Der Runde Tisch

Wo ist er geblieben?

Ein Teil des Runden Tischs, wie er heute im Keller der Bundesakademie für Sicherheitspolitk steht, die im früheren Gästehaus der DDR-Regierung residiert.
Ein Teil des Runden Tischs, wie er heute im Keller der Bundesakademie für Sicherheitspolitk steht, die im früheren Gästehaus der DDR-Regierung residiert. © Claudia van Laak
Von Claudia van Laak |
An ihm übten die Mitglieder den demokratischen Disput der DDR: Am Zentralen Runden Tisch wurde 1989/90 die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit beschlossen und eine neue Verfassung vorbereitet - ein geschichtsträchtiges Möbelstück.
Die Suche beginnt gleich hinter dem Friedrichstadtpalast, in der Ziegelstraße 30, Berlin-Mitte. Das Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Vor der friedlichen Revolution Bürogebäude der evangelischen Kirche, jetzt Hotel. Hier traf sich am 7.12.89 zum ersten Mal der Zentrale Runde Tisch der DDR. Eine Flügeltür aus dunkelbraunem Holz. "Kirchensaal" steht auf dem Schild.
Hotelmitarbeiterin Marion Müller öffnet die Tür, wartet als erstes mit einer großen Enttäuschung auf.
"Ja, es heißt ja Runder Tisch. Aber der Runde Tisch war gar nicht rund, er war eckig."
Ein Rechteck bedeckt mit weißen Tischdecken, rundherum 33 weiße Holzstühle. So zeigen es die historischen Fotos.
"Original sind Parkett, Fenster, Gardinen und die Kronleuchter. Wir sehen sechs Messingkronleuchter, die einzeln zu schalten sind, und die sind noch original."
Aber wo sind die Original-Möbel? Wo die rechteckigen Tische, die vor 25 Jahren den Zentralen Runden Tisch der DDR bildeten? Marion Müller lächelt verlegen. Im Schredder gelandet.
"Ich fürchte fast. Ich habe leider nichts anderes herauskriegen können."
Die zweite große Enttäuschung. Aber noch ist Hoffnung. Fanden doch nur die ersten drei Sitzungen des Runden Tisches im Dietrich-Bonhoeffer-Haus statt. Der Kirchensaal wurde zu klein, man wich aus nach Berlin-Pankow. In das Gästehaus der DDR-Staatsregierung.
"Wir sind jetzt hier im historischen Saal, also dem Raum, in dem der Runde Tisch oder die Runden Tische stattfanden und auch ein Teil der 2+4-Verträge."
Martin Lammert, Sprecher der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Die residiert jetzt im früheren Gästehaus der DDR-Staatsregierung.
"Original ist noch die gesamte Deckenbeleuchtung und die Beleuchtung an den Seitenstreben. Sowie die Stühle."
Nicht rund, sondern eckig
Rot gepolstert, solide verarbeitet. Und der Runde Tisch? Martin Lammert winkt hinaus, vorbei an dem Schild "Militärischer Sicherheitsbereich. Vorsicht Schusswaffengebrauch", geht in den Hof, betritt ein heruntergekommenes Wirtschaftsgebäude. Die Fensterscheiben eingeschlagen, Farbe und Putz bröckeln von den Wänden.
"Das ist der Runde Tisch, der nicht rund, sondern eckig ist …"
… und jetzt geschätzt aus 50 einzelnen Teilen besteht. Tischbeine und Rahmen auf der einen Seite des Raumes, Tischplatten übereinandergestapelt auf der anderen Seite.
"Sie sehen hier die verschiedenen Verbindungselemente und da können wir das auch mal (klopfen) hören."
Repräsentativ war gestern. Das was hier liegt ist billiger Pressspan unter abgeplatztem Furnier. Mit zerknabberten weiß-roten Inventaraufklebern, auf die jemand geistesgegenwärtig "Runder Tisch" geschrieben hat. Sonst wüsste es ja niemand. Jedenfalls nicht die Anzug-Herren von der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Geschichtsvergessenheit will sich Sprecher Martin Lammert aber nicht vorwerfen lassen.
"Wir haben ja draußen vor dem Gebäude, das haben Sie ja gesehen, haben wir entsprechende Hinweise und Tafeln aufgestellt, die eben auf diesen historischen Ort hinweisen."
Die dritte Enttäuschung: Der Zentrale Runde Tisch der DDR gammelt in einem öffentlichen Gebäude vor sich hin.
Der historische polnische Runde Tisch steht übrigens im Warschauer Präsidentenpalast.
Mehr zum Thema