Der späte Ruhm der Yoko Ono

Von Natascha Pflaumbaum |
Zum 80. Geburtstag von Yoko Ono ist der Schirn Kunsthalle ein Coup gelungen. Nicht nur, dass die Fluxus-Künstlerin nach Deutschland gekommen ist, unter den 100 gezeigten Arbeiten sind auch ihre wichtigsten und berühmtesten: darunter das begehbare Plexiglas-Labyrinth "Amaze".
Sie kommt mit großer Entourage: ein bulliger Bodyguard in Anzug und Glatze, ihr junger smarter Assistent Connor, der fünf bunte Hüte in der Hand hält, und Jon Hendrix, ihr New Yorker Ausstellungsmanager: ein freundlicher älterer Herr mit Büffelhorn-Nickelbrille. Mitten drin - sie: Yoko Ono - schwebend. Zierlich, zart, blass, in schwarzem Anzug, mit schwarzen Plateauschuhen, lilafarbenem Hut, den sie schräg auf dem Kopf trägt, und natürlich mit großer Yoko-Ono-Sonnenbrille. Sie wird 80 Jahre alt am kommenden Montag und ist gut gelaunt, als sie die Frankfurter Schirn Kunsthalle betritt und ihre Werke sieht:

"”Als ich gestern ankam, war ich so ängstlich: Wird das hier gut? Und wenn nicht: was dann? Aber es ist viel besser, als ich dachte. Es ist ja auch so schwierig, Werke aus den 50 Jahren meines Schaffens zusammenzubringen. Wie soll das passen. Aber der deutsche Geist macht das schon.""

Die Schirn Kunsthalle hat mit der großen Retrospektive zu Yoko Onos 80. Geburtstag einen Coup gelandet: Etwa 100 Werke der Künstlerin aus den vergangenen 50 Jahren hat die Kuratorin Ingrid Pfeiffer nach Frankfurt bringen können. Ein ganzer Kosmos: Zeichnungen, Fotos, viele Filme, raumfüllende Installationen, Musik und eine ganze Reihe von Instructions, das sind kleine poetische Anweisungen, die Yoko Ono gerne ihren Werken hinzufügt, die mittlerweile selbst "Werk" sind. Kurz und prägnant wie japanische Haikus.

Unter diesen 100 Arbeiten in der Schirn Kunsthalle sind auch die wichtigsten und berühmtesten, die Yoko Ono bereits in den 60er-Jahren gefertigt hat: das begehbare Plexiglas-Labyrinth "Amaze" etwa oder die schlichte Installation "Yes Painting": eine weiße Holzleiter mit einem milchigen Glas-Baldachin darüber. Darauf ist in klitzekleiner schwarzer Yoko-Ono-Schrift "Yes" zu entziffern, wenn man die Lupe zur Hand nimmt, die mit einer Kette befestigt ist. Ein Werk, mit dem Yoko Ono sich selbst getröstet hat:

"”Ich hatte einige Beziehungsprobleme zu der Zeit. Und ich wollte wirklich ein gutes Leben haben: ´ja` sagen. Also habe ich dieses Kunstwerk gemacht: nur für mich selbst. ´Ja`. Es funktioniert wie ein kirchliches Ritual: Man erklimmt die Leiter immer höher, und am Ende sieht man dann das ´Ja`.""

Alles, was man hier sieht, birgt solche Geschichten. Yoko Ono ist eine Aktionistin, neben Marina Abramovic wahrscheinlich die bedeutendste Performance-Künstlerin heute: radikal, aber nicht brutal. Eher leise und zurückhaltend sind ihre Aktionen, die vor allem in den 60er-Jahren entstanden sind. Sie entzündet ein Streichholz, lässt es abbrennen und nennt die Arbeit "Lighting Piece": ein Symbol für die Vergänglichkeit des Menschen. Sie lässt sich auf einer Bühne vor Publikum mit einer Schere die teuersten Kleider vom Leib schneiden, bis sie halb nackt dahockt: "Cut Piece" – ein Symbol für die Gewalt an Frauen. Sie schlüpft in einen riesigen schwarzen Sack: Bag Piece – ein Symbol dafür, dass man von uns allen immer nur die Hülle sieht. Von diesen Aktionen sieht man in der Ausstellung Fotos oder Filme und eben die Instructions dazu.

Alles ist hoch philosophisch, häufig versehen mit feinem Humor, und - obwohl es im Resultat so einfach aussieht – immer komponiert wie eine komplexe musikalische Partitur, bei der das Machen von Kunst im Vordergrund steht, und nicht das Kunstobjekt, das am Ende übrig bleibt. Yoko Ono kommt eben nicht aus der Bildenden-Kunst-Ecke, sie ist Musikerin und Philosophin, wie sie selbst sagt:

"Ich kenne mich wirklich sehr gut in deutscher Kunst und deutscher Kultur aus. Als ich ein kleines Mädchen war, besuchte ich eine sehr berühmte Schule für musikalische Früherziehung. Alles, was ich da lernte, ging zurück auf die klassische deutsche Musik. Das steckt quasi bis heute in meinen Knochen."

Ihr Werk ist politisch, feministisch, gesellschaftskritisch, so wie es die 60er-Jahre von den Avantgardisten einforderten. Immer hat sie versucht, Menschen über die Interaktion in ihre Kunst zu verwickeln.

"Sachen, die ich nicht so gerne allein mache, die überlasse ich gerne auch anderen, indem ich sie daran teilnehmen lasse. Nur darum schreibe ich ja auch diese ganzen Anweisungen."

Die stille Aufforderung mitzumachen, die klaren, klugen Botschaften und der verhaltene Witz lassen ihr Werk bis heute zeitlos und darum aktuell erscheinen.

Yoko Ono: die bekannteste Unbekannte erhält mit 80 Jahren endlich den Ruhm, der ihr gebührt.
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