Der Rausch im Niemandsland

Von Helmut Böttiger |
Fritz Rudolf Fries war kein DDR-Schriftsteller. Am 19. Mai 1935 in Bilbao geboren, mit einer spanischsprachigen Großmutter aufgewachsen und als Sechsjähriger in den Kriegswirren nach Leipzig gezogen, blieb der spanische Hintergrund für ihn immer bedeutsam.
1966 erschien, durch die Vermittlung von Uwe Johnson, im westdeutschen Suhrkamp Verlag sein Bahn brechender Roman "Der Weg nach Oobliadooh". In der DDR war an eine Veröffentlichung nicht zu denken: zu ambitioniert, zu subjektiv, zu anarchisch war dieses Buch, und zudem feierte es alle möglichen Spielformen des Jazz, den die Funktionäre wohl zu Recht für potenziell System sprengend hielten.

Der Autor hatte Proust und Joyce gelesen, war auf der Höhe der bürgerlichen und nachbürgerlichen Moderne und wirkte nicht nur in der DDR wie ein Fremdkörper, sondern auch in der zeitgenössischen bundesdeutschen Literatur.

Die Entwicklung, die Fritz Rudolf Fries im folgenden in der DDR nahm, ist eines der spannendsten Kapitel der jüngeren deutschen Literaturgeschichte: ein homme de lettre, einer, der auf der Klaviatur vieler Sprachen und Literaturen spielen konnte und allen Vorstellungen von Parteilichkeit und Realismus eine lange Nase drehte. Das traf gerade auch für die Bücher zu, die dann in der DDR gedruckt wurden, "Alexanders neue Welten" oder "Verlegung eines mittleren Reiches".

Dass Fries’ literarischer Freiraum in der DDR für ihn nur durch die Kooperation mit der Staatssicherheit möglich schien, war in den neunziger Jahren dann eine schmerzliche Erkenntnis. Jazz, Literatur, Politik: Von einem magischen Dreieck handelt das Feature zum siebzigsten Geburtstag dieses großen Autors.