Der NSU auf der Theaterbühne

Trägt die Dramatisierung zur Aufarbeitung bei?

Im Badischen Staatstheater Karlsruhe probt am 28. März 2014 Sophia Löffler (Beate Z.) in einem Kostüm der Rosaroten Panthers das Schauspiel " Rechtsmaterial " ein NSU-Projekt von Jan-Christoph Gockel und Konstantin Küspert.
Im Badischen Staatstheater Karlsruhe probt am 28. März 2014 Sophia Löffler in einem Kostüm der Rosaroten Panthers das Schauspiel " Rechtsmaterial " ein NSU-Projekt von Jan-Christoph Gockel und Konstantin Küspert. © dpa / picture alliance / Uli Deck
Von Elske Brault |
Zahlreiche Theaterstücke haben sich in den vergangenen Jahren mit den NSU-Morden beschäftigt. Dass viele von ihnen um die Frage kreisen, was in den Köpfen der Täter vorgegangen sein könnte, ist ein Problem.
"Wozu das ganze Haus, Papa? Wozu das alles?"
Den Anfang machte, mal wieder, Elfriede Jelinek. Die assoziationswütige Literaturnobelpreisträgerin zog als erste eine historische Linie von Wagner-Opern zu NSU-Morden. "Rein Gold", uraufgeführt zehn Monate nach Prozessbeginn an der Staatsoper Berlin, zielte ins Herz des NSU-Wahns: Gottgleich, kriegerischen germanischen Göttern gleich hatten die beiden Uwes gemordet.
Und Jelinek war sofort aufgefallen, dass Beate Zschäpe bei ihrer Verhaftung Worte Jesu zitiert hatte: "Ich bin die, die ihr sucht".

Überhöhung banaler Kriminalität

Diese Überhöhung banaler Kriminalität in eine quasi-religiöse Ideologie griff etwa zu gleicher Zeit der Regisseur Jan-Christoph Gockel am Staatstheater Karlsruhe auf. Er zog eine Verbindung nicht zu Wagner, sondern zu einem Propagandastück aus der Weimarer Republik.
In "Schlageter" wird aus einem banalen Bombenleger im Rheinland ein Befreiungs-Held. Und das entsprach den Schriften, mit denen die drei NSU-Mörder sich stimuliert hatten. Jan Christoph Gockel fragte sich:
"Was passiert mit uns, die wir uns den ganzen Tag diesen Nazi-Kram durchlesen. Die Literatur, die die gelesen haben. Mit der, die sich radikalisiert haben."
"Was ist, magst du mich nicht mehr, auf einmal? Hör gut zu, Schlampe, du dachtest, ihr zwei könntet hier 'ne niedliche Familie aufziehen ohne mich. Schlechte Nachricht, Schätzchen. Gräck und ich haben zu tun. Wir haben jede Menge Arbeit, die da draußen auf uns wartet. Ich hab nen Auftrag. – Von wem? – Von niemandem, er ist einfach da, so wie das Land da draußen. Seine Flüsse. Seine Hügel. So wie die fette schwarze Muttererde, die durch meine Adern fließt. Das ist das Blut, das hier geflossen ist. In dieses Land, seit Tausenden von Jahren."

Töten als befreienden Lustakt

Lothar Kittstein nennt sein Trio zwar nicht Uwe, Uwe, Beate, sondern Tosch, Gräck und Janine. Aber sein Drama am Schauspiel Frankfurt "Der weiße Wolf" ist eindeutig ein Blick in das WG-Leben des NSU. So wie Kittstein sich das vorstellt. Auch hier ist es nur ein kleiner Schritt von Bier, Blut und Sabber zum edlen, befreienden Mord.
Faschismus interpretiert Kittstein als fehlgeleitete Libido, das Töten des NSU als befreienden Lustakt. Entsprechend viel müssen die Schauspieler brüllen und keuchen. Doch das berührt den Zuschauer wenig. Ähnlich wie dokumentarisch angelegte Abende im Stil von "Rechtsmaterial" nur sehr begrenzt eine aufklärerische Wirkung entfalten.
Es gelingt den Dramatisierungen nicht, die Täter aus der Ecke des absolut Bösen oder des abgedrehten Wahnsinns herauszuholen und sie zu verorten als Teil einer gewöhnlichen spießbürgerlichen Gesellschaft, eines sozialen Alltags in Zwickau. So lange sie um die Frage kreisen, was wohl in den Köpfen der Täter vor sich gegangen sein mag, bleibt im Kern eine Lehrstelle: Die beiden Uwes sind tot, Beate Zschäpe hat die ersten Jahre geschwiegen.

Wie sind wir alle schuldig geworden?

Mehrere Theaterteams haben mittlerweile Tage im Münchner NSU-Prozess verbracht, in "Rechtsmaterial" beispielsweise beschreibt eine Darstellerin, wie hilflos sie sich bei Beate Zschäpes Anblick gefühlt hat. Denn Zschäpe sagt ja nichts:
"Da fühlt man sich ein bisschen wie im Zoo. Weil unten, die führen einfach ihr Gerichtsprozess. Sehr unemotional. Und oben, die ganzen Leute, die da oben sitzen, kommentieren, sprechen miteinander, beobachten genau."
Sabia Heller ist die Regisseurin des jüngsten Theaterstreichs zum Thema: "Auch Deutsche unter den Opfern", Premiere war im Januar am Zimmertheater Tübingen.
Ihr Stück weist die Richtung für die Zukunft: Heller und ihr Autor Tugsa Mogul listen die ungeheuerlichen Ermittlungspannen auf, die Vertuschungsaktionen des Verfassungsschutzes, die Döner-Mord-Märchen der Medien, kurzum: Jenen bundesdeutschen Alltag, in dessen gemütlicher "Die Vergangenheit ist vorbei"-Stammtisch-Atmosphäre das NSU-Trio ungestört gedeihen und morden konnte.
Die Opfer sind zu Wort gekommen in Stücken wie Nuran David Calis "Die Lücke" in Köln oder Christine Umpfenbachs "Urteile" in München. Jetzt müssten weitere Theaterbearbeitungen klären, wie Beamte, Polizisten, Journalisten an ihnen schuldig geworden sind. Also ein bisschen: Wir alle.
Mehr zum Thema