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55:51 Minuten
Er galt zwar als Pionier experimentellen Musiktheaters, doch hat er nichts weniger als die Idee einer Musik des 21. Jahrhunderts entworfen. Mit seiner interkommunikativen Ausrichtung war Hans Wüthrich in der Kunst stets eine Dimension voraus. Am 20. März ist er gestorben.
Hans Wüthrich hat ein neues Musiktheater erfunden, wie es niemand kannte: lebendig, vielgestaltig und voller Esprit. Dabei hat er von vorneherein multimedial gedacht und früh schon Techniken verwendet, die als Domäne des Computer- und Video-Zeitalters gelten.
Musik war für ihn nicht nur eine Frage von Kommunikation, sondern wesentlich Kommunikation über Kommunikation. Es ging ihm darum, die Schwierigkeiten von Verständigung zu thematisieren, und genau aus diesem Ansatz resultieren sowohl die bezauberndsten als auch die abgründigsten Momente seiner Kunst.
Musik war für ihn nicht nur eine Frage von Kommunikation, sondern wesentlich Kommunikation über Kommunikation. Es ging ihm darum, die Schwierigkeiten von Verständigung zu thematisieren, und genau aus diesem Ansatz resultieren sowohl die bezauberndsten als auch die abgründigsten Momente seiner Kunst.
1937 im schweizerischen Aeschi geboren, hatte Hans Wüthrich zunächst Klavier, Musiktheorie und Komposition studiert, bevor er sich der Deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft, Philosophie und Musikwissenschaft zuwendete. Aus diesen verschiedenen Richtungen speiste sich auch sein übergreifendes Interesse, wenn es um seine kompositorischen Arbeiten ging.
Offene Kommunikationsstrukturen
Vor allem Kommunikationsstrukturen, die ein Eigenleben entfalten, waren es, die Hans Wüthrich immer wieder beschäftigt haben. Dabei interessierten ihn diese nie nur theoretisch, sondern er hat, so der Musikjournalist Max Nyfeller, "mehrfach neue Wege aufgezeigt, wie der Verhärtung des Denkens und des Handelns - des ästhetischen wie des sozialen - zu entgehen wäre."
Da gibt es zum Beispiel partnerorientierte Stücke, die mit einem Gegenüber erst erarbeitet werden müssen, oder Wüthrich entwirft "kybernetische", also selbstregulatorische Systeme. In jedem Fall geht es um das Aufbrechen hierarchischer Strukturen. Dies gilt auch für die reine Instrumentalmusik, denn, so der Komponist Daniel Ott, "Hans Wüthrich erfand für jedes seiner Musiktheater-, Orchester- und Kammermusikwerke eine eigene, von niemandem je zuvor gehörte Sprache."
Da gibt es zum Beispiel partnerorientierte Stücke, die mit einem Gegenüber erst erarbeitet werden müssen, oder Wüthrich entwirft "kybernetische", also selbstregulatorische Systeme. In jedem Fall geht es um das Aufbrechen hierarchischer Strukturen. Dies gilt auch für die reine Instrumentalmusik, denn, so der Komponist Daniel Ott, "Hans Wüthrich erfand für jedes seiner Musiktheater-, Orchester- und Kammermusikwerke eine eigene, von niemandem je zuvor gehörte Sprache."
Berauschender Esprit
Das Ergebnis eröffnet jeweils ungewohnte Perspektiven auf den Kommunikationsprozess und erzeugt auch beim Zuhörer eine aufmerksame Haltung, die oft in Betroffenheit und noch öfter in befreiendes Lachen mündet. Denn dass Hans Wüthrich durch und durch ein Theatermann war, zeigt sich in seiner szenischen Phantasie, dem berauschenden Esprit seiner Stücke.
Mit Musik aus verschiedenen Schaffensbereichen erinnern wir an den außergewöhnlichen Künstler. Dabei kommt auch der Komponist Mathias Spahlinger zur Wort, mit dem der Musikjournalist Bernd Künzig im Jahr 2010 ein Gespräch für die Reihe "Composer’s composer" des SWR geführt hatte. Spahlinger spricht über Wüthrichs Denken und Arbeiten, über den darin entfalteten Beziehungsreichtum und Hans Wüthrichs künstlerischen Vorgriff auf ein menschenwürdiges Dasein.
Einen "internationalen Geheimtipp" hat der Schweizer Rundfunk Hans Wüthrich genannt. So paradox es scheint, diese Contradictio in Adjecto trifft es genau. Wie ein stiller Riese arbeitete Hans Wüthrich unbeirrt an seiner Musik, mit der Musik an der Kunst und mit der Kunst an der Welt.
(nau)