Rettet die Akademie!
Philosophen, die sich im freien Denken üben – das verstand man früher unter einer Akademie. Heute haben sogar McDonalds und die Frauenzeitschrift Brigitte eine eigene Akademie. Denken wird Teil der kapitalistischen Selbstoptimierung. Rettet die Akademien, fordert deshalb Andrea Roedig.
In einem beschaulichen Olivenhain lag Platons berühmte Philosophenschule, vor den Toren Athens aber doch mit der Stadt verbunden. Der Hain war eine alte Kultstätte für den Helden Hekádemos, daher auch der Name für Platons Schule: Akademie.
Die Bezeichnung – Akademie – für eine Gelehrtengemeinschaft wurde zum Programm und im Lauf der Geschichte mit Unterbrechungen immer wieder gern verwendet: Karl der Große betrieb eine Akademie als gelehrte Tafelrunde. Ab dem 17. Jahrhundert bildeten sich allerorten nationale Akademien der Wissenschaften und der Künste. Zeitweilig hießen auch Musikkonzerte "Akademie".
Von Platon zur McDonalds-Academy
Wundern kann man sich aber doch, dass heute Wirtschaftsbetriebe ihre Fortbildungs- und Veranstaltungsangebote ganz selbstverständlich auch als "Academy" bezeichnen. McDonald's hat zum Beispiel einen Campus und eine Academy, es gibt Fahrschulen mit dem Namen, eine große deutsche Wochenzeitung schmückt sich mit einer Akademie oder eben auch die "Brigitte", die größte deutsche Frauenzeitschrift. Die Fallhöhe von der Athener Philosophenschule zur Brigitte-Academy als "Bildungsplattform" ist jedoch beträchtlich.
Letztlich handelt es sich bei der Namensaneignung aber um nichts anderes als einen gesellschaftlichen "trickle down"-Effekt. So nennen das Soziologen, wenn Insignien oder Verhaltensweisen der Oberschicht irgendwann nach unten ins gemeinere Volk wandern, das ja auch partizipieren will am Wohlstand, an Tennis, Golf oder eben dem Flair akademischer Bildung. Die PR-Abteilung der "Brigitte" jedenfalls bedient sich aus vollen Zügen am antikisierend bildungsbürgerlichen Wortschatz, wenn die "Academy" als Teil des "Brigitte Kosmos" bezeichnet wird, in dem auch "Symposien" stattfinden: Ein Finanz-Symposion etwa oder eines mit dem Titel "Mein Leben, mein Job und ich."
Man kann sich über die komischen Effekte des Trickle Down lustig machen, aber darum geht es nicht – schließlich ist das auch ein Vorgang der Demokratisierung. Es muss möglich sein, Chancen auf Bildung und Zugang zu einst elitär verhandeltem Wissen für Viele zu schaffen.
Denken im Zeichen der Selbstoptimierung
Traurig ist nur, wie das geschieht. Platons Schule galt der Ausbildung späterer Politiker, aber auch dem freien Denken. Die Akademie war eine Lebensweise. Denn Bildung ist ja nicht etwas, das man in eine Person wie in einen Topf hineinschüttet; sie ist Formung, Kultivierung der Person und das braucht Zeit. Aristoteles soll 17 Jahre in Platons Akademie verbracht haben, bevor er fortzog, um Alexander den Großen zu unterrichten.
Im Gegensatz zu den Sophisten hat Platon von seinen Schülern wohl kein Geld genommen, er konnte sich das leisten. Die Brigitte-Academy – wie so viele Akademien, Bildungseinrichtungen und Postgaduate-Center – ist ein Geschäftsmodell. Es soll sich für die Anbieter wie für die Teilnehmerinnen in barer Münze auszahlen.
Reserviert den Begriff "Akademie"
Mit ein bisschen Mühe sind die Ziele platonischer Erziehung hier sogar noch zu finden, in extremster Schrumpfform allerdings: Selbstführung ist darin Selbstoptimierung; die Vita activa wird zum Job, die Ehre zur Karriere; die Freundschaft kehrt zurück als Networking und Zeit wird Geld. Der eigentliche Skandal ist, dass beim Trickle Down so verdammt wenig von dem unten ankommt, was oben selbstverständlich war.
Akademie ist kein geschützter Name. Mein Vorschlag wäre aber, ihn zu reservieren, und zwar nur für jene verstaubten Bildungseinrichtungen, die nichts kosten außer Zeit, Hingabe an eine Sache und an einen Geist, der sich nicht kaufen lässt.