Der Paradigmenwechsler

    Von Alexander Budde |
    Vor vier Jahren zog er ahnungslos in den Bundestag ein. Er war 22 Jahre alt und der jüngste Abgeordnete. Sein Lehrmeister in der FDP-Fraktion wurde Generalsekretär Patrick Döring. Als jugendpolitischer Sprecher setzt Bernschneider bei Chancen an - und nicht bei Verboten.
    Frühschoppen des FDP-Ortsvereins Isernhagen: Im holzgetäfelten Saal des örtlichen Wirtshauses referiert Florian Bernschneider über die Segnungen des bürgerschaftlichen Engagements. Der Gast aus Berlin ist eine elegante Erscheinung in Jeans und Sakko. Mit sparsamen Gesten spricht der 26-Jährige zu Sängern, Schützen, Feuerwehrleuten. Die sind an diesem Sonntag ein nur in kleiner Runde versammeltes aber vom souveränen Auftritt des Gastes überaus beeindrucktes Publikum:

    "Herr Bernschneider ist so alt wie mein Sohn. Ich finde es gut … er hat zugegeben, was er nicht weiß und über alles andere frei gesprochen."
    "Ich glaube, für einstudierte Posen ist er … der ist so ein Naturtalent. So bin ich aufgewachsen … und deshalb bin ich froh … dass die Jüngeren wesentlich früher … früher der Fall war."
    Bernschneider erinnert sich noch gut, wie er 2009 noch reichlich ahnungslos, aber auf einer Bugwelle der Begeisterung in den damals so fremden Bundestag einzog - mit 22 Jahren und als jüngster von 620 Abgeordneten. Er ist für das Interview in den Biergarten umgezogen, hat ungewöhnlich viel Zeit dafür mitgebracht.

    "Dann kannst du die ganze Nacht nicht schlafen, sitzt dann frühmorgens total übermüdet im ICE nach Berlin, gehst um dieses Riesenhaus herum so im Morgennebel. Und dann hat man die erste Fraktionssitzung, man bekommt irgendwann sein eigenes Büro, man stellt Mitarbeiter ein. Und irgendwann hält man seine erste Rede im Plenum. Und das sind alles so kleine Bausteine, wo man realisiert, dass man jetzt Abgeordneter ist."
    Mit Generalsekretär Patrick Döring stellte die Fraktion dem Novizen einen erfahrenen Kämpen als "Patenonkel" für gute Ratschläge und die richtige Wegweisung zur Seite. Er habe es als angenehm empfunden, dass die Älteren ihn schnell in die Pflicht nahmen und ihn trotz seines Alters gleichberechtigt behandelten, sagt Bernschneider. Die vergangene Legislaturperiode sei von großen Ereignissen geprägt gewesen, die viele komplizierte Entscheidungen nach sich gezogen hätten.

    "Man fühlt sich schon ein Stück weit hilflos, wenn du wieder tausende Seiten präsentiert bekommst. Und es heißt: darüber stimmen wir übrigens in 48 Stunden ab. Und du weißt: eigentlich ist es gar nicht menschlich möglich, das zu lesen. Aber wichtig ist, die grundsätzlichen Fragen zu klären, die eigentlich dahinter stehen. Zum Beispiel bei der Euro-Rettung: Ich bin bereit Solidarität zu üben, mit anderen Euro-Staaten. Aber ich erwarte auch eine Gegenleistung, nämlich dass die Reformen einleiten, die auch dazu führen, dass sie das Geld im Zweifel zurückzahlen können. Wenn man über diese Kernfrage Zeit hat, länger nachzudenken, dann fühlt man sich mit so einer Entscheidung auch wohl."

    Das bürgerschaftliche Engagement ist dem Berufspolitiker tatsächlich ein Herzensanliegen. Er selbst habe bereits mit 15 als Schulsprecher mit Hang zum Pragmatismus zu den Jungen Liberalen gefunden. Als jugendpolitischer Sprecher der Fraktion war Bernschneider eine treibende Kraft hinter der Reform des Zivildienstes. Für die Abschaffung der Wehrpflicht hatten Kampfgefährten im Jugendverband bereits seit Jahrzehnten geworben.

    "Wir hatten jahrelang einen staatlichen Zwangsdienst, da wurden junge Männer staatlich verpflichte neun Monate oder 12 Monate ihres Lebens einfach so herzugeben. Unsere Gegenantwort war immer, wir setzen auf die Freiwilligkeit. Und wenn man heute sieht, dass da über 80.000 Menschen freiwillig aktiv sind, wo 68.000 Zivis im Einsatz waren, ist das eine schöne Bestätigung für einen Liberalen."

    Seine Freundin in Braunschweig habe ihn in den ersten Monaten kaum mehr zu Gesicht bekommen, erzählt Bernschneider. Ein strenger, väterlicher Rat ließ ihn manche Nacht über seinen Büchern durchwachen:

    "Guido Westerwelle hat sich neben mich gesetzt und gesagt: Mach dein Studium fertig, sonst können wir mit dir nichts anfangen."
    Zwei Jahre habe es gedauert, bis er richtig im Parlamentsbetrieb Tritt gefasst habe, sagt Bernschneider. Gern würde er dort weitermachen. Zu seinen Themen Datenschutz, Bürgerrechte und Jugendpolitik habe er noch einiges beizusteuern.

    "Wir haben diesen Paradigmen-Wechsel, wir wollen nicht nur über Verbote sondern über Chancen bei Jugendlichen reden. Aber es ist natürlich unheimlich viel Arbeit, bis das tatsächlich in den Köpfen der Leute verankert ist. Wir haben immer noch viel zu tun, was die Haushalts-Sanierung angeht. Wir legen den ersten Haushalt für 2014 ohne neue Schulden vor. Aber mein Ziel war ja mal, Schulden zurückzuzahlen. Das kommt erst in Zukunft auf uns zu. Und so gibt es noch viele andere Bereiche, wo ich sage: das, was ich mitgebracht habe an Themen , habe ich noch nicht abgearbeitet. Und deswegen würde ich gern nochmal im Bundestag sitzen."

    Links:
    Webseite von Florian Bernschneider

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