD noch viel viel mehr Leute hat, und dass die Jusos und die Linkspartei sich auf was gefasst machen können. "

Allerdings zweifelt manch ein Erfurter an der Zurechnungsfähigkeit von Trinkaus und glaubt an Säbelgerassel. Unbestritten ist aber, Trinkaus, der bis Anfang der 90er beim Erfurter Ordnungsamt beschäftigt war, hat bis heute gute Kontakte in die Behörde. So ist zu vermuten, dass er aus einem Ermittlungsverfahren an Namen und Adressen von Antifa-Aktivisten gekommen ist, die er sodann im Internet veröffentlichte.

Stefan Heerdegen: "Wenn man früher in der Stadtverwaltung gearbeitet hat, dann ist es auch logisch, dass da die Kontakte nicht völlig abbrechen, und dass da man sich früher vielleicht mal Freunde gemacht hat, die möglicherweise auch heute noch Herrn Trinkaus bestimme Fakten stecken. "

Trinkaus – noch ohne Maulkorb – äußerte sich im November im ARD-Magazin Kontraste:

Reporter: "Wie sind die Namen und Adressen zu Ihnen gelangt?"

Trinkaus: "Das möchte ich an dieser Stelle nicht kommentieren."

Reporter: "Warum nicht?"

Trinkaus: "Weil ich … eh …gute Beziehungen in dieser … eh …Stadt hinsichtlich der … Schneiden! Das müssen wir rausschneiden!"

Doch nicht nur in Erfurts Ordnungsamt werden Trinkaus gute Kontakte nachgesagt, sondern auch ins gewaltbereite Neonazi- und Hooligan-Millieu. Vermehrt wurden in Erfurt Personen aus dem linken Spektrum zusammengeschlagen. Dagegen wirken Winkelzüge wie die Unterwanderung und anschließende völlige Übernahme des Bundes der Vertriebenen in Erfurt fast harmlos.
Einer, der sich schon lange gegen Neonazis in Erfurt engagiert, ist der Verdi-Sekretär Angelo Lucifero. Lange schon ist sein Auto, seine Wohung und er selbst das Ziel rechtsextremer Gewalt.

Angelo Lucifero: "Nazis von der Montagsdemo in Eisenach wollten mich angreifen, Polizei stand nebendran - nichts gemacht. Anfang Juni 2007 in Erfurt: Viele Jugendliche, die sich gegen eine Nazi-Kundgebung gewehrt haben, aber keine Gewalt gemacht haben, sondern mit Plakate, Transparente und so, wurden von der Polizei niedergeschlagen, und drei Nazis haben mich niedergeschlagen, die Polizei stand nebendran - nichts gemacht. "

Lucifero stattete sich mit einer - wie er sagt, harmlosen - Gaspistole aus, um sich gegen Übergriffe zu wehren. Der nächste Übergriff ließ nicht lange auf sich warten, und erst nach Luciferos Warnschüssen ließen die Neonazis von ihm ab. Verdi Thüringen spricht dem engagierten Gewerkschafter daraufhin die Kündigung aus. Die Neonazis feiern den Sieg über einen, wie sie sagen, "gewerkschaftlichen Kleinkriminellen", reden vom "Tauwetter" bei Verdi und rufen die Gesinnungsgenossen zum massenweisen Eintritt auf.

Angelo Lucifero: "Der Chef der NPD Erfurt ist ins Verdi-Haus, wollte eintreten. Eine engagierte Sekretärin, die hat ihn zum Glück erkannt, hat das abgelehnt und hat gleich angeordnet: Ey raus hier, hier haben Sie nichts zu suchen!"

Bei Verdi haben die Neonazis ihr Ziel verfehlt. Und auch Angelo Lucifero bleibt bei Verdi beschäftigt - nach einer Einigung mit dem Bundesverband. In Thüringen darf er aber nicht mehr für Verdi arbeiten. Also doch ein kleiner Etappensieg der Rechten. Lucifero ist krank geworden über die Ereignisse, seine Ausspracheprobleme sind eine Folge des Tinnitus. Steffen Dittes von den "Gewerkschaftern gegen Rechts" sagt:

"Hier hat es eben kein solidarisches Verhalten mit einem Kollegen gegeben, der Opfer Rechtsextremer geworden ist. Das heißt nicht, dass Solidarität immer unkritisch sein muss, es hätte sicherlich genug Platz auch für eine kritische Solidarität gegeben, aber auch dazu war Verdi nicht bereit. "

Erfurt, Friedrich-Ebert-Straße, in Sichtweite des Landtags. Eine schlichte Sporthalle. Hier trainiert der "SV Vorwärts Erfurt". Ein Sportverein, gegründet von Rechtsextremen.

Stefan Heerdegen: "… beschäftigt sich hauptsächlich mit Badminton, aber es ist offiziell mit Fotos belegt worden, dass sie tatsächlich Kampfsport betreiben. Und das Problematische ist, dass sie das eben in einer städtischen Turnhalle machen. Nachdem diese Fotos aufgetaucht sind, wurde leider nicht mit Kündigung reagiert, sondern es wurde ihnen eine andere Turnhalle zugewiesen, wo es einen Hausmeister gibt, der dann gelegentlich mal nach denen gucken sollte. Find ich nicht die beste Umgehensweise damit. Klüger wär wohl gewesen, sie einfach rauszuschmeißen, denn das hatten sie nicht angemeldet."

Der Hausmeister allerdings, der gelegentlich mal nach den Rechten sehen soll, scheint seine Aufgabe eher darin zu sehen, die Sportler gegen kritische Presse zu verteidigen.
Hausmeister: "Nach der Fernsehsendung hat wohl ooch die Lust ein bissel nachgelassen, dass nicht mehr so viele kommen … Weil es muss ja wohl auch eine Hetzsendung gewesen sein, und sowas in einem sogenannten demokratischen Staat"

Aber rechtsextrem zu sein ist jetzt auch nicht gerade ein Kavaliersdelikt …?

Hausmeister: "Also wenn man sich mal so die letzten Jahre anguckt, dann kann man wohl davon ausgehen, dass mit der rechtsextremen Gewalt nicht mehr allzuviel Staat zu machen ist, das sind jetzt wohl eher die Punker, die die Gewalt ausüben …"

Die "Punker", die Gewalt ausüben – Im Kleinen funktioniert die Propaganda schon.
Langsam trudeln die ersten Sportler ein.

Sind sie vom SV Vorwärts?

"Kamerad" des SV Vorwärts: "Ich red mit Ihnen nicht!"

Auch der Vorsitzende des SV Vorwärts gibt sich wortkarg. Es ist Andy Freitag. Jener Andy Freitag, der für die NPD die Jusos und die Linke bespitzelte.

Hallo Herr Freitag, was wird denn heut gespielt? Federball?

Andy Freitag: "Selbstverständlich! "

Die extremen Rechten in Thüringen geben sich extrem bürgerlich. Und mimen mit biederer Miene die Kümmerer in den Fragen des Alltags. Es gilt, 2009 in die Rathäuser einzuziehen.

Peter Metz: "Wenn die Nazis so weitermachen und es keinen organisierten Widerstand gibt, dann werden wir 2009 auf jeden Fall erschrocken sein, ja."