Der Papst und die Traditionalisten
Wenn es eine Weltmeisterschaft im Zurückrudern gäbe, stünde der Papst wohl häufig auf dem Siegertreppchen. Erst die Rücknahme der Positionen nach der Diskussion um den Vernunftbegriff, mit der dem er die Muslime düpierte, jetzt der Versuch, die Juden zu versöhnen mit einem Bekenntnis gegen die Leugnung der Shoa.
Aber die Aufhebung der Exkommunikation der vier Lefebvre-Bischöfe ist wohl ein weiterer Beweis für das ständige Eingehen dieses Papstes auf Forderungen und Positionen der konservativen Kräfte in der kath. Kirche, speziell jetzt der Pius-Bruderschaft. Um Ihnen zu gefallen, führt er die Kirche im Rückwärtsgang. Aber wenn man die Grundsatzforderungen der Lefebvrianer betrachtet, kann es eigentlich eine "Versöhnung" geben bei einem vollständigen Verrat an allen Errungenschaften des 2. Vatikanischen Konzils?
Seit dem päpstlichen Erlass vom Juli 2007, wonach künftig wieder in allen Bistümern weltweit Messen nach dem traditionellen tridentinischen Ritus gefeiert werden dürfen, feierte die "Priesterbruderschaft Pius X." jede Umsetzung dieses Erlasses in irgendeiner Pfarrgemeinde wie einen großen Sieg in einer entscheidenden Schlacht.
Doch jetzt konnte sie einen noch viel größeren Sieg für sich verbuchen. So teilte der Generalobere der Priesterbruderschaft den "viel geliebten Gläubigen" mit, die Exkommunikation der von Erzbischof Marcel Lefebvre am 30.Juni 1988 geweihten Bischöfe sei nun durch ein neues Dekret aus Rom widerrufen worden. Das stimmt zwar nicht, denn ein Widerruf würde bedeuten, die 1988 ausgesprochene Exkommunikation sei nicht rechtmäßig gewesen.
Es handelt sich also lediglich um die Aufhebung der Exkommunikation und ist quasi ein Straferlass nach 20 Jahren. Dennoch führt der Generalobere der Bruderschaft, Bischof Bernard Fellay, den Erfolg auf eine von ihm im vorigen Jahr angeregte Aktion zurück.
Die Anhänger folgten seinem Aufruf, mit einer Rosenkranz-Gebets-Schlacht das – wie er es nannte – Ende dieser Schmach – eben der Exkommunikation - durch die Fürsprache von Maria zu erreichen. Mit 1.703.000 Rosenkränzen, so schreibt der Bischof, habe man es geschafft. Daraus soll man wohl schließen, die Masse macht's - und der Papst konnte gar nicht anders handeln. Wörtlich heißt es in dem Schreiben.
"Mögen wir jetzt der Allerseligsten Jungfrau Maria zu danken wissen, die dem Heiligen Vater diesen einseitigen wohlwollende und mutigen Akt eingegeben hat. Versichern wir ihn unseres eifrigen Gebets."
Um die Bedeutung und Brisanz des heftig umstrittenen päpstlichen Schrittes zur Versöhnung mit der Pius-Bruderschaft zu verstehen, muss man sich den Ursprung und die Entwicklung dieser kirchlichen Gruppierung noch einmal klar machen. Während des 2.Vatikanischen Konzils von 1962 bis 1965 wird die längst überfällige Öffnung der Kirche gegenüber der Welt eingeleitet.
Vielen Konservativen passt dieser Kurs, passen die beschlossenen Reformen überhaupt nicht. Zu den Kritikern gehört auch Erzbischof Marcel Lefebvre. Aus Protest gegen den "modernistischen" Kurs der Kirche tritt er als Ordenoberer der Spiritaner zurück und gründet die Pius-Bruderschaft.
Dabei steht heute fest, dass Lefebvre alle Beschlüsse des Konzils unterschrieben hat und erst im nachhinein gegen alle Dokumente polemisiert hat, die die Ökumene, die Religionsfreiheit und die Neuerungen in der Liturgie betreffen. Die 1970 ausgesprochene kirchliche Anerkennung der Bruderschaft wird 1975 von Rom wieder rückgängig gemacht und Lefebvre wird wegen seines antikonziliaren Kurses seiner bischöflichen Rechte enthoben.
Der Erzbischof hält sich nicht daran, weiht weiter Priester und 1988 schließlich auch ohne römische Genehmigung die vier Bischöfe, deren damals ausgesprochene folgerichtige Exkommunikation
jetzt aufgehoben wurde. Die faktisch schismatische Bewegung entwickelt sich in allen fünf Kontinenten. Nach eigenen Angaben kann sie heute folgende Bilanz aufweisen:
Die Anhängerschaft wird auf 50.000 geschätzt. Die Zahl der Priester übersteigt bald 500. Die Gemeinschaft umfasst auch einige hundert Seminaristen, Mönche und Nonnen. Insgesamt führt die
Bruderschaft 6 internationale Priesterseminare, 14 Bezirke, 3 autonome Häuser, 159 Priorate, 725 Messzentren sowie 90 Schulen und Universitäten.
Die Gemeinschaft beansprucht für sich, die alleinige Verwalterin der Tradition und Wahrheit zu sein. Und das nicht nur in der Liturgie. Sie hat der Ökumene und den anderen Religionen den Kampf angesagt getreu der Aussage des 1991 verstorbenen Erzbischofs Lefebvre, die schlimmsten Feinde der Kirche seien Kommunisten, Juden und Freimaurer. Und diesen habe das Konzil die Türen geöffnet.
Unter Papst Johannes Paul II. hatten die Lefebvre-Anhänger keinerlei Chancen für eine Annäherung. Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, dagegen versuchte schon 1988, den Bruch zu verhindern. Und seitdem er Papst Benedikt XVI. ist, tut er alles , um das Schisma zu beenden – ganz gleich, um welchen Preis. Die Freigabe der Alten Messe, das Wiederauskramen traditioneller liturgischer Gewänder, die Befürwortung der Mund statt der Handkommunion und des Rückfalls, den Priester die Messe wieder mit dem Rücken zur Gemeinde lesen zu lassen – das alles wurde vom Papst initiiert, um den Lefebvre-Leuten entgegen zu kommen.
Mit der Aufhebung der Exkommunikation schließlich kam er einer weiteren Forderung der Bruderschaft nach. Das römische Dekret vom 21. Januar, das bezeichnenderweise aber erst am 24. Januar, also am Vorabend des 50. Jahrestages der Ankündigung des 2.Vatikanischen Konzils durch Papst Johannes XXIII. veröffentlicht wurde, nennt zu Beginn den Auslöser für diese Entscheidung: Mit einem Brief vom 15. Dezember 2008 habe der 1988 exkommunizierte Bischof Bernard Fellay auch im Namen der anderen damals geweihten Bischöfe um die Rücknahme der Exkommunikation gebeten. Aus diesem Brief wird im Dekret allerdings nur folgender Passus zitierte:
"Wir sind immer festen Willens entschlossen, katholisch zu bleiben und alle unsere Kräfte in den dienst der Kirche unseres Herrn Jesus Christus einzusetzen, welche die römisch-katholische Kirche ist. Wir akzeptieren ihre Lehren mit kindlichen Herzen. Wir glauben fest an den Primat des Petrus und an seine Ansprüche, und darum lässt uns die gegenwärtige Lage sehr leiden."
Warum verschweigt das Dekret, dass der Brief auch die folgenden eindeutigen Aussagen enthielt, die keinerlei ernsthafte Besinnung und Umkehr erkennen lassen?
Wir leiden unter der gegenwärtigen Lage der Kirche, wo diese Lehre und dieser Primat ins Lächerliche gezogen werden. Wir sind bereit, mit unserem Blut das Credo niederzuschreiben, den Antimodernismuseid zu unterzeichnen, das Glaubensbekenntnis von Pius IV, wir akzeptieren und wir machen uns alle Konzilien bis zum II. Vatikanum zu eigen, hinsichtlich dessen wir Vorbehalte zum Ausdruck bringen möchten.
Die vom Papst als Voraussetzung für eine wirkliche Überwindung der Trennung genannten notwendigen Gespräche über lehrmäßige Fragen wurden von der Piusbruderschaft zwar begrüßt, doch - wie nicht anders zu erwarten - machte sie auch hier sofort klar, dass nicht sie sich zu bewegen habe, sondern der Papst.
Die "Selbstzerstörung" der Kirche müsse beendet werden, womit eine Krise der Berufungen, Krise der religiösen Praxis , des Katechismusunterrichts und des Empfangs der Sakramente gemeint ist. In den Gesprächen sollten deshalb die tiefen Ursachen der gegenwärtigen Krise erörtert und angemessene Heilmittel geschaffen werden, um so zu einer gründlichen Wiederherstellung der Kirche zu gelangen... so wie sie die Piusbruderschaft bereits geschaffen hat, müsste man hinzufügen.
Wie kann Papst Benedikt XVI. unter diesen umständen nur erwarten, dass die Aufhebung der Exkommunikation zu einer Konsolidierung des gegenseitigen Vertrauensverhältnisses führt? Und wie will er die Einheit wieder herstellen mit einer schismatischen Bewegung, deren jetzt rehabilitierte Führer unaufhörlich gegen Rom und die Kirche nach dem II. Vatikanum gehetzt haben und noch unmittelbar vor dem Dekret hetzten? Ist der Papst blind? Wird er nicht richtig informiert
und beraten oder lässt er sich nicht beraten? Oder sollte er am Ende gar das Urteil der Piusbruderschaft und ihrer Sympathisanten teilen?
Die massivsten Angriffe der letzten Zeit stammen von Bischof Bernard Tissier der Mallerais, einem der 1988 exkommunizierten Bischöfe. In er September/Oktober-Ausgabe der lefebvristischen
Zeitschrift "Fideliter", fünf Tage vor dem Bittbrief an den Papst auch auf der Webseite der Piusbruderschaft veröffentlicht, schrieb er u. a.:
"Unter Johannes Paul II. ist der große Glaubensabfall weiter fortgeschritten. Die Jugend ist fast völlig in Ausschweifung und Rauschgiftkonsum versunken. Die Herrschaft Jesu Christi über die Gesellschaft ist durch die Proklamation der Religionsfreiheit und der Menschenerechte ganz und gar vereitelt."
Die illegalen Bischofsweihen durch Erzbischof Lefebvre bezeichnet Bischof Tessier als Rettungsakt , ohne den der überliefert Glaube ausgestorben wäre. So aber befinde sich das Herz der Kirche in der Piusbruderschaft: der wahre Glaube, die wahre Lehre, Sakramente, die nicht verfälscht sind. Überall sonst in der Kirche herrschten Vermischung und Kompromisse. Die "neue Kirche des 2. Vatikanischen Konzils" sei eine Parallelkirche. ...Sollte dem Papst entgangen sein,
dass Bischof Tessier nicht nur diese behauptet, sondern auch all denen den Kampf angesagt hat, die sich mit Rom versöhnen wollen, die sich - wie er schreibt - vom Lächeln der Prälaten in der römischen Kurie verführen lassen? Bischof Tessier spricht vom "Zerstörungswerk des besetzten Rom" und nennt u.a. folgende Herausforderungen, vor denen die Piusbruderschaft stehe:
"Sie müsse in der "Zurückweisung der Irrlehren" des 2. Vatikanischen Konzils durchhalten, Sie müsse jede Versöhnung mit dem besetzten Rom weiterhin ablehnen. Sie müsse das Christentum als einzige Quelle der Kultur verkünden."
Papst Benedikt XVI. wird in dem Artikel persönlich attackiert und als "wirklicher Modernist" hingestellt:
Er vertritt die gesamte modernistische Theorie, und zwar auf dem neuesten Stand von heute. Noch als Dozent JosephRatzinger lehrte er tatsächlich Häresien. In Rom gibt es einen organisierten Glaubensabfall durch die Vermischung mit der jüdischen Religion.
Wenn selbst das, was der frühere Kardinal und jetzige Papst vertritt, modernistisch sein soll, was ist dann erst mit der theologischen Position der Piusbrüder los? Konservativ ist ein viel zu schwacher Begriff dafür. Das ist reaktionär, was sich besonders auch in der Haltung zum Judentum zeigt. Der Skandal mit den unglaublichen Äußerungen des Traditionalistenbischofs Richard Williamson zur Shoa, das heißt seine Leugnung von Gaskammern und sechs Millionen ermordeter Juden hat zu Recht für Empörung gesorgt.
Doch die nachgeschobene Empörung auch aus Rom verfälscht das Bild. Dass dieser Bischof Williamson jetzt auch vom Papst rehabilitiert wurde, ist und bleibt ein unentschuldbarer Fehler des Papstes, auch wenn er jetzt so tut, als habe er erst nach Unterzeichnung des Dekrets davon erfahren.
Dabei hat sich Bischof Williamson seit Jahren mit solch dubiosen Behauptungen zu Wort gemeldet. Höchstens 200.000 bis 3000.000 Juden seien umgekommen, hat er schon oft im Zusammenhang mit
seinen abfälligen Bemerkungen zu den Juden insgesamt geäußert.
Der Papst musste wissen, dass die Pius-Bruderschaft ganz besonders die Konzils-Erklärung "Nostra Aetate" über die Beziehung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen ablehnt. Der deutsche Distrikts-Obere der Bruderschaft, Franz Schmidberger, erklärte im vorigen Jahr in einem ausführlichen Report über "Die Zeitbomben des Zweiten Vatikanischen Konzils" unmissverständlich:
"Mit dem Kreuzestod Christi ist der Vorhang des Tempels zerrissen, der Alte Bund abgeschafft, wird die Kirche, die alle Völker, Kulturen , Rassen und sozialen Unterschiede umfasst, aus der durchbohrten Seite des Erlösers geboren. Damit sind aber die Juden unserer Tage nicht nur nicht unsere älteren Brüder im Glauben, wie der Papst bei seinem Synagogenbesuch in Rom 1986 behauptete; sie sind vielmehr des Gottesmordes mitschuldig, solange sie sich nicht durch das Bekenntnis der Gottheit Christi und die Taufe von der Schuld ihrer Vorväter distanzieren. Im Gegensatz dazu behauptet das II. Vatikanum, man könne die Ereignisse des Leidens Christi weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen."
Die reaktionären Schriften und Äußerungen aus der "Priesterbruderschaft Pius X." waren kein Geheimnis. Sie müssen auch dem Papst bekannt gewesen sein. Wieso hat er aber trotzdem die Versöhnung eingeleitet zu einer Gruppierung, die bei ihrer unversöhnlichen Haltung bleibt? Wieso ist er hier zur Versöhnung bereit, nicht aber mit kritischen Theologen wie Hans Küng oder mit Befreiungstheologen?
Was hat es zu bedeuten, dass fast gleichzeitig mit der Aufhebung der Exkommunikationen ein US-Theologe exkommuniziert wird, weil er bei einer Frauenordination gepredigt hat? Was ist davon zu halten, dass ein hochrangiger polnischer Theologe zur gleichen Zeit mundtot gemacht wird, weil er sich gegen das ökumenefeindliche Dokument "Dominus Jesus" ausgesprochen hat?
Offensichtlich ist dieser Papst nur auf Einheit mit dem ultrarechten Lager bedacht. Dass er damit aber nicht nur den kritischen linken Flügel in der Kirche düpiert, sondern immer mehr gläubige Katholiken verunsichert und praktisch aus der Kirche drängt, ist der eigentliche Skandal.
Seit dem päpstlichen Erlass vom Juli 2007, wonach künftig wieder in allen Bistümern weltweit Messen nach dem traditionellen tridentinischen Ritus gefeiert werden dürfen, feierte die "Priesterbruderschaft Pius X." jede Umsetzung dieses Erlasses in irgendeiner Pfarrgemeinde wie einen großen Sieg in einer entscheidenden Schlacht.
Doch jetzt konnte sie einen noch viel größeren Sieg für sich verbuchen. So teilte der Generalobere der Priesterbruderschaft den "viel geliebten Gläubigen" mit, die Exkommunikation der von Erzbischof Marcel Lefebvre am 30.Juni 1988 geweihten Bischöfe sei nun durch ein neues Dekret aus Rom widerrufen worden. Das stimmt zwar nicht, denn ein Widerruf würde bedeuten, die 1988 ausgesprochene Exkommunikation sei nicht rechtmäßig gewesen.
Es handelt sich also lediglich um die Aufhebung der Exkommunikation und ist quasi ein Straferlass nach 20 Jahren. Dennoch führt der Generalobere der Bruderschaft, Bischof Bernard Fellay, den Erfolg auf eine von ihm im vorigen Jahr angeregte Aktion zurück.
Die Anhänger folgten seinem Aufruf, mit einer Rosenkranz-Gebets-Schlacht das – wie er es nannte – Ende dieser Schmach – eben der Exkommunikation - durch die Fürsprache von Maria zu erreichen. Mit 1.703.000 Rosenkränzen, so schreibt der Bischof, habe man es geschafft. Daraus soll man wohl schließen, die Masse macht's - und der Papst konnte gar nicht anders handeln. Wörtlich heißt es in dem Schreiben.
"Mögen wir jetzt der Allerseligsten Jungfrau Maria zu danken wissen, die dem Heiligen Vater diesen einseitigen wohlwollende und mutigen Akt eingegeben hat. Versichern wir ihn unseres eifrigen Gebets."
Um die Bedeutung und Brisanz des heftig umstrittenen päpstlichen Schrittes zur Versöhnung mit der Pius-Bruderschaft zu verstehen, muss man sich den Ursprung und die Entwicklung dieser kirchlichen Gruppierung noch einmal klar machen. Während des 2.Vatikanischen Konzils von 1962 bis 1965 wird die längst überfällige Öffnung der Kirche gegenüber der Welt eingeleitet.
Vielen Konservativen passt dieser Kurs, passen die beschlossenen Reformen überhaupt nicht. Zu den Kritikern gehört auch Erzbischof Marcel Lefebvre. Aus Protest gegen den "modernistischen" Kurs der Kirche tritt er als Ordenoberer der Spiritaner zurück und gründet die Pius-Bruderschaft.
Dabei steht heute fest, dass Lefebvre alle Beschlüsse des Konzils unterschrieben hat und erst im nachhinein gegen alle Dokumente polemisiert hat, die die Ökumene, die Religionsfreiheit und die Neuerungen in der Liturgie betreffen. Die 1970 ausgesprochene kirchliche Anerkennung der Bruderschaft wird 1975 von Rom wieder rückgängig gemacht und Lefebvre wird wegen seines antikonziliaren Kurses seiner bischöflichen Rechte enthoben.
Der Erzbischof hält sich nicht daran, weiht weiter Priester und 1988 schließlich auch ohne römische Genehmigung die vier Bischöfe, deren damals ausgesprochene folgerichtige Exkommunikation
jetzt aufgehoben wurde. Die faktisch schismatische Bewegung entwickelt sich in allen fünf Kontinenten. Nach eigenen Angaben kann sie heute folgende Bilanz aufweisen:
Die Anhängerschaft wird auf 50.000 geschätzt. Die Zahl der Priester übersteigt bald 500. Die Gemeinschaft umfasst auch einige hundert Seminaristen, Mönche und Nonnen. Insgesamt führt die
Bruderschaft 6 internationale Priesterseminare, 14 Bezirke, 3 autonome Häuser, 159 Priorate, 725 Messzentren sowie 90 Schulen und Universitäten.
Die Gemeinschaft beansprucht für sich, die alleinige Verwalterin der Tradition und Wahrheit zu sein. Und das nicht nur in der Liturgie. Sie hat der Ökumene und den anderen Religionen den Kampf angesagt getreu der Aussage des 1991 verstorbenen Erzbischofs Lefebvre, die schlimmsten Feinde der Kirche seien Kommunisten, Juden und Freimaurer. Und diesen habe das Konzil die Türen geöffnet.
Unter Papst Johannes Paul II. hatten die Lefebvre-Anhänger keinerlei Chancen für eine Annäherung. Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, dagegen versuchte schon 1988, den Bruch zu verhindern. Und seitdem er Papst Benedikt XVI. ist, tut er alles , um das Schisma zu beenden – ganz gleich, um welchen Preis. Die Freigabe der Alten Messe, das Wiederauskramen traditioneller liturgischer Gewänder, die Befürwortung der Mund statt der Handkommunion und des Rückfalls, den Priester die Messe wieder mit dem Rücken zur Gemeinde lesen zu lassen – das alles wurde vom Papst initiiert, um den Lefebvre-Leuten entgegen zu kommen.
Mit der Aufhebung der Exkommunikation schließlich kam er einer weiteren Forderung der Bruderschaft nach. Das römische Dekret vom 21. Januar, das bezeichnenderweise aber erst am 24. Januar, also am Vorabend des 50. Jahrestages der Ankündigung des 2.Vatikanischen Konzils durch Papst Johannes XXIII. veröffentlicht wurde, nennt zu Beginn den Auslöser für diese Entscheidung: Mit einem Brief vom 15. Dezember 2008 habe der 1988 exkommunizierte Bischof Bernard Fellay auch im Namen der anderen damals geweihten Bischöfe um die Rücknahme der Exkommunikation gebeten. Aus diesem Brief wird im Dekret allerdings nur folgender Passus zitierte:
"Wir sind immer festen Willens entschlossen, katholisch zu bleiben und alle unsere Kräfte in den dienst der Kirche unseres Herrn Jesus Christus einzusetzen, welche die römisch-katholische Kirche ist. Wir akzeptieren ihre Lehren mit kindlichen Herzen. Wir glauben fest an den Primat des Petrus und an seine Ansprüche, und darum lässt uns die gegenwärtige Lage sehr leiden."
Warum verschweigt das Dekret, dass der Brief auch die folgenden eindeutigen Aussagen enthielt, die keinerlei ernsthafte Besinnung und Umkehr erkennen lassen?
Wir leiden unter der gegenwärtigen Lage der Kirche, wo diese Lehre und dieser Primat ins Lächerliche gezogen werden. Wir sind bereit, mit unserem Blut das Credo niederzuschreiben, den Antimodernismuseid zu unterzeichnen, das Glaubensbekenntnis von Pius IV, wir akzeptieren und wir machen uns alle Konzilien bis zum II. Vatikanum zu eigen, hinsichtlich dessen wir Vorbehalte zum Ausdruck bringen möchten.
Die vom Papst als Voraussetzung für eine wirkliche Überwindung der Trennung genannten notwendigen Gespräche über lehrmäßige Fragen wurden von der Piusbruderschaft zwar begrüßt, doch - wie nicht anders zu erwarten - machte sie auch hier sofort klar, dass nicht sie sich zu bewegen habe, sondern der Papst.
Die "Selbstzerstörung" der Kirche müsse beendet werden, womit eine Krise der Berufungen, Krise der religiösen Praxis , des Katechismusunterrichts und des Empfangs der Sakramente gemeint ist. In den Gesprächen sollten deshalb die tiefen Ursachen der gegenwärtigen Krise erörtert und angemessene Heilmittel geschaffen werden, um so zu einer gründlichen Wiederherstellung der Kirche zu gelangen... so wie sie die Piusbruderschaft bereits geschaffen hat, müsste man hinzufügen.
Wie kann Papst Benedikt XVI. unter diesen umständen nur erwarten, dass die Aufhebung der Exkommunikation zu einer Konsolidierung des gegenseitigen Vertrauensverhältnisses führt? Und wie will er die Einheit wieder herstellen mit einer schismatischen Bewegung, deren jetzt rehabilitierte Führer unaufhörlich gegen Rom und die Kirche nach dem II. Vatikanum gehetzt haben und noch unmittelbar vor dem Dekret hetzten? Ist der Papst blind? Wird er nicht richtig informiert
und beraten oder lässt er sich nicht beraten? Oder sollte er am Ende gar das Urteil der Piusbruderschaft und ihrer Sympathisanten teilen?
Die massivsten Angriffe der letzten Zeit stammen von Bischof Bernard Tissier der Mallerais, einem der 1988 exkommunizierten Bischöfe. In er September/Oktober-Ausgabe der lefebvristischen
Zeitschrift "Fideliter", fünf Tage vor dem Bittbrief an den Papst auch auf der Webseite der Piusbruderschaft veröffentlicht, schrieb er u. a.:
"Unter Johannes Paul II. ist der große Glaubensabfall weiter fortgeschritten. Die Jugend ist fast völlig in Ausschweifung und Rauschgiftkonsum versunken. Die Herrschaft Jesu Christi über die Gesellschaft ist durch die Proklamation der Religionsfreiheit und der Menschenerechte ganz und gar vereitelt."
Die illegalen Bischofsweihen durch Erzbischof Lefebvre bezeichnet Bischof Tessier als Rettungsakt , ohne den der überliefert Glaube ausgestorben wäre. So aber befinde sich das Herz der Kirche in der Piusbruderschaft: der wahre Glaube, die wahre Lehre, Sakramente, die nicht verfälscht sind. Überall sonst in der Kirche herrschten Vermischung und Kompromisse. Die "neue Kirche des 2. Vatikanischen Konzils" sei eine Parallelkirche. ...Sollte dem Papst entgangen sein,
dass Bischof Tessier nicht nur diese behauptet, sondern auch all denen den Kampf angesagt hat, die sich mit Rom versöhnen wollen, die sich - wie er schreibt - vom Lächeln der Prälaten in der römischen Kurie verführen lassen? Bischof Tessier spricht vom "Zerstörungswerk des besetzten Rom" und nennt u.a. folgende Herausforderungen, vor denen die Piusbruderschaft stehe:
"Sie müsse in der "Zurückweisung der Irrlehren" des 2. Vatikanischen Konzils durchhalten, Sie müsse jede Versöhnung mit dem besetzten Rom weiterhin ablehnen. Sie müsse das Christentum als einzige Quelle der Kultur verkünden."
Papst Benedikt XVI. wird in dem Artikel persönlich attackiert und als "wirklicher Modernist" hingestellt:
Er vertritt die gesamte modernistische Theorie, und zwar auf dem neuesten Stand von heute. Noch als Dozent JosephRatzinger lehrte er tatsächlich Häresien. In Rom gibt es einen organisierten Glaubensabfall durch die Vermischung mit der jüdischen Religion.
Wenn selbst das, was der frühere Kardinal und jetzige Papst vertritt, modernistisch sein soll, was ist dann erst mit der theologischen Position der Piusbrüder los? Konservativ ist ein viel zu schwacher Begriff dafür. Das ist reaktionär, was sich besonders auch in der Haltung zum Judentum zeigt. Der Skandal mit den unglaublichen Äußerungen des Traditionalistenbischofs Richard Williamson zur Shoa, das heißt seine Leugnung von Gaskammern und sechs Millionen ermordeter Juden hat zu Recht für Empörung gesorgt.
Doch die nachgeschobene Empörung auch aus Rom verfälscht das Bild. Dass dieser Bischof Williamson jetzt auch vom Papst rehabilitiert wurde, ist und bleibt ein unentschuldbarer Fehler des Papstes, auch wenn er jetzt so tut, als habe er erst nach Unterzeichnung des Dekrets davon erfahren.
Dabei hat sich Bischof Williamson seit Jahren mit solch dubiosen Behauptungen zu Wort gemeldet. Höchstens 200.000 bis 3000.000 Juden seien umgekommen, hat er schon oft im Zusammenhang mit
seinen abfälligen Bemerkungen zu den Juden insgesamt geäußert.
Der Papst musste wissen, dass die Pius-Bruderschaft ganz besonders die Konzils-Erklärung "Nostra Aetate" über die Beziehung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen ablehnt. Der deutsche Distrikts-Obere der Bruderschaft, Franz Schmidberger, erklärte im vorigen Jahr in einem ausführlichen Report über "Die Zeitbomben des Zweiten Vatikanischen Konzils" unmissverständlich:
"Mit dem Kreuzestod Christi ist der Vorhang des Tempels zerrissen, der Alte Bund abgeschafft, wird die Kirche, die alle Völker, Kulturen , Rassen und sozialen Unterschiede umfasst, aus der durchbohrten Seite des Erlösers geboren. Damit sind aber die Juden unserer Tage nicht nur nicht unsere älteren Brüder im Glauben, wie der Papst bei seinem Synagogenbesuch in Rom 1986 behauptete; sie sind vielmehr des Gottesmordes mitschuldig, solange sie sich nicht durch das Bekenntnis der Gottheit Christi und die Taufe von der Schuld ihrer Vorväter distanzieren. Im Gegensatz dazu behauptet das II. Vatikanum, man könne die Ereignisse des Leidens Christi weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen."
Die reaktionären Schriften und Äußerungen aus der "Priesterbruderschaft Pius X." waren kein Geheimnis. Sie müssen auch dem Papst bekannt gewesen sein. Wieso hat er aber trotzdem die Versöhnung eingeleitet zu einer Gruppierung, die bei ihrer unversöhnlichen Haltung bleibt? Wieso ist er hier zur Versöhnung bereit, nicht aber mit kritischen Theologen wie Hans Küng oder mit Befreiungstheologen?
Was hat es zu bedeuten, dass fast gleichzeitig mit der Aufhebung der Exkommunikationen ein US-Theologe exkommuniziert wird, weil er bei einer Frauenordination gepredigt hat? Was ist davon zu halten, dass ein hochrangiger polnischer Theologe zur gleichen Zeit mundtot gemacht wird, weil er sich gegen das ökumenefeindliche Dokument "Dominus Jesus" ausgesprochen hat?
Offensichtlich ist dieser Papst nur auf Einheit mit dem ultrarechten Lager bedacht. Dass er damit aber nicht nur den kritischen linken Flügel in der Kirche düpiert, sondern immer mehr gläubige Katholiken verunsichert und praktisch aus der Kirche drängt, ist der eigentliche Skandal.