Der neue leidenschaftliche Katholik

Von Rainer Kampling |
In seinem Buch "Das katholische Abenteuer" bekennt sich Matthias Matussek zum Katholizismus und will damit provozieren. Dabei geht es weniger um die Religion an sich und mehr um die Ansichten des Autors – während die Provokation auf der Strecke bleibt.
In Deutschland gibt es annähernd 30 Millionen Katholikinnen und Katholiken. Nur einer von ihnen sieht darin allem Anschein nach ein Abenteuer. Es handelt sich um Matthias Matussek. Wollte man die Frage beantworten, warum andere Mitglieder der Römisch-Katholischen Kirche kaum das Wort vom Abenteuer benutzen würden, um ihren Glauben zu beschreiben, gibt es dafür mancherlei Erklärungen. Eine Gewichtige ist wohl die, dass sie darum wissen, dass ihr Glauben ein Geschenk Gottes, und nicht eine Art von Leistungssport ist.

Matussek hat dies wohl nicht verstanden. Er denkt und schreibt in einem theologischen Vakuum, das er als seinen Kinderglauben ausgibt - selbstverliebt, arrogant und glaubensignorant. Über den Katholizismus, seine theologische Tiefe, seinen Reichtum an intellektueller Leistung, über seine strenge Schule des Denkens und Glaubens oder die Kirchengeschichte erfährt man auf den 358 Seiten des Buches erschreckend wenig - über den Autor und seine Ansichten mehr, als einem lieb sein kann.

Das Buch passt in einen Trend. Mehr oder weniger bekannte Menschen behaupten, es bedürfe des Mutes, zu seinem Glauben zu stehen. Sie verharmlosen dabei den Begriff des Bekenntnisses in einer Art, dass einem bang wird um die Kirchen, denen sie angehören. Allerdings hat man selten erlebt, dass ein Autor seinen Neid auf Konkurrenten im Bekenntnisgeschäft - namentlich die evangelische Margot Käßmann und den katholische Heiner Geißler - und seine angefressene Eitelkeit so wutschnaubend offen legte wie hier.

Matthias Matussek vertritt in seinem Buch, aber auch in Feuilletons und Kultursendungen einen Fundamentalismus, dem die Form wichtiger ist als der Inhalt. Er ist damit nicht allein, wenn auch ohne Zweifel der Lauteste. Dieser Befund sagt etwas über die aktuelle Medienlandschaft aus. So gesehen, verdient das vorliegende Buch ein gewisses Interesse als Zeitzeugnis. Man muss dem Autor allerdings zugute halten, dass er bereits ganz zu Beginn, aber freilich nur hier, die Leser warnend, selbstkritisch anmerkt:

"Dies ist das Buch eines Journalisten über Gott und die Welt. Es ist auch das Buch eines religiösen Journalisten. Ich weiß, das kann peinlich werden."

Und wer dieses Buch durchgelesen oder besser noch durchlitten hat, wird ihm aus vollsten Herzen zustimmen: Dieses Buch ist peinlich - in der Wortwahl, im Stolz des Autors auf seine theologische Unbildung, in seiner Schludrigkeit. Und peinlich ist die Vorstellung, jemand könne glauben, das sei nun katholisch. Er aber gibt sich als Verteidiger des Glaubens:

"Ich bin kein Vorzeige-Katholik, aber dennoch bin ich seit Neuestem so leidenschaftlich katholisch, wie ich vor vierzig Jahren Marxist war. Warum? Weil mein Verein angegriffen wird."

Als 11-jähriger Messdiener mag er so von seiner Kirche gesprochen haben. Wer es als Erwachsener tut, sollte sich nicht wundern, wenn diesem "Verein" soviel Achtung entgegengebracht wird wie organisierten Taubenzüchtern.

Diese Wortwahl, die unter Umständen aus dem beängstigenden Fernsehkonsum des Autors herrühren mag, den er immer wieder als Quelle seiner Weltkenntnis angibt, führt zu dem, was er vorgeblich bekämpft: zur Entwertung des Sakralen und Religiösen. Ein Mindestmaß an Würde der Sprache sollte man schon erwarten dürfen, wenn er über Dinge spricht, die anderen viel bedeuten.

Er meint, die Katholische Kirche werde angegriffen. Nun hat man in einem Land, das sich auf den Besuch des Papstes vorbereitet und immerhin für seinen Besuch in der Hauptstadt ein Stadion mit 100.000 Plätzen bereitstellen muss, nicht gerade den Eindruck, dass die Katholiken heftigsten Verfolgungen ausgesetzt sind.

Doch die Konstruktion dieser Benachteiligung und Verfolgung ist konstitutiv für die gesamte Lamentatio des Buches. Dabei wird der Begriff der Benachteiligung völlig inhaltslos. Jede noch so leise Kritik oder innerkirchliche Diskussion werden vom Autor skandalisiert, so etwa die Anfragen an den Pflicht-Zölibat der römisch-katholischen Priester.

Wie fast alle aus dieser Riege der ungebetenen Kirchenverteidiger ist auch der Autor völlig fixiert auf die Frage des Zölibats. Ohne den geringsten Nachweis unterstellt er einer angeblich durchsexualisierten Welt, sie würde daran besonders eindringlich Anstoß nehmen. Kritiker wären Teil dieser sexualisierten Welt, dem der zölibatär lebende Mensch wie ein "spiritueller Hochleistungssportler" gegenübersteht.

Diese kuriose Definition, die der Autor ungekennzeichnet von Rüdiger Safranski übernimmt, verkennt die pastoraltheologische Dimension der Diskussion völlig. Aber er hat ja auch eine geradezu atemberaubende Begründung für den Zölibat:

"Selbst wenn, liebe Theologen und Politiker und aufgeregte Reformaktivisten, selbst wenn der Zölibat nicht biblisch zwingend verankert sein sollte, so ist er doch tief in der katholischen Tradition eingewoben."

Er zeigt hier eine solche fundamentale Unkenntnis des Katholizismus hinsichtlich der Definition und Bedeutung der Tradition, dass man sich fast um sein Seelenheil sorgen möchte. Matthias Matussek hält sich viel auf eine katholische Kindheit zugute. Vielleicht hat er gelernt zu beten, aber gewiss nicht, im Katholizismus zu denken. Mag sein, ihn hindern dabei die ständigen Angriffe, denn:

"Es gibt eine sprungbereite Feindseligkeit dem Katholizismus gegenüber aus dem Juste Milieu heraus. Er wird als großangelegte Spielverderberei in der Feier des Lebens betrachtet, wo er doch eine der fröhlichsten, der kunstsinnigsten und sinnenfreudigsten Religionen ist, die es gibt - wenn man die ästhetischen Avantgarde-Katastrophen für einen Moment außer Acht lässt, die seit dem Zweiten Vatikanum über Kirchen und Andachtsräume geschwappt sind und nur kahle protestantische Innenwelten hinterlassen haben."

Hier wird wiederum ohne Verweis eine Wendung Benedikts XVI. zitiert. Doch pflegt der Autor zu diesem und zu früheren Päpsten eine so innige Beziehung, dass man nicht einmal mehr von Plagiat reden kann. Die absurden Formen des Amts- beziehungsweise Personenkults sind wohl in der maoistischen Phase des Autors beheimatet, aber nicht im Katholizismus.

Er ist offensichtlich nicht mit dem Papst katholisch, sondern wegen des Papstes. Die wiederum nur peinlich zu nennenden Versuche, den Papst zur Lichtgestalt des Konservatismus hochzuschreiben und für kleinbürgerliche gesellschaftliche Vorstellungen zu instrumentalisieren, durchziehen das Buch auf penetranteste Weise. Neben dem Wort "ich" dürfte "Papst" eines der häufigsten Worte des Buches sein. Auf jeden Fall ist die Rede mehr vom Papst als von Jesus.

Allerdings kann man aus dem Zitat auch ableiten, was Katholizismus für den Autor ist, nämlich möglichst ungestört in einer dunklen Kirche bei Weihrauch zu sitzen - verkennend, dass Befindlichkeitsbefriedigung wohl kaum die Quintessenz einer Weltkirche sein kann.

Lange lässt übrigens der Untertitel rätseln, warum dieses Buch eine Provokation sein soll. Belangloses wird ja nicht dadurch provokativ, dass man es im Quengelton vorträgt. Doch spätestens wenn man auf ständige Wiederholungen, groteske inhaltliche Fehler und stilistische Mängel stößt, wird klar, worin die Provokation besteht. Vielleicht sind zehn Prozent des Buches aktuell verfasst. Der Rest besteht aus alten Beiträgen des Autors, etwa aus dem "Spiegel", aus seinem Blog, oder, wie man befürchten muss, aus seiner Schublade.

Ohne einen inneren Faden wird Altes und Ältestes aneinandergereiht, wobei die Fehler gleich mitkopiert werden. Wäre dies ein Beitrag zu Lebensmitteln, dürfte man durchaus das Wort Gammelfleisch benutzen. Seinem Ansehen kann Matthias Matussek wohl kaum schaden, aber vielleicht doch der Institution, die er behauptet zu verteidigen. Sollte das Magazin "Der Spiegel" wirklich so katholikenfeindlich sein, wie der Autor landauf landab erzählt, dann ist dieses Spiegel-Buch ein besonders infamer Angriff auf die Katholische Kirche, die mitnichten so langweilig und nichtssagend ist - wie dieses Buch.

Matthias Matussek: Das katholische Abenteuer. Eine Provokation
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2011
Buchcover: "Das katholische Abenteuer. Eine Provokation" von Matthias Matussek
Buchcover: "Das katholische Abenteuer" von Matthias Matussek.© Deutsche Verlags-Anstalt
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