Der schwierige Alltag einer vielbeschäftigten Schauspielerin und Mutter
Eva Mattes´ Erinnerungen sind nun als Hörbuch erschienen - gelesen von der Schauspielerin selbst. Sie dramatisiert nicht wie in ihren großen Bühnenrollen, sondern erzählt unprätentiös, ohne Starallüren und mit Bodenhaftung von ihrem Alltag.
"'Wir können nicht alle wie Berta sein' ist mein Lieblingszitat aus dem Theaterstück 'Die Wildente' von Henrik Ibsen. Berta gibt es nicht als Rolle, es wird nur über sie gesprochen. Sie gilt als Beispiel für jemanden, der sein Leben meistert."
Genau wie Eva Mattes selbst. Sie hat sich viel abverlangt. Temperamentvoll erzählt sie davon, wenn sie in ihrer Autobiographie knapp 50 Jahre Theater- und Filmgeschichte Revue passieren lässt. Mit einem Hauch von Selbstironie klingt sie immer lapidar und souverän, selbst bei zweifelhaften Komplimenten wie dem zu ihrer Rolle in Michael Verhoevens Anti-Vietnam-Film "o.k".
"Im Stern gab es später einen Bericht über die Dreharbeiten, mit einem Foto von mir, wie ich gerade aus dem Wasser auftauche. Unter dem Bild stand: "Keine Schönheit, aber ein schauspielerisches Urvieh.""
Ohne jemals eine Schauspielschule besucht zu haben, macht Eva Mattes Karriere. Sie riskiert viel. 1972 zum Beispiel sorgt sie in der Uraufführung von Franz Xaver Kroetz' "Stallerhof" für einen Skandal, weil sie nackt auf der Bühne zu sehen ist. Sie liebt die Extreme, sie liebt die Herausforderungen. Trotz ihres steilen Aufstiegs kennt sie aber auch Rückschläge, Selbstzweifel, Depressionen.
"Ich dachte, das war's also mit dem Theater, jetzt stellt sich heraus, dass du gar nicht begabt bist, dass du gar nichts kannst. Nicht einmal Kellnerin kannst du jetzt noch werden, denn rechnen kannst auch nicht, weil du nicht in der Schule warst."
Mit viel Spaß an der Pointe führt sie vor, wie sie das Metier erlernt, indem sie es ausprobiert. Und sie schaut sich die Tricks bei den Großen ab, sie ahmt nach. Elisabeth Flickenschildt zum Beispiel, die Grande Dame der Gründgens-Ära.
"Plötzlich ging die Tür auf, und sie stand da. Eine Erscheinung. Sie betrat den kleinen Raum wie eine große Bühne, warf den Kopf leicht in den Nacken und sagte, beziehungsweise hauchte auf ihre unnachahmliche Art: 'Guten Tag, Flickenschildt'."
Als der Mann in ihr Leben tritt, dem sie in ihrer Theaterlaufbahn am meisten verdankt, stehen die Zeichen zunächst auf Sturm.
"Peter Zadek inszeniert bei uns die Wildente, und du spielst die Hedwig, eröffnete mir unser Oberspielleiter Dieter Giesing im April 1975. Zadek will dich zwar nicht, aber eine andere hat er nicht gefunden, also spielst du die die Rolle. Zadek will mich nicht? Was für eine Unverschämtheit! ... Ich werde kalt und abweisend sein, mit diesem Vorsatz gehe ich auf die Leseprobe."
Daraus wird dann nichts. Denn Eva Mattes geht Schwierigkeiten immer frontal an, auf der Bühne wie im Leben. Sie kämpft gegen Zadek, sie bewundert ihn, er zeigt ihr Grenzen auf, die sie überwindet. Die Desdemona in Shakespeares "Othello", mit der sie später berühmt wurde, soll sie "mal italienisch spielen".
"Am nächsten Morgen betrat ich die Bühne, schlug vor meinem inneren Auge eine italienische Speisekarte auf und vermischte die Gerichte und einige italienische Phrasen, die ich kannte, zu einem leidenschaftlichen Monolog, den ich meinem Vater hielt, um ihn von meiner Liebe zu Othello zu überzeugen: 'Padre mio! Spaghetti Bolognese, Carbonara, Zuppa inglese, Pizza ... primadonna assoluta, perdono, Ossobuco, perdono.""
Neben dem Theateralltag erzählt sie auch viel Privates, von Freundschaften, Parties, von ihren Lieben, auch unglücklichen wie der zu Werner Herzog. So diskret wie die Autorin dabei verfährt, so zurückgenommen ist auch die Sprecherin Eva Mattes. Erzählt sie von ihren Kindern, die von Anfang an eingebunden waren in den schwierigen Alltag einer vielbeschäftigten Schauspielerin und Mutter, klingt sie wie das wirkliche Leben.
"'Hanna, ich hab dich wahnsinnig lieb, aber das Theater liebe ich auch ... außerdem bleibt mein Herz, wenn ich weggehe, immer bei deinem.' Ich nahm mein Herz in meine Hände, legte es neben ihres auf ihre Brust und bat sie, darauf aufzupassen. Sie hörte auf zu weinen und sah mich mit großen Augen an."
Das Hörbuch zeigt eine andere Eva Mattes. Sie dramatisiert nicht wie in ihren großen Bühnenrollen. Ihre eigenen Sätze intoniert sie eher verhalten. Sie erzählt unprätentiös und ohne Starallüren, mit Bodenhaftung. Auf bestechende Weise immun gegen den Ruhm, geht sie gnadenlos ehrlich mit sich selbst um. Freundschaftlich bis bewundernd ist ihr Blick auf Kollegen, auf Klaus Kinski, Gert Voss, Ulrich Wildgruber oder Angela Winkler. "Wir können nicht alle wie Berta sein" ist eine wunderbare Huldigung an das Kino, an das Theater. Und an den Trotz als Überlebenskunst.
"Bei Was ihr wollt' ... hatte er mir einmal zugerufen: 'Liebling, du hast dir da in den letzten Jahren so eine schöne Stimme angewöhnt, grauenvoll, kannst du mal wieder normal sprechen? ... . Wütend ging ich von der Bühne ab, um erneut aufzutreten, die Szene von vorne zu beginnen, diesmal aus purem Trotz mit einer hässlich kreischenden Hexenstimme."
Besprochen von Edelgard Abenstein
Eva Mattes: Wir können nicht alle wie Berta sein
Gelesen von der Autorin
Hörbuch-Hamburg, Hamburg 2011
6 CDs, 24,99 Euro
Genau wie Eva Mattes selbst. Sie hat sich viel abverlangt. Temperamentvoll erzählt sie davon, wenn sie in ihrer Autobiographie knapp 50 Jahre Theater- und Filmgeschichte Revue passieren lässt. Mit einem Hauch von Selbstironie klingt sie immer lapidar und souverän, selbst bei zweifelhaften Komplimenten wie dem zu ihrer Rolle in Michael Verhoevens Anti-Vietnam-Film "o.k".
"Im Stern gab es später einen Bericht über die Dreharbeiten, mit einem Foto von mir, wie ich gerade aus dem Wasser auftauche. Unter dem Bild stand: "Keine Schönheit, aber ein schauspielerisches Urvieh.""
Ohne jemals eine Schauspielschule besucht zu haben, macht Eva Mattes Karriere. Sie riskiert viel. 1972 zum Beispiel sorgt sie in der Uraufführung von Franz Xaver Kroetz' "Stallerhof" für einen Skandal, weil sie nackt auf der Bühne zu sehen ist. Sie liebt die Extreme, sie liebt die Herausforderungen. Trotz ihres steilen Aufstiegs kennt sie aber auch Rückschläge, Selbstzweifel, Depressionen.
"Ich dachte, das war's also mit dem Theater, jetzt stellt sich heraus, dass du gar nicht begabt bist, dass du gar nichts kannst. Nicht einmal Kellnerin kannst du jetzt noch werden, denn rechnen kannst auch nicht, weil du nicht in der Schule warst."
Mit viel Spaß an der Pointe führt sie vor, wie sie das Metier erlernt, indem sie es ausprobiert. Und sie schaut sich die Tricks bei den Großen ab, sie ahmt nach. Elisabeth Flickenschildt zum Beispiel, die Grande Dame der Gründgens-Ära.
"Plötzlich ging die Tür auf, und sie stand da. Eine Erscheinung. Sie betrat den kleinen Raum wie eine große Bühne, warf den Kopf leicht in den Nacken und sagte, beziehungsweise hauchte auf ihre unnachahmliche Art: 'Guten Tag, Flickenschildt'."
Als der Mann in ihr Leben tritt, dem sie in ihrer Theaterlaufbahn am meisten verdankt, stehen die Zeichen zunächst auf Sturm.
"Peter Zadek inszeniert bei uns die Wildente, und du spielst die Hedwig, eröffnete mir unser Oberspielleiter Dieter Giesing im April 1975. Zadek will dich zwar nicht, aber eine andere hat er nicht gefunden, also spielst du die die Rolle. Zadek will mich nicht? Was für eine Unverschämtheit! ... Ich werde kalt und abweisend sein, mit diesem Vorsatz gehe ich auf die Leseprobe."
Daraus wird dann nichts. Denn Eva Mattes geht Schwierigkeiten immer frontal an, auf der Bühne wie im Leben. Sie kämpft gegen Zadek, sie bewundert ihn, er zeigt ihr Grenzen auf, die sie überwindet. Die Desdemona in Shakespeares "Othello", mit der sie später berühmt wurde, soll sie "mal italienisch spielen".
"Am nächsten Morgen betrat ich die Bühne, schlug vor meinem inneren Auge eine italienische Speisekarte auf und vermischte die Gerichte und einige italienische Phrasen, die ich kannte, zu einem leidenschaftlichen Monolog, den ich meinem Vater hielt, um ihn von meiner Liebe zu Othello zu überzeugen: 'Padre mio! Spaghetti Bolognese, Carbonara, Zuppa inglese, Pizza ... primadonna assoluta, perdono, Ossobuco, perdono.""
Neben dem Theateralltag erzählt sie auch viel Privates, von Freundschaften, Parties, von ihren Lieben, auch unglücklichen wie der zu Werner Herzog. So diskret wie die Autorin dabei verfährt, so zurückgenommen ist auch die Sprecherin Eva Mattes. Erzählt sie von ihren Kindern, die von Anfang an eingebunden waren in den schwierigen Alltag einer vielbeschäftigten Schauspielerin und Mutter, klingt sie wie das wirkliche Leben.
"'Hanna, ich hab dich wahnsinnig lieb, aber das Theater liebe ich auch ... außerdem bleibt mein Herz, wenn ich weggehe, immer bei deinem.' Ich nahm mein Herz in meine Hände, legte es neben ihres auf ihre Brust und bat sie, darauf aufzupassen. Sie hörte auf zu weinen und sah mich mit großen Augen an."
Das Hörbuch zeigt eine andere Eva Mattes. Sie dramatisiert nicht wie in ihren großen Bühnenrollen. Ihre eigenen Sätze intoniert sie eher verhalten. Sie erzählt unprätentiös und ohne Starallüren, mit Bodenhaftung. Auf bestechende Weise immun gegen den Ruhm, geht sie gnadenlos ehrlich mit sich selbst um. Freundschaftlich bis bewundernd ist ihr Blick auf Kollegen, auf Klaus Kinski, Gert Voss, Ulrich Wildgruber oder Angela Winkler. "Wir können nicht alle wie Berta sein" ist eine wunderbare Huldigung an das Kino, an das Theater. Und an den Trotz als Überlebenskunst.
"Bei Was ihr wollt' ... hatte er mir einmal zugerufen: 'Liebling, du hast dir da in den letzten Jahren so eine schöne Stimme angewöhnt, grauenvoll, kannst du mal wieder normal sprechen? ... . Wütend ging ich von der Bühne ab, um erneut aufzutreten, die Szene von vorne zu beginnen, diesmal aus purem Trotz mit einer hässlich kreischenden Hexenstimme."
Besprochen von Edelgard Abenstein
Eva Mattes: Wir können nicht alle wie Berta sein
Gelesen von der Autorin
Hörbuch-Hamburg, Hamburg 2011
6 CDs, 24,99 Euro