Der Sammler Rik Reinking

Jenseits des Mainstreams

05:56 Minuten
Der Kunstsammler Rik Reinking in seinem Hamburger Büro.
Interessiert sich nicht nur für die großen Namen der Szene: Der Hamburger Sammler Rik Reinking. © picture alliance/dpa/Bodo Marks
Von Anette Schneider |
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Rik Reinkings Sammlung zeitgenössischer Kunst gilt als eine der spannendsten des Landes: Damien Hirst, Bruce Nauman oder Jonathan Meese gehören dazu, aber auch noch Unbekannte. Jetzt hat der Hamburger eine ehemalige Schule als Ausstellungsort entdeckt.
"Das ist schon wirklich einzigartig. Wir haben hier diese Parklandschaftsanlage. Da oben dieses Arboretum im englischen Parkstil angelegt."
Lange hatte Rik Reinking einen passenden Ort für seine Sammlung gesucht. Jetzt erfüllt er sich im Südosten von Hamburg auf einem riesigen Parkgelände mit zahlreichen alten Gebäuden und einer 2014 geschlossenen Schule einen Traum: "Tatsächlich einen Ort zu schaffen für Kunst und Kultur, für Musik, Literatur, für darstellende und bildende Kunst. Ein Rückzugsort, wo man als Kreativer auch mal zu sich findet, tatsächlich. Und eben auf Gleichgesinnte trifft."
Seine Sammlung wird im einstigen Schulgebäude einziehen. Das ist ein faszinierender Backsteinbau mit einem Glasgang um einen viereckigen Platz, von dem zahlreiche hohe Säle mit etwa sieben Meter hohen Fensterfronten zum Park abgehen – die ehemaligen Klassenräume. Jetzt stehen noch überall Kisten, lehnen an den Wänden Gemälde.
"Der Innenhof ist für Skulpturen. Das ist jetzt gerade genau diese Phase zwischen Bilder reinschleppen, Bilder hängen, Skulpturen bewegen. Genau."

Es geht ihm nicht um große Namen

Bruce Nauman, Damien Hirst, Santiago Sierra oder Monica Bonvicini – Rik Reinking besitzt eine Menge Arbeiten international bekannter Künstler, die er kaufte, als sie noch nicht berühmt waren. Denn ihm geht es nicht um große Namen, sondern um Inhalte. Um eine Kunst, die Haltung bezieht zur Welt, die unbequem ist, schmerzt, beunruhigt.
"Es gibt etwas zutiefst Menschliches, was alles miteinander verbindet. Das klingt irgendwie auch nach 'Alles' und 'Leben'. Es gibt so Themen, da geht es um An- und Abwesenheit ... Wir können auch einfach mal hier rein, da sind wir gerade am Aufbauen: Hermann Nitsch, ein Blutschüttbild. Hier auf der Rückseite steht ein Schädel aus Mexiko. Das sind Dialoge, die man so nicht erwartet, die man im klassischen Museum auch so nicht findet, die aber vielleicht uns helfen, um einzutauchen in die Kunst. Dass wir uns drauf einlassen."

Rundumschlag gegen den Kunstbetrieb

Rik Reinking, Sohn aus wohlhabender Familie, sammelt seit über 20 Jahren. Genau so lange verfolgt er dabei seinen eigenen Weg: Auf Jahresausstellungen der Akademien entdeckte er junge Maler wie Till Gerhard oder Henning Kles, die er seitdem begleitet. Werner Büttners "dreckige" Malerei kaufte er schon, da verdrehten Museen und Sammler noch die Augen über sie. Und dann holt der 43-Jährige aus zum Rundumschlag gegen den Kunstbetrieb.
"Ich verstehe nicht, warum wir – egal in welches Museum wir fahren –, einmal quer durch die Nation, einmal quer um die Welt – überall hängen dieselben Bilder an der Wand. Es geht nur noch ums Ego: 'Haben wir den und den Künstler auch?'. Anstatt zu gucken: Wo sind die regionalen Qualitäten? Weil: Das fällt ja komplett raus! Und gerade in Hamburg haben wir da ja ein riesiges Problem, weil diese Künstler ja überhaupt gar nicht stattfinden. Und das ist mir dann ein Fest, das hier zu machen."

Urban Art hängt auch bei ihm

Ein "Macher", ein Anstifter und Vermittler in Sachen Kunst war Rik Reinking schon früh: Während des Jura- und Kunststudiums organisierte er im Alten Hamburger Elbtunnel eine Ausstellung junger Hamburger Künstler, richtete auf Kampnagel einen Raum für zeitgenössische Kunst ein. Und seit Jahren verleiht er seine Arbeiten nicht nur an Museen, sondern entwickelt mit diesen auch Ausstellungen, so dass viele seiner Stücke ständig unterwegs sind.
Die Graffiti von Banksy hängen dagegen schon. Auch Urban Art interessierte Reinking schon, als andere sie noch nicht einmal mit spitzen Fingern angefasst hätten.
"Das ist ja auch etwas, was ich immer wieder erlebt habe mit Werken, für die man belächelt wurde – wo dann später irgendwie alle standen und gesagt haben: 'Wow, wow, wow, wow!' Und es hat sich nichts verändert, nur der Preis. Ist ja dasselbe Bild geblieben. Und wenn man so etwas immer wieder erlebt hat, macht man sich davon frei.

Ein ruhiger, verwunschener Ort für die Kunst

Jenseits des Mainstreams war es immer schon interessanter. Und so kann man in der Sammlung Wolfgang Petricks Gemälde aus den späten 1970er Jahren entdecken, die schon in zahlreichen Räumen hängen: Wuchtige Apokalypsen über herrschende Macht und Gewalt – gesellschaftliche Verhältnisse, in denen wir noch immer feststecken.
Überhaupt scheint der ruhige, verwunschene Ort, den Reinking für seine Sammlung gefunden hat, ideal, um sich mit viel Ruhe und Zeit einzulassen auf Neues und Unbekanntes.
"Der Plan ist, dass wir samstags, sonntags und montags uns der Öffentlichkeit öffnen. Und der Rest der Woche ist dann in Ruhe für die Kreativen, die dann hier vor Ort sind und arbeiten. Und man kann dann Führungen buchen."
Im September soll es langsam losgehen. Ein großes Eröffnungsfest ist für nächstes Frühjahr geplant. "Wir machen das ganz langsam. Das darf man nicht vergessen: Das ist privat. Wir machen das so, wie wir wollen und können."
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