Der Prediger und die Frauen
Der Schweizer Autor Hansjörg Schneider lässt in seinem Stück Jesus Christus aus dem Neuen Testament und die drei Mareien aus der Volksmythologie zusammentreffen. Gespielt wird in der frühbarocken Maria-Hilf-Kirche in der Luzerner Altstadt.
"Riite riite Rössli,
z´Bade schtoht es Schlössli,
z´Rom schtoht es goldigs Huus,
es luege drei Mareie drus."
Hansjörg Schneider: "Also ich sag''s jetzt hochdeutsch: Reite, reite Rössli, also Rösschen, in Baden steht ein Schlösschen, in Rom steht ein goldiges Haus, da schauen drei Mareien draus,- diese drei Mareien. Und dann: Die erste spinnet Seide, die zweite krizelt Kreide,- das ist die Mondgöttin-, die dritte macht das Tor auf und lässt die heilige Sonne herein,- das ist die Sonnengöttin. Das sind die drei vorchristlichen Göttinnen."
Mit diesem Schweizer Kinderreim läßt Hansjörg Schneider, Krimiautor und Dramatiker, sein neues Stück "Jesus und die drei Mareien" beginnen.
"Die erschti schpinnet Siide,
die zwoiti chritzlet Chriide,
die dritti macht s´Tor uf
und loht die heilig Sonne inne."
In Schneiders Stück begegnen sich Jesus Christus aus dem Neuen Testament und die drei Mareien aus der Volksmythologie. Irgendwann in der Kirchenfrühgeschichte wurden aus den heidnischen Mareien die drei Marien.
Louis Naef: "Da war ja die Kirche ganz früh mal ganz geschickt, die hat die ja einfach auch zu Heiligen gemacht, obwohl die ja eigentlich heidnische Gestalten waren. Diese drei Marien, das ist ja die Maria, und die Mutter von Maria und die Maria Magdalena, die sind ja nicht unbedingt die drei Mareien. Da gibt's Les-trois-Maries-de-la-Mer in der Nähe von Marseilles, aber es gibt auch die Mareien, die mehr die 'Bethen' heißen im süddeutschen Gebiet bis zu uns in die Schweiz, die dann eine Zusammensetzung von Mythen und Volksglauben sind."
Der Schweizer Regisseur Louis Naef führt das Stück in der frühbarocken Maria-Hilf-Kirche in der Luzerner Altstadt auf. Es spielen Profis und Laien im gemischten Ensemble, so wie das auch bei den mittelalterlichen Passionsspielen auf dem Luzerner Weinmarkt der Brauch war. Wie damals vor 500 Jahren ist der Held des Stücks Jesus Christus.
Naef: "Die Idee kam, glaub ich, von mir, das ist aber eine ganz lange Geschichte, weil es hat mit mir und meiner Herkunft zu tun, mit dem katholischen Milieu, in dem ich aufgewachsen bin, weil ich Ministrant war und dann das Ritual mit dem Theater verwechselte. Und dann gab's im Verlauf des Lebens Auseinandersetzungen und nicht mehr wissen, was eigentlich Jesus ist. Das, was er mal wollte, als Revolutionär oder als Anarchist oder so, das hat mich interessiert. Dann hat mich auch Negatives interessiert, warum kümmert er sich eben so wenig um Frauen, oder warum hat der so Angst vor den Frauen oder warum ist er so abweisend, oder wer ist er überhaupt?"
Schneider: "Also das war eigentlich das Hauptproblem, dass ja im neuen Testament fast nur Männer auftreten, das ist ein Männerhaufen! Ich kann ja nicht den Jesus mit zwölf Aposteln auftreten lassen, da kommen 13 Herren auf die Bühne, was soll das?"
Hansjörg Schneider hat deshalb die Apostel weggelassen und die drei Mareien hinzugefügt. Sie schlüpfen als die Gegenspielerinnen von Jesus in die Rollen der Hirten im Stall zu Bethlehem, spielen die drei Könige aus dem Morgenland und die Teufelinnen, die Jesus in der Wüste verführen wollen.
"Es hanget es Engeli a de Wand,
das het es Glöggli i de Hand
Und wemmers ghöret klinge,
müend alli z´Himmel schpringe."
Die Figuren der drei Mareien darzustellen, das war für Tanja Leu, Sandra Schmidli und Susi Meier-Richli eine Herausforderung.
Leu: "Für mich sind es so Urfrauen, die einfach heilen können, die das Leben verkörpern, die Lebendigkeit, ja, auch eine gewisse Weisheit haben, einen gewissen Weitblick für das Leben im Gegenzug zu Jesus, der ja irgendwie so etwas Enges hat, immer das Predigen und diese Pflicht von diesem Gottvater zu erfüllen."
Schmidli: "Am Anfang hatte ich Mühe in einer Kirche so zu spielen, weil ich bin eigentlich sehr religiös erzogen worden und auch religiös. Es gibt so ganz viele Schichten, die wir spielen können vom fröhlichen, jungen Mädchen, also unbeschwert, bis zu der Hexe."
Meier-Richli: "Wir wissen eigentlich schon, was passiert. Und wir können das auch ein Stück weit lenken. Ich finde, wir relativieren auch das Ganze ein wenig. Wie ernst nehm ich das, hat er recht, hat er nicht recht?"
Die Mareien schaffen es nicht, Jesus zum genußvollen Leben zu verführen, und auch er vermag nicht sie zu bekehren. Zu häufig präsentiert er sich als Spielverderber, schimpft, macht Vorwürfe, wird zornig. Selten zeigt er Charme. Liebevolle Zuwendung erfahren nur wenige von ihm. Schang Meier spielt diesen sperrigen Jesus.
"Der strotzt jetzt nicht vor Leben wie ein Rockstar, der da auf der Bühne sich jetzt produziert und dann noch eins Trinken geht und dann noch spricht und lebendig ist und die Leute fasziniert. Jesus ist an einem ganz anderen Ort, aber lebt auch voll, das ist ein ganz anderes, unscheinbareres Leben."
Naef: "Mich interessiert die Auseinandersetzung, dass der Sätze sagt, und die werden nicht verstanden oder die verärgern auch oder die sind auch ein bißchen hochgestochen oder ein bisschen stur daher gesagt. Schwierig ist eben wirklich der ganz banale Umgang mit diesen Sätzen. Also das Heroische auszutreiben und den religiösen Dampf im Ton, das war das Schwierigste und das Wichtigste auch."
Naef läßt die Lebensgeschichte Jesu Christi pur spielen - als Stationendrama. Durch unterirdische Grabgänge werden die Zuschauer in das leere Kirchenschiff geführt, der hölzerne Spielboden mitten darin. Es gibt wenige abstrahierte Requisiten wie Holzesel, Zinkwanne und Blechfisch. Von den Wänden blättert der Putz. Die Zuschauertribüne ist über den Altarraum gebaut und gibt den Blick frei auf die Ausgänge, zwei riesige schmiedeeiserne Tore mit fragilen Formen und Schnörkeln.
Schneider: "Wenn man das jetzt gattungsmäßig definieren möchte: natürlich ist das eine Tragödie, es wird erzählt, wie ein Rebell, einer, der immer das Maul aufmacht, der kritisiert, wie der so lästig wird den Mächtigen, weil die Leute laufen ihm ja in Scharen nach, dann müssen sie ihn eigentlich umbringen, das hat eine Logik."
Jesu Tod " ... gschiiter wär i nid gebore worde ..."
Meier (Jesus): "Wenn er stirbt, wenn er leidet. da ist er mir als Mensch am nächsten, wenn ich diesen Text höre, wie er da nochmals wirklich alles in Frage stellt und auch mit einer Vehemenz, dass er als Mensch sich wirklich auch hingibt und dieses tiefe Leiden durchmacht."
Meier-Richli: "Ich bin erstaunt, wie mich manche Szenen dann doch bis ins Herz zerrütten."
Naef: "Ich will Theater machen, das berührt. Ich finde, warum sollen wir das nicht machen, warum soll nur die Kirche in der Weihnachtsnacht einen Gottesdienst halten, warum sollen wir nicht da die Geschichte erzählen, die da passiert sein soll?"
z´Bade schtoht es Schlössli,
z´Rom schtoht es goldigs Huus,
es luege drei Mareie drus."
Hansjörg Schneider: "Also ich sag''s jetzt hochdeutsch: Reite, reite Rössli, also Rösschen, in Baden steht ein Schlösschen, in Rom steht ein goldiges Haus, da schauen drei Mareien draus,- diese drei Mareien. Und dann: Die erste spinnet Seide, die zweite krizelt Kreide,- das ist die Mondgöttin-, die dritte macht das Tor auf und lässt die heilige Sonne herein,- das ist die Sonnengöttin. Das sind die drei vorchristlichen Göttinnen."
Mit diesem Schweizer Kinderreim läßt Hansjörg Schneider, Krimiautor und Dramatiker, sein neues Stück "Jesus und die drei Mareien" beginnen.
"Die erschti schpinnet Siide,
die zwoiti chritzlet Chriide,
die dritti macht s´Tor uf
und loht die heilig Sonne inne."
In Schneiders Stück begegnen sich Jesus Christus aus dem Neuen Testament und die drei Mareien aus der Volksmythologie. Irgendwann in der Kirchenfrühgeschichte wurden aus den heidnischen Mareien die drei Marien.
Louis Naef: "Da war ja die Kirche ganz früh mal ganz geschickt, die hat die ja einfach auch zu Heiligen gemacht, obwohl die ja eigentlich heidnische Gestalten waren. Diese drei Marien, das ist ja die Maria, und die Mutter von Maria und die Maria Magdalena, die sind ja nicht unbedingt die drei Mareien. Da gibt's Les-trois-Maries-de-la-Mer in der Nähe von Marseilles, aber es gibt auch die Mareien, die mehr die 'Bethen' heißen im süddeutschen Gebiet bis zu uns in die Schweiz, die dann eine Zusammensetzung von Mythen und Volksglauben sind."
Der Schweizer Regisseur Louis Naef führt das Stück in der frühbarocken Maria-Hilf-Kirche in der Luzerner Altstadt auf. Es spielen Profis und Laien im gemischten Ensemble, so wie das auch bei den mittelalterlichen Passionsspielen auf dem Luzerner Weinmarkt der Brauch war. Wie damals vor 500 Jahren ist der Held des Stücks Jesus Christus.
Naef: "Die Idee kam, glaub ich, von mir, das ist aber eine ganz lange Geschichte, weil es hat mit mir und meiner Herkunft zu tun, mit dem katholischen Milieu, in dem ich aufgewachsen bin, weil ich Ministrant war und dann das Ritual mit dem Theater verwechselte. Und dann gab's im Verlauf des Lebens Auseinandersetzungen und nicht mehr wissen, was eigentlich Jesus ist. Das, was er mal wollte, als Revolutionär oder als Anarchist oder so, das hat mich interessiert. Dann hat mich auch Negatives interessiert, warum kümmert er sich eben so wenig um Frauen, oder warum hat der so Angst vor den Frauen oder warum ist er so abweisend, oder wer ist er überhaupt?"
Schneider: "Also das war eigentlich das Hauptproblem, dass ja im neuen Testament fast nur Männer auftreten, das ist ein Männerhaufen! Ich kann ja nicht den Jesus mit zwölf Aposteln auftreten lassen, da kommen 13 Herren auf die Bühne, was soll das?"
Hansjörg Schneider hat deshalb die Apostel weggelassen und die drei Mareien hinzugefügt. Sie schlüpfen als die Gegenspielerinnen von Jesus in die Rollen der Hirten im Stall zu Bethlehem, spielen die drei Könige aus dem Morgenland und die Teufelinnen, die Jesus in der Wüste verführen wollen.
"Es hanget es Engeli a de Wand,
das het es Glöggli i de Hand
Und wemmers ghöret klinge,
müend alli z´Himmel schpringe."
Die Figuren der drei Mareien darzustellen, das war für Tanja Leu, Sandra Schmidli und Susi Meier-Richli eine Herausforderung.
Leu: "Für mich sind es so Urfrauen, die einfach heilen können, die das Leben verkörpern, die Lebendigkeit, ja, auch eine gewisse Weisheit haben, einen gewissen Weitblick für das Leben im Gegenzug zu Jesus, der ja irgendwie so etwas Enges hat, immer das Predigen und diese Pflicht von diesem Gottvater zu erfüllen."
Schmidli: "Am Anfang hatte ich Mühe in einer Kirche so zu spielen, weil ich bin eigentlich sehr religiös erzogen worden und auch religiös. Es gibt so ganz viele Schichten, die wir spielen können vom fröhlichen, jungen Mädchen, also unbeschwert, bis zu der Hexe."
Meier-Richli: "Wir wissen eigentlich schon, was passiert. Und wir können das auch ein Stück weit lenken. Ich finde, wir relativieren auch das Ganze ein wenig. Wie ernst nehm ich das, hat er recht, hat er nicht recht?"
Die Mareien schaffen es nicht, Jesus zum genußvollen Leben zu verführen, und auch er vermag nicht sie zu bekehren. Zu häufig präsentiert er sich als Spielverderber, schimpft, macht Vorwürfe, wird zornig. Selten zeigt er Charme. Liebevolle Zuwendung erfahren nur wenige von ihm. Schang Meier spielt diesen sperrigen Jesus.
"Der strotzt jetzt nicht vor Leben wie ein Rockstar, der da auf der Bühne sich jetzt produziert und dann noch eins Trinken geht und dann noch spricht und lebendig ist und die Leute fasziniert. Jesus ist an einem ganz anderen Ort, aber lebt auch voll, das ist ein ganz anderes, unscheinbareres Leben."
Naef: "Mich interessiert die Auseinandersetzung, dass der Sätze sagt, und die werden nicht verstanden oder die verärgern auch oder die sind auch ein bißchen hochgestochen oder ein bisschen stur daher gesagt. Schwierig ist eben wirklich der ganz banale Umgang mit diesen Sätzen. Also das Heroische auszutreiben und den religiösen Dampf im Ton, das war das Schwierigste und das Wichtigste auch."
Naef läßt die Lebensgeschichte Jesu Christi pur spielen - als Stationendrama. Durch unterirdische Grabgänge werden die Zuschauer in das leere Kirchenschiff geführt, der hölzerne Spielboden mitten darin. Es gibt wenige abstrahierte Requisiten wie Holzesel, Zinkwanne und Blechfisch. Von den Wänden blättert der Putz. Die Zuschauertribüne ist über den Altarraum gebaut und gibt den Blick frei auf die Ausgänge, zwei riesige schmiedeeiserne Tore mit fragilen Formen und Schnörkeln.
Schneider: "Wenn man das jetzt gattungsmäßig definieren möchte: natürlich ist das eine Tragödie, es wird erzählt, wie ein Rebell, einer, der immer das Maul aufmacht, der kritisiert, wie der so lästig wird den Mächtigen, weil die Leute laufen ihm ja in Scharen nach, dann müssen sie ihn eigentlich umbringen, das hat eine Logik."
Jesu Tod " ... gschiiter wär i nid gebore worde ..."
Meier (Jesus): "Wenn er stirbt, wenn er leidet. da ist er mir als Mensch am nächsten, wenn ich diesen Text höre, wie er da nochmals wirklich alles in Frage stellt und auch mit einer Vehemenz, dass er als Mensch sich wirklich auch hingibt und dieses tiefe Leiden durchmacht."
Meier-Richli: "Ich bin erstaunt, wie mich manche Szenen dann doch bis ins Herz zerrütten."
Naef: "Ich will Theater machen, das berührt. Ich finde, warum sollen wir das nicht machen, warum soll nur die Kirche in der Weihnachtsnacht einen Gottesdienst halten, warum sollen wir nicht da die Geschichte erzählen, die da passiert sein soll?"