Impuls – Sinus – Rauschen (1/3)
Die perfekte Welle
Der Sinuston in der zeitgenössischen Musik
Von Hubert Steins
(Teil 2 am 20.04.2021)
Autorenproduktion: 2021
Die perfekte Welle
56:01 Minuten
Der Sinuston ist ein Grundelement der elektronischen Klangsynthese. Er existiert nicht in der Natur und kommt nur als elektronisches Artefakt vor. Gleichwohl haben viele Komponisten nicht nur in elektronischer Musik mit Sinustönen gearbeitet.
Dank der im 18. Jahrhundert von Jean Baptiste Joseph Fourier entwickelten und nach ihm benannten "Fourier-Analyse" ist jeder Klang als Gemisch aus Sinuswellen beschreibbar. Allerdings ist der saubere, auf nur einer einzigen Frequenz schwingende Sinuston selbst ein theoretisches Konstrukt, das nur elektronisch erzeugt werden kann und in der Natur so gut wie nicht zu finden ist.
Additive Klangsynthese
Sinuston-, Sweep- oder Wobbler-Generatoren dienten im Rundfunk als Apparate der Messtechnik und Eichung, die in den Pionierjahren der elektronischen Musik allerdings auch als einfache Klangquellen zweckentfremdet wurden. Karlheinz Stockhausen "Studie I" (1953) ist ein Schlüsselwerk der elektronischen Musik, das sich erstmalig einer additiven Schichtung von Sinustönen bediente, um auch die spektrale Zusammensetzung der Klänge komponieren zu können. So bezeichnete Stockhausen den elektronisch erzeugten Sinuston als jenes Element, das aller klanglichen Vielfalt zugrunde liegt. In den folgenden Dekaden gehörte nun die additive Klangsynthese zum grundlegenden Handwerkszeug der elektronischen Musik.
Pur oder gemixt
Während durch die Schichtung von Sinustönen alle erdenklichen Spektren erzeugt werden können, wird der Klang eines einzelnen, reinen Sinus als steril und leer empfunden. Doch auch in dieser puren Form taucht der Sinuston beispielsweise in Werken von LaMonte Young, Alvin Lucier oder Klarenz Barlow auf. So oszilliert der Sinus ästhetisch zwischen Klangreichtum und elektronischem Purismus.