Der singende Matrose

Von Renate Dobratz |
"Nagelritz singt Ringelnatz" so hieß sein erstes Programm, mit dem er 2005 den Hamburger Comedy-Pokal gewonnen hat. Jetzt ist der Komiker und Musiker Dirk Langer mit seinem zweiten Bühnensolo unterwegs: "Nagelritz und die Drei-Seemeilen-Kapelle". Ein singender Matrose - der sein Publikum zum Lachen und fast zum Weinen bringt.
Er ist tätowiert und erzählt von großen Abenteuern auf hoher See und mit den Frauen im Hafen. Sein Kumpel Hinnerk ist immer mit dabei und gibt ihm Weisheiten mit, die frisch aus der Flasche kommen.

"Wir sind betrunken wie die Wellen im stillen Ozean, das hat uns armen Gesellen der Whisky angetan. Wir glotzen in das Leben wie ein gekochter Fisch und wenn wir uns erheben, dann liegen wir unterm Tisch."

Dirk Langer spielt den singenden Seemann. Er präsentiert damit Ringelnatz-Gedichte, die voller Sehnsucht, Melancholie und Frivolitäten stecken. Die Texte stammen von Anfang des letzten Jahrhunderts und sind in ihrer absurden Tragikomik nicht einfach, einem modernen Publikum nahe zu bringen. Also erfand Langer den naiven Matrosen, der von der Seefahrt erzählt und singt, und nannte ihn "Nagelritz".

"Was ich bei meinem ersten Zeitungsartikel schwer bereut hab, da schrieb der Journalist ‚Nagelfritz sang stimmgewaltig’. und das ist schon auch manchmal so, dass die Leute erstmal über diesen Namen stolpern, aber wenn sie ihn dann haben, haben sie ihn."

"Nagelritz" hat als Sänger der Ringelnatz-Lieder ein Eigenleben bekommen: Ein Schiffsjunge aus dem letzten Jahrhundert trifft auf die Welt von heute. Einer, der gern cool sein würde, aber es gar nicht ist. Selbstironisch vorgetragen, bietet diese Kombination auch heute viel Stoff zum Lachen. Immer angelehnt an Joachim Ringelnatz: Der wollte als Jugendlicher die Abenteuer auf hoher See. Er wurde Matrose, aber an Bord nur schikaniert und machte später daraus bittere, ironische Verse. So ist auch "Nagelritz" eigentlich ein gebrochener Held – ständig schimmert sein Heimweh durch, nach zu Hause und nach "Mama".

"Wisst ihr, manchmal hab ich richtig dolles Heimweh nach meiner Mama… Peter Bürmann, dieser Psychologiestudent hat immer gesagt: ‚Du und deine Mama, du hast doch nicht nur Heimweh, du hast doch’n Oktopus-Komplex! Du hängst doch immer nur mit deinen Tentakeln an deiner Mama!’"

Dirk Langer ist mit seinem Publikum in Kontakt: Schon vor seinen Auftritten mischt er sich als Matrose unter die Leute und spielt sich in seine Rolle ein: Frauen anbaggern und Ahoi-Brause verschenken.

"Die Leute fragen mich ja machmal: Mensch, Ahoi-Brause! Gibt’s denn das wieder? Das hat’s ja all die Jahre gegeben! Haben wir Containerweise rüber nach Honolulu gebracht, mit ner Dänischen Reederei. Jetzt ist die Reederei pleite gegangen, ham wir kein Geld als Heuer gekriegt, sondern jeder einen Container mit Brause."

Lustig und traurig gehören für Dirk Langer zusammen: Er glaubt, dass man sich gerne von verschiedenen Stimmungen berühren lässt und dass Lachen danach noch viel schöner ist.

"Herr Steuermann, ach Steuermann, mein Herz ist gar so schwer. So bind ein gutes Stück Eisen dran und wirf es über Bord ins Meer…"

"Das wünsch ich mir immer, dass das bei meinen Auftritten funktioniert, dass ich die Leute in verschiedene Gefühle und verschiedene Stimmungen führen kann. Ja, und in dem Moment versteh ich mich nicht einfach als Comedian, sondern eben als das, was ich da mache und da geht’s auch darum, dass ich die Leute auch ja, in andere Gefühle bringe."

Der 36-Jährige hat viel probiert, um seine Kunst zu finden: Er musste dabei allerdings nie das Deck eines Schiffes schrubben. Er wuchs in Gelsenkirchen auf und machte auf der Waldorfschule erste Erfahrungen mit Theater und Kabarett. Dann studierte er Germanistik und Kunst in Bremen, spielte nebenher Figurentheater und absolvierte Schauspielkurse und Akademien.

"Also das ging über acht Ecken, bis ich angefangen hab zu singen und dann hab ich eigentlich erst’n roten Faden gekriegt. Und in dem Moment hat sich alles, mit dem ich mich vorher beschäftigt hab, eingegliedert, in das was ich tue."

"… Sage mir doch, dass heut Sonntag sein soll, Magarete, sag! Magarete mein schöner, dein freier… einzig freier Tag! Dadadaaa…"

Kleinkunst in allen möglichen Facetten in einer Person: Er komponiert und singt, begleitet sich selbst auf dem Akkordeon und die Tätowierungen malt er sich selbst auf die Arme. Und er erzählt natürlich die Geschichten mit "Nagelritz" und seinen Kumpels. Dirk Langer, der in Bremen ganz sesshaft geworden ist, ähnelt dem Schiffsjungen, der um die Welt zieht – mit einer coolen, harten Schale und einem sanften, oft melancholischen Wesenskern. "Nagelritz" flirtet am liebsten mit den Frauen. Und Dirk Langer flirtet am liebsten mit seiner Verwechslung als "Nagelritz".

"Naja, ich komm direkt von der Bühne, bin im Kostüm und die Leute fragen mich: Und, jetzt sagen Sie doch mal, sind Sie zur See gefahren? Dann haben die Leute mich einfach erwischt, wenn ich noch in meiner Rolle bin und dann sag ich: Natürlich bin ich zur See gefahren. Mit meinem Freund Hinnerk, 15 Jahre. Und wenn ich sie dann ganz vertraulich zur Seite nehme und sach ‚Nein, es waren nur fünf Jahre’ lach, dann glauben sie’s natürlich. und das sollen sie auch glauben. Sie sollen glauben, meine Tätowierungen sind echt und Hinnerk ist echt und ich hab heut Nacht bei meiner Süßen übernachtet."