Der Sachse und das Auto
Als August Horch vor 100 Jahren seine junge Firma aus dem sächsischen Reichenbach nach Zwickau verlegte, begann das Herz des Autolandes Sachsen zu schlagen. Sachsen ist zwar nicht das Geburtsland des Autos, aber hier haben die Autos "laufen" gelernt. Inzwischen baut BMW in Leipzig und inmitten von Dresden hat der Volkswagen-Konzern eine gewaltige "Gläserne Manufaktur" errichtet.
"Ich bin mit Autos generell aufgewachsen, so lange ich denken kann, ja, gibt es in unserer Familie Autos, Rennautos, normale Autos, Sportwagen und als das erste Auto gebaut worden ist, da war ich ungefähr 14 Jahre alt, und mein Vater hat mich damals mitgenommen, als es dann fertig war, und das war schon faszinierend, man hat also zehn cm über der Erde gesessen, und man hat zu den normalen Pkws weit nach oben geblickt, und es war schon toll, und die Fahreigenschaften natürlich auch."
Peter Melkus ist 53 Jahre alt, Rennfahrer und Autokonstrukteur. Seit Mai vergangenen Jahres arbeitet er in seiner kleinen Dresdner Sportwagen-Manufaktur an der Realisierung eines Traums. Gemeinsam mit seinem 23 Jahre alten Sohn, Sepp, lässt er ganz im Sinne seines berühmten Vaters, Heinz Melkus den legendären DDR-Sportwagen RS 1000 wieder aufleben.
Ein gewagtes Projekt, das den Ehrgeiz hat, ohne Bankkredite auszukommen.
15 Exemplare umfasst die Liste der Bestellungen für den schnittigen Flitzer. Produziert wird gegen Vorkasse, in einer kleinen, unscheinbaren Wagenhalle im Vorgarten eines ganz normalen Wohnhauses auf dem Weißen Hirschen. Vis-a-vis steht das von der Familie Melkus gegründete erste BMW-Autohaus im Osten nach der Wende. Große Fensterflächen geben dort den Blick frei auf hochglanzpolierte Karossen. Gleich daneben, in der unscheinbaren, flachen Wagenhalle herrscht hingegen eher diffuses Licht und drangvolle Enge:
"Also das ist bei uns hier wirklich eine Fertigungsstraße auf engstem Raum, weil auf den 150 oder 200 Quadratmetern, die wir hier zur Verfügung haben, ist es eigentlich ganz schwierig da so etwas zu organisieren, aber es funktioniert."
Vier Fahrzeuge in unterschiedlichen Produktionsstufen sind in zwei Reihen parallel aufgebockt, dazwischen stehen Trennwände. Es riecht nach frischem Lack, und ein wenig wie in einem Bastelladen für Modellbau. Sepp Melkus nimmt Kurs auf ein Rahmengestell an der Stirnwand der Halle. Auf dem Weg dorthin schlängelt er sich vorsichtig an einem fertigen, leuchtend gelben RS 1000 vorbei, der schon ein Nummernschild trägt. Er wird fast komplett von einer Decke verhüllt. Mit Stolz erzählt der 23-jährige Juniorchef:
"Der Wagen ist schon zugelassen, das ist der erste, den wir ausgeliefert hatten, und der hat jetzt praktisch seine erste Durchsicht bekommen, nach 2500 Kilometern, und wird in der nächsten Woche dann wieder an den Kunden übergeben."
Vier Mitarbeiter hat die Manufaktur, Vater und Sohn Melkus haben die Produktionsleitung und bürgen mit ihrem berühmten Namen für die Qualität. Beide sind von der Ausbildung her vom Fach und legen auch, wenn die Zeit es zulässt, selbst Hand an. In jedem Sportwagen stecken zu 97 Prozent die Ideen des Großvaters Heinz Melkus, der vor gut zwei Jahren hoch betagt verstarb:
"Also der Wartburg Rahmen ist natürlich ein Serienteil vom Wartburg, alles andere, der ganze Aufbau, die ganzen Blechverkleidungen, die werden hier wirklich von Hand zurecht geschnitten, und mit einem Hammer zurechtgedengelt, und auch wirklich noch gasgeschweißt, also es ist wirklich noch die klassische, alte Fahrzeugbaukunst."
Im Grunde ist der RS 1000 nichts anderes als ein kaschierter Wartburg. Der Motor ist ein Zweitakter, fährt mit Gemisch und drei Zylindern, und kommt von den serienmäßigen 45 bis 50 PS auf 70 bis 75 "Melkus-PS".
Zu DDR-Zeiten war dieser Sportwagen Kult. Zigtausende von Menschen zog es damals an die Rennstrecken. Alte Fotografien an der Wand des kleinen Betriebsbüros in der Manufaktur zeugen noch heute davon:
"Hier sieht man sie alle, … hier die typischen Bilder aus der DDR, Hunderttausende an der Rennstrecke, … Das ganze Starterfeld RS 1000.
Es gab ja keine Konkurrenz, es gab ja nur den Trabant, den Wartburg und den Melkus, …"
Dieser Sportwagen soll eine Zukunft haben, daher tüfteln Vater und Sohn bereits an einer Weiterentwicklung des Wagens, der, wenn er 2009 wie geplant auf den Markt kommen soll, nur noch äußerlich dem alten Modell gleichen wird. Innen wird der RS 2000 dann zwar auch noch spartanisch, aber dafür deutlich moderner ausgestattet sein, mit VW-Technik und mancher Finesse, an die heute nicht zu denken ist. Derzeit gibt es nur eine Zeichnung an der Wand in der kleinen Werkshalle, im Maßstab 1 zu 1. Der Rest ist unter Verschluss.
Die Internationale Automobilausstellung Leipzig hat in den vergangenen Jahren deutlich Zulauf bekommen. Anfänglich von der großen Konkurrenz aus Frankfurt am Main belächelt, hat sich inzwischen sehr gut etabliert. Im Jahr 2007 steht sie zwar im Schatten der alle zwei Jahre stattfindenden IAA in Frankfurt, nichtsdestotrotz sind alle großen Automobilkonzerne hier mit großen Ständen vertreten, und die Besucher kommen in Scharen. Schon das erste Messewochenende der Leipziger Auto-Schau konnte einen neuen Besucherrekord verzeichnen. Sind die Sachsen also besondere Auto-Freaks?
"Ja natürlich, denn man kann schon sagen, die Wiege des Autos kommt ja aus Sachsen."
"Ich denke, dass viele Sachsen eine besondere Beziehung haben, auch zu den Automobilen, die hier zu DDR-Zeiten gefertigt wurden, und jetzt auch viele persönlich Geschichten zum Vorschein kommen, ansonsten ist der Sachse wahrscheinlich wie jeder deutsche mit dem Auto verbunden, oder auch nicht."
"Früher davon gelebt, mit dem Rennsport, im Sachsenring, Brünn, Teterow, Meissen Speedway. 1954 habe ich angefangen mit der Sache, und man lässt sie nicht wieder los, die Sache."
Verzückt steht dieser Rentner und gelernte Autoschlosser vor einem silberfarbenen, betagten Rennwagen aus dem Hause Melkus. Gleich daneben fachsimpeln zwei ergraute Autofans. Neben den neuen modernen Karossen zeigt diese Automesse auch ausgesuchte Veteranen, sowohl aus dem Rennsport, wie aus der Anfangszeit des Automobilbaus in Sachsen. Eine Attraktion für viele Oldtimer-Freunde.
Wenige Meter weiter am großflächigen Audi-Stand haben sich kleine Grüppchen von betagten Herren an einem schwarz glänzenden – perfekt sanierten - Horch versammelt. Konzentriert studieren sie die Daten auf der Schautafel.
Einer schaut verzückt auf die Karosse, der Grund:
"Mein Schwiegervater, der hat hier bei Horch, … der war Autosattler, der hat womöglich an diesem mitgearbeitet, nicht, nicht jetzt restauriert, aber an dem Original."
Der Name August Horch steht für den Beginn des Automobilbaus in Sachsen. Noch heute stehen prachtvolle Exemplare der von ihm konstruierten Fahrzeuge in Museen und geben Zeugnis von dieser waghalsigen und hochproduktiven Phase deutscher Industriegeschichte. Doch was nur wenige wissen ist, dass die eigentlichen Ursprünge dieser Branche in Coswig bei Dresden liegen.
"Emil Herrmann Nacke hatte im Jahr 1900 bereits, als erster Sachse in Coswig begonnen, Automobile zu bauen. Besonders genial war an ihm, dass er im Automobilbau eine Art Autodidakt war, aber dass er als Maschinenfabrikant sich nie mit Halbheiten abgegeben hat, er hat immer die Entwicklung so vorangetrieben, dass die Entwicklung sich auch durchsetzen kann, also nicht auf halben Wege aufgegeben, Nacke hat also auch im Automobilbau von vornherein Automobile gebaut, die keine Versuchskaninchen waren, wie er selbst sagte."
Thomas Giesel ist Diplom-Ingenieur und Kustos für Kraftverkehr am Verkehrsmuseum in Dresden. Intensiv hat er sich in den zurückliegenden Jahren mit der Person und dem Werk Emil Hermann Nackes beschäftigt. In Kürze wird eine Publikation über diesen sächsischen Autobauer der ersten Stunde erscheinen. Doch ein Auto aus seiner Fabrikation hat das Museum leider nicht. Nackes Werke gibt es nicht mehr, sie sind ebenso wie sein Name in der Bedeutungslosigkeit versunken.
"Das Problem ist, dass Nacke seine Automobilproduktion, die Pkw-Produktion bereits vor dem Ersten Weltkrieg einstellen musste, auf Grund der hohen Nachfrage und des relativ hohen Preises waren seine Pkw nicht mehr wettbewerbsfähig. Nacke hatte aber bereits 1905 begonnen, Nutzfahrzeuge zu bauen, zum Beispiel für den sächsischen Hof einen Omnibus zu bauen und damit war er auch der erste in Sachsen, der Nutzfahrzeuge baute, also schwere Lkw und Busse."
Mit dem Tod Emil Hermann Nackes im Jahr 1933 kam das endgültige Aus für seine Autofabrikation in Coswig. Mit der Folge, dass es bei Kriegsende 1945 kaum noch Ersatzteile für seine inzwischen betagten Modelle gab. Damit war das Ende der Marke und der Untergang ihres Namens besiegelt.
In der Geschichte des sächsischen Automobilbaus fand der Name Nacke lange Jahre keine Nische. Das soll ich nach dem Willen des Kustos im Verkehrsmuseum nun ändern. In der von ihm betreuten Ausstellung alter Automobile aus sächsischer Produktion findet sich so manche Rarität, so zum Beispiel der PILOT, aus Bannewitz bei Dresden. Er ist das wohl wertvollste Unikat der Sammlung. Seine Geburtsstunde schlug in einem kleinen Betrieb, der sich ebenso wie viele andere Firmen nach dem Abschluss des Versailler Vertrages ein neues Tätigkeitsfeld suchen musste.
"Ja der Pilot ist entstanden aus der Not heraus, die Fabrik war ursprünglich eine chemische Fabrik, zur Herstellung von Klebstoffen und Bleichmitteln. Nach dem Ersten Weltkrieg hat man versucht in dieser Fabrik Automobile zu bauen, man hat Ingenieure eingekauft, die eigenen Automobile entwickelt haben, mit verschiedenen Motorisierungen, mit verschiedenen Karosserien, in verschiedenen Preisklassen, und diese Automobile sind dann ab 1921 auf den Markt gekommen. Wir wissen nicht exakt, wie viele Automobile bei Pilot in Bannewitz gebaut worden sind, wir schätzen dass es um die 300 bis 500 Fahrzeuge waren, aber dieses Fahrzeug in unserem Haus, mit seiner offenen Phaeton-Karosserie ist der einzige, der mir bekannt ist."
Der sprichwörtliche Erfindergeist der sächsischen Autokonstrukteure war auch Jahrzehnte später kaum zu bremsen. Er trotzte selbst der Mangelwirtschaft in der DDR.
Während der berühmte Rennfahrer Heinz Melkus den 20. Jahrestag der DDR nutzte, um seine Produktion des Sportwagens RS 1000 mit dem Segen der staatlichen Obrigkeit in die Tat umzusetzen, wurde auch in den Zwickauer und Eisenacher Automobilschmieden kräftig designt und gezeichnet. Die Formengestalter ließen sich von der allgemeinen Materialknappheit in ihren Entwürfen nicht beirren:
"Ich möchte daran erinnern, dass auch die Konstrukteure und Ingenieure in Zwickau zahlreiche Prototypen hervorgebracht haben, die leider auf Grund politischer und wirtschaftlicher Gründe nie in die Serie überführt wurden. In Zwickau waren die ersten selbst tragenden Karosserien schon beim Trabi entwickelt, die Nachfolgetypen mit Viertakt-Motor, keine Plaste-Karosserie mehr usw. waren alle auf dem Reißbrett oder im Prototypenstadium bereits fertig gestellt."
Seit Mitte der 90er Jahre hat der Automobilbau in Sachsen wieder an Fahrt aufgenommen. Große deutsche Konzerne, wie VW, BMW und Porsche haben sich mit großen Werken und einer gläsernen Manufaktur für Luxuskarossen neu angesiedelt.
Etwa zehn Prozent aller im Freistaat Beschäftigten finden ihr Auskommen in der Automobilindustrie, die auch viele Zulieferfirmen an den Standort gezogen hat. Experten schätzen, dass derzeit rund 65.000 Beschäftigte in mehr als 450 Unternehmen von der Branche im weiteren Sinne abhängig sind.
Der Sport- und Geländerwagenhersteller Porsche erweitert gerade sein Werksgelände für eine zweite Fertigungsstraße für das neue Sportcoupe, den Panamera, der schon 2009 auf den Markt kommen soll.
Unweit von Porsche hat sich im Leipziger Norden BMW angesiedelt mit einem für seine elegante Architektur preisgekrönten Produktions- und Verwaltungsgebäude. Rund 5000 Menschen arbeiten insgesamt in dem Werk, knapp die Hälfte von ihnen direkt für BMW. Jeder neunte weltweit verkaufte BMW wird inzwischen in Leipzig gebaut. Tagtäglich verlassen 650 Stück die Produktion. Im Hauptgebäude sind der Karosseriebau und die Konstruktionsabteilung baulich direkt miteinander verwoben. Kurze schnelle Wege in der Kommunikation sind das Ziel. Über dem Großraumbüro schweben fertige Karosserien auf Laufbändern geräuschlos von A nach B:
"Über uns fahren die Rohkarosserien, wie sie direkt aus dem Karosseriebau kommen, und werden hier durch das Zentralgebäude zur nächsten Station transportiert, so dass alle Mitarbeiter hier in der Verwaltung auch sehen können, wie das Werk gerade läuft."
Leipzig ist das modernste Werk der bayerischen Autobauer, die ihre Wurzeln jedoch gleichfalls eigentlich im Osten haben, nämlich in Eisenach. Somit ist dies auch ein Stück Rückkehr zu den Ursprüngen, sagt Michael Janßen, der Pressesprecher von BMW-Leipzig:
"Ein bisschen könnte man sagen, BMW ist in den Osten Deutschlands zurückgekehrt mit der Fahrzeugproduktion. Die Automobilproduktion von BMW hat 1928/29 in Eisenach mit dem ersten Auto von BMW begonnen, wurde in den 50er Jahren durch die Marke EMW in Eisenach aufrechterhalten, man kann also sagen, wir sind wieder in der Region."
Und auch in Eisenach, wo bereits seit 15 Jahren vom Konzern wieder Maschinen zur Herstellung von Fahrzeugteilen produziert werden. Doch die eigentlich Ausschlaggebenden Gründe für die Rückkehr sieht Jansen nicht in der Historie:
"Wir haben einen Werksstandort für diese neue Fabrik in ganz Europa gesucht und haben uns letztendlich aus mehreren 100 Bewerberstädten und Regionen am Ende für Leipzig entschieden, weil hier einfach die Summe der Einzelfaktoren insgesamt am besten dazu gepasst hat, was wir gesucht haben. Das sind Faktoren, wie beispielsweise die Menschen, die wir in der Region finden, hoch qualifiziert, hoch motiviert …"
Menschen wie Marco Bluhm. Der 19-Jährige ist Lehrling bei BMW, und wird zum Elektroniker für Betriebstechnik ausgebildet. Auch er hat eine Leidenschaft für Autos, sieht sich dabei aber eher weniger in der Tradition eines Emil Hermann Nacke oder eines August Horch:
"Ich bin ja noch jünger und bin so auf Tuning aus, halt na ja, Optik, kann damit herumfahren, bin flexibel, gefällt mir einfach."
Mit seinem Lehrvertrag in diesem Automobilwerk hat sich ein erster Lebenstraum erfüllt.
Peter Melkus ist 53 Jahre alt, Rennfahrer und Autokonstrukteur. Seit Mai vergangenen Jahres arbeitet er in seiner kleinen Dresdner Sportwagen-Manufaktur an der Realisierung eines Traums. Gemeinsam mit seinem 23 Jahre alten Sohn, Sepp, lässt er ganz im Sinne seines berühmten Vaters, Heinz Melkus den legendären DDR-Sportwagen RS 1000 wieder aufleben.
Ein gewagtes Projekt, das den Ehrgeiz hat, ohne Bankkredite auszukommen.
15 Exemplare umfasst die Liste der Bestellungen für den schnittigen Flitzer. Produziert wird gegen Vorkasse, in einer kleinen, unscheinbaren Wagenhalle im Vorgarten eines ganz normalen Wohnhauses auf dem Weißen Hirschen. Vis-a-vis steht das von der Familie Melkus gegründete erste BMW-Autohaus im Osten nach der Wende. Große Fensterflächen geben dort den Blick frei auf hochglanzpolierte Karossen. Gleich daneben, in der unscheinbaren, flachen Wagenhalle herrscht hingegen eher diffuses Licht und drangvolle Enge:
"Also das ist bei uns hier wirklich eine Fertigungsstraße auf engstem Raum, weil auf den 150 oder 200 Quadratmetern, die wir hier zur Verfügung haben, ist es eigentlich ganz schwierig da so etwas zu organisieren, aber es funktioniert."
Vier Fahrzeuge in unterschiedlichen Produktionsstufen sind in zwei Reihen parallel aufgebockt, dazwischen stehen Trennwände. Es riecht nach frischem Lack, und ein wenig wie in einem Bastelladen für Modellbau. Sepp Melkus nimmt Kurs auf ein Rahmengestell an der Stirnwand der Halle. Auf dem Weg dorthin schlängelt er sich vorsichtig an einem fertigen, leuchtend gelben RS 1000 vorbei, der schon ein Nummernschild trägt. Er wird fast komplett von einer Decke verhüllt. Mit Stolz erzählt der 23-jährige Juniorchef:
"Der Wagen ist schon zugelassen, das ist der erste, den wir ausgeliefert hatten, und der hat jetzt praktisch seine erste Durchsicht bekommen, nach 2500 Kilometern, und wird in der nächsten Woche dann wieder an den Kunden übergeben."
Vier Mitarbeiter hat die Manufaktur, Vater und Sohn Melkus haben die Produktionsleitung und bürgen mit ihrem berühmten Namen für die Qualität. Beide sind von der Ausbildung her vom Fach und legen auch, wenn die Zeit es zulässt, selbst Hand an. In jedem Sportwagen stecken zu 97 Prozent die Ideen des Großvaters Heinz Melkus, der vor gut zwei Jahren hoch betagt verstarb:
"Also der Wartburg Rahmen ist natürlich ein Serienteil vom Wartburg, alles andere, der ganze Aufbau, die ganzen Blechverkleidungen, die werden hier wirklich von Hand zurecht geschnitten, und mit einem Hammer zurechtgedengelt, und auch wirklich noch gasgeschweißt, also es ist wirklich noch die klassische, alte Fahrzeugbaukunst."
Im Grunde ist der RS 1000 nichts anderes als ein kaschierter Wartburg. Der Motor ist ein Zweitakter, fährt mit Gemisch und drei Zylindern, und kommt von den serienmäßigen 45 bis 50 PS auf 70 bis 75 "Melkus-PS".
Zu DDR-Zeiten war dieser Sportwagen Kult. Zigtausende von Menschen zog es damals an die Rennstrecken. Alte Fotografien an der Wand des kleinen Betriebsbüros in der Manufaktur zeugen noch heute davon:
"Hier sieht man sie alle, … hier die typischen Bilder aus der DDR, Hunderttausende an der Rennstrecke, … Das ganze Starterfeld RS 1000.
Es gab ja keine Konkurrenz, es gab ja nur den Trabant, den Wartburg und den Melkus, …"
Dieser Sportwagen soll eine Zukunft haben, daher tüfteln Vater und Sohn bereits an einer Weiterentwicklung des Wagens, der, wenn er 2009 wie geplant auf den Markt kommen soll, nur noch äußerlich dem alten Modell gleichen wird. Innen wird der RS 2000 dann zwar auch noch spartanisch, aber dafür deutlich moderner ausgestattet sein, mit VW-Technik und mancher Finesse, an die heute nicht zu denken ist. Derzeit gibt es nur eine Zeichnung an der Wand in der kleinen Werkshalle, im Maßstab 1 zu 1. Der Rest ist unter Verschluss.
Die Internationale Automobilausstellung Leipzig hat in den vergangenen Jahren deutlich Zulauf bekommen. Anfänglich von der großen Konkurrenz aus Frankfurt am Main belächelt, hat sich inzwischen sehr gut etabliert. Im Jahr 2007 steht sie zwar im Schatten der alle zwei Jahre stattfindenden IAA in Frankfurt, nichtsdestotrotz sind alle großen Automobilkonzerne hier mit großen Ständen vertreten, und die Besucher kommen in Scharen. Schon das erste Messewochenende der Leipziger Auto-Schau konnte einen neuen Besucherrekord verzeichnen. Sind die Sachsen also besondere Auto-Freaks?
"Ja natürlich, denn man kann schon sagen, die Wiege des Autos kommt ja aus Sachsen."
"Ich denke, dass viele Sachsen eine besondere Beziehung haben, auch zu den Automobilen, die hier zu DDR-Zeiten gefertigt wurden, und jetzt auch viele persönlich Geschichten zum Vorschein kommen, ansonsten ist der Sachse wahrscheinlich wie jeder deutsche mit dem Auto verbunden, oder auch nicht."
"Früher davon gelebt, mit dem Rennsport, im Sachsenring, Brünn, Teterow, Meissen Speedway. 1954 habe ich angefangen mit der Sache, und man lässt sie nicht wieder los, die Sache."
Verzückt steht dieser Rentner und gelernte Autoschlosser vor einem silberfarbenen, betagten Rennwagen aus dem Hause Melkus. Gleich daneben fachsimpeln zwei ergraute Autofans. Neben den neuen modernen Karossen zeigt diese Automesse auch ausgesuchte Veteranen, sowohl aus dem Rennsport, wie aus der Anfangszeit des Automobilbaus in Sachsen. Eine Attraktion für viele Oldtimer-Freunde.
Wenige Meter weiter am großflächigen Audi-Stand haben sich kleine Grüppchen von betagten Herren an einem schwarz glänzenden – perfekt sanierten - Horch versammelt. Konzentriert studieren sie die Daten auf der Schautafel.
Einer schaut verzückt auf die Karosse, der Grund:
"Mein Schwiegervater, der hat hier bei Horch, … der war Autosattler, der hat womöglich an diesem mitgearbeitet, nicht, nicht jetzt restauriert, aber an dem Original."
Der Name August Horch steht für den Beginn des Automobilbaus in Sachsen. Noch heute stehen prachtvolle Exemplare der von ihm konstruierten Fahrzeuge in Museen und geben Zeugnis von dieser waghalsigen und hochproduktiven Phase deutscher Industriegeschichte. Doch was nur wenige wissen ist, dass die eigentlichen Ursprünge dieser Branche in Coswig bei Dresden liegen.
"Emil Herrmann Nacke hatte im Jahr 1900 bereits, als erster Sachse in Coswig begonnen, Automobile zu bauen. Besonders genial war an ihm, dass er im Automobilbau eine Art Autodidakt war, aber dass er als Maschinenfabrikant sich nie mit Halbheiten abgegeben hat, er hat immer die Entwicklung so vorangetrieben, dass die Entwicklung sich auch durchsetzen kann, also nicht auf halben Wege aufgegeben, Nacke hat also auch im Automobilbau von vornherein Automobile gebaut, die keine Versuchskaninchen waren, wie er selbst sagte."
Thomas Giesel ist Diplom-Ingenieur und Kustos für Kraftverkehr am Verkehrsmuseum in Dresden. Intensiv hat er sich in den zurückliegenden Jahren mit der Person und dem Werk Emil Hermann Nackes beschäftigt. In Kürze wird eine Publikation über diesen sächsischen Autobauer der ersten Stunde erscheinen. Doch ein Auto aus seiner Fabrikation hat das Museum leider nicht. Nackes Werke gibt es nicht mehr, sie sind ebenso wie sein Name in der Bedeutungslosigkeit versunken.
"Das Problem ist, dass Nacke seine Automobilproduktion, die Pkw-Produktion bereits vor dem Ersten Weltkrieg einstellen musste, auf Grund der hohen Nachfrage und des relativ hohen Preises waren seine Pkw nicht mehr wettbewerbsfähig. Nacke hatte aber bereits 1905 begonnen, Nutzfahrzeuge zu bauen, zum Beispiel für den sächsischen Hof einen Omnibus zu bauen und damit war er auch der erste in Sachsen, der Nutzfahrzeuge baute, also schwere Lkw und Busse."
Mit dem Tod Emil Hermann Nackes im Jahr 1933 kam das endgültige Aus für seine Autofabrikation in Coswig. Mit der Folge, dass es bei Kriegsende 1945 kaum noch Ersatzteile für seine inzwischen betagten Modelle gab. Damit war das Ende der Marke und der Untergang ihres Namens besiegelt.
In der Geschichte des sächsischen Automobilbaus fand der Name Nacke lange Jahre keine Nische. Das soll ich nach dem Willen des Kustos im Verkehrsmuseum nun ändern. In der von ihm betreuten Ausstellung alter Automobile aus sächsischer Produktion findet sich so manche Rarität, so zum Beispiel der PILOT, aus Bannewitz bei Dresden. Er ist das wohl wertvollste Unikat der Sammlung. Seine Geburtsstunde schlug in einem kleinen Betrieb, der sich ebenso wie viele andere Firmen nach dem Abschluss des Versailler Vertrages ein neues Tätigkeitsfeld suchen musste.
"Ja der Pilot ist entstanden aus der Not heraus, die Fabrik war ursprünglich eine chemische Fabrik, zur Herstellung von Klebstoffen und Bleichmitteln. Nach dem Ersten Weltkrieg hat man versucht in dieser Fabrik Automobile zu bauen, man hat Ingenieure eingekauft, die eigenen Automobile entwickelt haben, mit verschiedenen Motorisierungen, mit verschiedenen Karosserien, in verschiedenen Preisklassen, und diese Automobile sind dann ab 1921 auf den Markt gekommen. Wir wissen nicht exakt, wie viele Automobile bei Pilot in Bannewitz gebaut worden sind, wir schätzen dass es um die 300 bis 500 Fahrzeuge waren, aber dieses Fahrzeug in unserem Haus, mit seiner offenen Phaeton-Karosserie ist der einzige, der mir bekannt ist."
Der sprichwörtliche Erfindergeist der sächsischen Autokonstrukteure war auch Jahrzehnte später kaum zu bremsen. Er trotzte selbst der Mangelwirtschaft in der DDR.
Während der berühmte Rennfahrer Heinz Melkus den 20. Jahrestag der DDR nutzte, um seine Produktion des Sportwagens RS 1000 mit dem Segen der staatlichen Obrigkeit in die Tat umzusetzen, wurde auch in den Zwickauer und Eisenacher Automobilschmieden kräftig designt und gezeichnet. Die Formengestalter ließen sich von der allgemeinen Materialknappheit in ihren Entwürfen nicht beirren:
"Ich möchte daran erinnern, dass auch die Konstrukteure und Ingenieure in Zwickau zahlreiche Prototypen hervorgebracht haben, die leider auf Grund politischer und wirtschaftlicher Gründe nie in die Serie überführt wurden. In Zwickau waren die ersten selbst tragenden Karosserien schon beim Trabi entwickelt, die Nachfolgetypen mit Viertakt-Motor, keine Plaste-Karosserie mehr usw. waren alle auf dem Reißbrett oder im Prototypenstadium bereits fertig gestellt."
Seit Mitte der 90er Jahre hat der Automobilbau in Sachsen wieder an Fahrt aufgenommen. Große deutsche Konzerne, wie VW, BMW und Porsche haben sich mit großen Werken und einer gläsernen Manufaktur für Luxuskarossen neu angesiedelt.
Etwa zehn Prozent aller im Freistaat Beschäftigten finden ihr Auskommen in der Automobilindustrie, die auch viele Zulieferfirmen an den Standort gezogen hat. Experten schätzen, dass derzeit rund 65.000 Beschäftigte in mehr als 450 Unternehmen von der Branche im weiteren Sinne abhängig sind.
Der Sport- und Geländerwagenhersteller Porsche erweitert gerade sein Werksgelände für eine zweite Fertigungsstraße für das neue Sportcoupe, den Panamera, der schon 2009 auf den Markt kommen soll.
Unweit von Porsche hat sich im Leipziger Norden BMW angesiedelt mit einem für seine elegante Architektur preisgekrönten Produktions- und Verwaltungsgebäude. Rund 5000 Menschen arbeiten insgesamt in dem Werk, knapp die Hälfte von ihnen direkt für BMW. Jeder neunte weltweit verkaufte BMW wird inzwischen in Leipzig gebaut. Tagtäglich verlassen 650 Stück die Produktion. Im Hauptgebäude sind der Karosseriebau und die Konstruktionsabteilung baulich direkt miteinander verwoben. Kurze schnelle Wege in der Kommunikation sind das Ziel. Über dem Großraumbüro schweben fertige Karosserien auf Laufbändern geräuschlos von A nach B:
"Über uns fahren die Rohkarosserien, wie sie direkt aus dem Karosseriebau kommen, und werden hier durch das Zentralgebäude zur nächsten Station transportiert, so dass alle Mitarbeiter hier in der Verwaltung auch sehen können, wie das Werk gerade läuft."
Leipzig ist das modernste Werk der bayerischen Autobauer, die ihre Wurzeln jedoch gleichfalls eigentlich im Osten haben, nämlich in Eisenach. Somit ist dies auch ein Stück Rückkehr zu den Ursprüngen, sagt Michael Janßen, der Pressesprecher von BMW-Leipzig:
"Ein bisschen könnte man sagen, BMW ist in den Osten Deutschlands zurückgekehrt mit der Fahrzeugproduktion. Die Automobilproduktion von BMW hat 1928/29 in Eisenach mit dem ersten Auto von BMW begonnen, wurde in den 50er Jahren durch die Marke EMW in Eisenach aufrechterhalten, man kann also sagen, wir sind wieder in der Region."
Und auch in Eisenach, wo bereits seit 15 Jahren vom Konzern wieder Maschinen zur Herstellung von Fahrzeugteilen produziert werden. Doch die eigentlich Ausschlaggebenden Gründe für die Rückkehr sieht Jansen nicht in der Historie:
"Wir haben einen Werksstandort für diese neue Fabrik in ganz Europa gesucht und haben uns letztendlich aus mehreren 100 Bewerberstädten und Regionen am Ende für Leipzig entschieden, weil hier einfach die Summe der Einzelfaktoren insgesamt am besten dazu gepasst hat, was wir gesucht haben. Das sind Faktoren, wie beispielsweise die Menschen, die wir in der Region finden, hoch qualifiziert, hoch motiviert …"
Menschen wie Marco Bluhm. Der 19-Jährige ist Lehrling bei BMW, und wird zum Elektroniker für Betriebstechnik ausgebildet. Auch er hat eine Leidenschaft für Autos, sieht sich dabei aber eher weniger in der Tradition eines Emil Hermann Nacke oder eines August Horch:
"Ich bin ja noch jünger und bin so auf Tuning aus, halt na ja, Optik, kann damit herumfahren, bin flexibel, gefällt mir einfach."
Mit seinem Lehrvertrag in diesem Automobilwerk hat sich ein erster Lebenstraum erfüllt.