Der Reiz des Betrugs

Susanna Partsch im Gespräch mit Joachim Scholl |
Die meisten Fälschungen sind in ihrer Zeit schwer zu erkennen, sagt Susanna Partsch, Autorin des Buches "Tatort Kunst". Dies liegt aber nicht nur an der Qualität der Fälschungen: Da diese sowohl bei Kennern als auch Gutachtern Begehrlichkeiten erwecken, wird oft "viel weniger genau" hingeschaut.
Joachim Scholl: Wir sind jetzt verbunden mit Susanna Partsch, sie ist Kunsthistorikerin und Autorin des Buches "Tatort Kunst". Guten Tag, Frau Partsch!

Susanna Partsch: Guten Tag!

Scholl: Es hat über vier Jahre gedauert, bis diese Fälschung entdeckt wurde, Frau Partsch, man sollte vermuten, dass also die Qualität dieser Fälschung extrem gut ist. Ist das auch Ihre Einschätzung?

Partsch: Also ich habe mich jetzt mit den Bildern selber, ... die habe ich nicht gesehen, nur die Abbildungen in den Zeitungen – die meisten Fälschungen sind in ihrer Zeit schwer zu erkennen, das erleben wir immer wieder. Also es gibt Fälschungen, die vor 50 oder 100 Jahren gemacht worden sind, zum Beispiel von Han van Meegeren, die Vermeers. Da fragen wir uns heute, wie überhaupt irgendjemand jemals auf die Idee gekommen ist, das für echte Vermeers zu halten, und dennoch hat der damalige Spezialist, eben jetzt vergleichbar mit Werner Spies, Bredius, war begeistert, und hat in international renommierten Zeitschriften diese neuen Vermeers gefeiert.

Scholl: Ich meine, Werner Spies ist ein wirklich berühmter Mann der Kunstszene, er tut, wie er sagt, seit der Enthüllung kein Auge mehr zu, hält aber den Max Ernst, den er begutachtete, immer noch für echt. Das ist schon kurios, oder?

Partsch: Das ist sehr merkwürdig, ja, das verstehe ich auch nicht, weil es scheint ja wohl doch so zu sein, dass diese gesamte Sammlung Jägers eine Erfindung ist, übrigens auch nichts Neues in dieser Branche. Solche vermeintlichen Sammlungen hat es immer wieder gegeben.

Scholl: Wie kann es denn eigentlich aber dann angehen Ihrer Meinung nach, dass so viele Gemälde als Fälschungen auf dem Markt kursieren und dass es so lange dauern, bis man das entdeckt?

Partsch: Das ist offensichtlich immer wieder dem Zufall überlassen, weil meistens doch diese Fälschungen ja Begehrlichkeiten wecken. Die Fälscher wissen meistens ziemlich genau, was gerade en vogue ist, was gefragt wird und richten sich nach dem Kunstmarkt. Und wenn dann etwas auftaucht, was schon lange vermisst wurde, oder wonach sich ein Sammler schon lange gesehnt hat, dann wird sehr viel weniger genau geguckt, als wenn man Dinge gleich von Anfang an bezweifelt, weil vielleicht gerade im Moment der Kunstmarkt nicht so danach ruft.

Scholl: Der Fall wirft ja auch dieses Licht auf den Kunstbetrieb: Gutachter werden bestellt für eine Expertise, erhalten ein Honorar dafür, das oft anteilig am Verkaufswert des jeweiligen Gemäldes berechnet wird, das heißt, wenn man es zum Original erklärt, ist das lukrativ, andernfalls nicht. Ist es nicht eine doch zweifelhafte Praxis?

Partsch: Ja, natürlich, das ist immer schwierig. Also Gutachter sollten vollkommen aus dem Fall herausgenommen werden, also ihr Geld bekommen, egal wie sie gutachten, wie sie beurteilen, und dann nicht mehr am Verkauf beteiligt sein, denn das weckt natürlich auch bei den Gutachtern – und wenn es noch so unterbewusst ist – Begehrlichkeiten.

Scholl: Nun freut sich natürlich jeder Sammler, jedes Museum darüber, einen echten Max Ernst, August Macke, einen Manet, Monet oder Courbet an der Wand zu haben. Stellt man sich da manchmal also auch gerne blind und erklärt für ein Original, was vielleicht gar nicht so ganz zweifelsfrei geklärt ist?

Partsch: Das ist ganz schwierig zu beurteilen, und man unterstellt damit den Leuten natürlich auch immer etwas. Aber frei davon ist glaube ich niemand. Es hat ja jetzt in England vor Kurzem einen großen Fälschungsskandal gegeben einer Familie, da hat der Sohn hat die Fälschungen produziert, die Mutter hat glaube ich irgendwie die Chemie angerührt und der Vater ist eben auch damit hausieren gegangen, dass er die Sachen von seinem Großvater gehabt hätte. Da hat auch niemand irgendetwas gemerkt, bis dieser Sohn einmal einen Fehler gemacht hat, indem er einen Rechtschreibfehler in der Keilschrift gemacht hat. Also das sind Dinge, die sind ganz schwer greifbar.

Scholl: Nun gefährden Auktionshäuser ja aber auch ihren Ruf, wenn sie jetzt Originale versteigern, die sich später als Fälschungen entpuppen. Wird da nicht richtig gut aufgepasst? Ich meine, die Häuser müssten doch da ganz peinlichst drum bemüht sein, oder?

Partsch: Das sind sie auch, glaube ich, und trotzdem: Eric Hebborn zum Beispiel, ein englischer Fälscher, hat mit diesen Auktionshäusern so gut zusammengearbeitet, und zwar jetzt im positiven Sinne, er hatte dann teilweise auch wirklich echte Sachen, der ist zu denen, zu Sotheby's und Christie's, hingegangen und hat gesagt, hier habe ich ein neues Blatt, was meint ihr denn, habe ich irgendwo gefunden, was meint ihr, von wem das ist? Der hat die Spezialisten datieren lassen, der hat sie bestimmen lassen, um welchen Künstler es sich handelt, und es war eben in vielen Fällen – aber nicht immer – ein eigener Eric Hebborn.

Scholl: Inwieweit hat auch die Entwicklung des Kunstmarktes, Frau Partsch, mit dieser Anfälligkeit für Fälschungen zu tun? Denn es ist ja inzwischen so immens viel Geld im Spiel. Zeigt das auch dann diese Wirkung?

Partsch: Das ist ganz klar, es gibt ja überhaupt wirklich erst richtige Kunstfälschungen als groß angelegte Programme, seitdem es einen Kunstmarkt in dem Sinne gibt. Das fing an damit, dass die Amerikaner Museen gegründet haben und plötzlich wollten sie in Europa Dinge kaufen, die es teilweise überhaupt nicht mehr gab. Und die wurden dann von den Fälschern bedient. So landeten vor dem Zweiten Weltkrieg vor allen Dingen ganz viele Dinge in Amerika, die absolute Fälschungen waren, und so geht das immer weiter. Je mehr gesucht wird, je mehr verlangt wird, desto mehr produziert auch der, sagen wir mal, zweite Kunstmarkt.

Scholl: In Ihrem Buch "Tatort Kunst" erzählen Sie, Frau Partsch, also tolle Geschichten toller Fälschungen. Wenn man es so liest, hat man das Gefühl, das ist ein Markt wieder jeder andere, Angebot und Nachfrage regeln den Preis.

Partsch: Ja, das ist richtig, es ist auch so. Das sieht man ja auch an Giacomettis letztes Jahr, da redet heute keiner mehr drüber. Letztes Jahr sind 1000 Giacomettis gefunden worden, die bereits teilweise verkauft worden waren. Da hat auch erst mal kein Mensch darüber nachgedacht, dass das vielleicht Fälschungen sein könnten, dass es gar nicht so viele neue Giacomettis geben kann.

Scholl: Sie haben an anderer Stelle mal in einem Interview gesagt, Fälscherskandale kämen so regelmäßig wie die Jahreszeiten, so vornehmlich im Sommerloch kommen sie auch gut immer in den Medien an. Dieser Fall Jägers nun – na, es ist jetzt Herbst, aber glauben Sie, dass die Sache und die Diskussion jetzt allgemein über Wesen und Praxis des Kunstbetriebs hier mehr bewirkt als sonstige Fälscherskandale?

Partsch: Das bleibt abzuwarten. Ich denke mal, der Fall Jägers ist jetzt ja speziell ein deutsches Problem, Shaun Greenhalgh, ich hoffe, man spricht ihn so aus, ich weiß es nicht genau, der in England noch im Gefängnis sitzt, hat im, ich glaube, Victoria and Albert Museum eine Ausstellung bekommen, einfach um zu zeigen, wie gefälscht worden ist. Das ist dieser Mensch, der dann einen Rechtschreibfehler bei der Keilschrift gemacht hat. Da war in England natürlich unglaublich viel Publicity. Davon haben wir nichts mitbekommen. Also es ist wohl auch immer ein nationales Problem, gerade wenn es sich so reduziert auf das eigene Land. Bislang wissen wir ja nicht von Sammlung Jägers, dass die auch in Frankreich oder England oder sonst wo verkauft haben. Es bleibt abzuwarten, ob das jetzt hier wirklich eine Diskussion in Gang setzt, oder ob das wieder mit dem Mäntelchen des Schweigens verdeckt wird ab Weihnachten, um dann im nächsten Sommer eine neue Geschichte zu finden.

Scholl: Susanna Partsch, die Kunsthistorikerin und Autorin des Buches "Tatort Kunst" über Fälschungen, Betrüger und Betrogene, erschienen ist der Band dieses Jahr im C.H. Beck Verlag. Frau Partsch, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Partsch: Danke schön!
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