"Racial profiling: Ein echtes Problem in Deutschland"
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby besucht gern Schrebergärten. Dort diskutiert er über Bildung, Integration und die soziale und mentale Situation der Ostdeutschen. Der gebürtige Senegalese ist ein wahrer Vorzeige-Ossi. Das ärgert so manchen.
Diaby: "Guten Tag!"
Gartenbesitzerin: "Schönen Guten Tag. Darf ich sie stören?"
Karamba Diaby ist in den Lauben und Kleingarten-Siedlungen Halles unterwegs. Während andere sich an Wahlkampfständen aufhalten, lehnt sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby - lässig legerm offenes Hemd, bequeme Wanderschuhe - über den Gartenzaun. Um mit den Wählern ins Gespräch zu kommen. Heute ist er in der Kleingartensiedlung Robert-Kochstraße unterwegs, die liegt in Rufweite der Stadions des Drittligisten Hallescher FC.
Diaby: "Ich kenne sie."
Gartenbesitzerin: "Ich kenne sie. Hallo!"
Diaby: "Woher kennen Sie mich?"
Gartenbesitzerin: "Na ja, wer kennt sie nicht Dr. Diab?"
Diaby: "Haben sie mir auf den Plakaten zugewunken? Ich habe zurück gewunken." (Lachen)
Wenn Karamba Diaby kommt, wird gelacht. Viel gelacht. Immer hat der 55-Jährige einen Scherz auf den Lippen. Ihm gegenüber steht eine Biogärtnerin, eigentlich eine Anhängerin der Grünen. Schwarzes Haar, verdreckte Hosen, in der Hand hält sie fast etwas drohend eine Gartenschere. Der Garten selbst, ist eher eine romantisch-wildverwachsene Oase, statt des spießig akkurat gehaltenen Kleingartens.
Gartenbesitzerin: "Sie machen wohl ihre Sommertour."
Diaby: "Ich mache meine Sommertour und informiere mich ein bisschen bei den Kleingarten-Freunden. Wie läuft das hier? Mit dem Vorstand haben wir schon eine Stunde gesprochen. Darüber hinaus interessiert mich bei den anstehenden Bundestagswahlen, welche Themen für sie von Bedeutung sind. Wo sie sagen, das ist für mich sehr, sehr wichtig."
Ein Mann des Volkes
Der zweifache Vater Diaby sitzt seit 2013 im Bundestag und ist der erste Abgeordnete mit afrikanischer Herkunft. Sein Terminkalender ist voll, denn Diaby – der aus der Casamanche, dem Süden Senegals kommt - ist ein Mann des Volkes. Sein Credo: Sozial, gerecht, Karamba.
"Wir als Politikerinnen und Politiker müssen natürlich deutlich machen, dass wir Politik für alle machen. Und dass wir zur Kenntnis nehmen, dass sachliche Argumente nicht mehr so richtig greifen, viele hören gar nicht mehr zu. Das heißt, wir müssen Herzen und Köpfe der Menschen erreichen. Deshalb bin ich hier heute in der Kleingarten-Anlage. Möchte über alle Themen reden. Über Rente, über Pflege, über Zukunft der Arbeit in Deutschland, Digitalisierung und ähnliche Dinge. Nur so können wir weiterkommen."
Karamba Diaby ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, wurde als muslimischer Vollwaise im Senegal von seinem Schwager groß gezogen. 1985 kam er mit einem Stipendium in die DDR, hat in Halle studiert. Im Chemiedreieck, der einst wohl giftigsten Gegend Europas, promoviert er Anfang der 90er Jahre über schadstoffbelastete Böden in Kleingärten.
Rassismus in der Bundestagskantine
2001 hat sich Karamba Diaby einbürgern lassen. Man dürfe ihn ruhig Schwarzer nennen, sagt er noch, ergänzt aber, dass er nicht auf seine Herkunft reduziert werden wolle. Doch der Alltagsrassismus reicht bis in den Bundestag. Diaby erzählt, wie ihn an seinem ersten Tag als Abgeordneter die Kassiererin in der Bundestagskantine nicht bedienen wollte und rief: "Nein, Sie nicht!"
"Ich war überrascht, was will sie denn von mir. Ich frage, was meinen sie denn damit. Sie haben keine Karte, sie dürfen hier nicht rein. Ich sage, wie kommen sie denn da drauf, ich bin Abgeordneter. Sie: 'Oh, Entschuldigung Herr Abgeordneter.' Ich bin dann weiter gegangen und habe ihr trotzdem einen schönen Tag gewünscht."
Solche Anekdoten lacht Diaby weg. Schlimmer ist es, wenn Polizisten ihn einfach anhalten und kontrollieren, nur weil er kein Weißer ist, wie es ihm am Bahnhof in Halle passiert ist.
"Ich fühlte mich gekränkt, ich fühlte mich richtig diskriminiert, ausgegrenzt. Das hat mich bedrückt."
"Racial profiling: Ein echtes Problem in Deutschland", sagt Diaby.
Die Mehrheit der Gesellschaft ist solidarisch
"Was mich stärkt, was mich ermutigt, was mich bestätigt in meiner Arbeit, ist, das sind tausende und abertausende Menschen, die wachsam sind. Die sagen, wir schauen nicht zu, wir schütteln nicht nur den Kopf, wir sagen einfach Nein. Die Mehrheit der Gesellschaft ist solidarisch."
Erst Ende August attackierte die NPD Karamba Diaby. Sie verunglimpfte im Internet sein Wahlplakat. Zu lesen war: "‚Deutsche Volksvertreter nach heutigem SPD-Verständnis. Wie heißt es doch: ‚Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!‘" Darauf folgten wüste Beschimpfungen von rechter Seite. Karamba Diaby antwortete prompt. "An alle Rassisten", schrieb er, "I AM NOT YOUR NEGRO!‘".
"Nachdem ich meine Stellungnahme dazu gegeben habe, gab es über 130.000 Menschen, die gesagt haben, nein, das können wir nicht dulden. Und diese 400 Menschen die hetzen und spalten, sind nicht die Mehrheit."
"Mir geht’s gut", sagt Diaby. Fast etwas zu cool. Denn so ganz spurlos gehen die Anfeindungen an ihm doch nicht vorbei, gesteht er, als das Mikrofon schon aus ist.
Rassistische Ressentiments: Für den SPD-Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby Normalität. Wiederholt musste er rassistische Angriffe der NPD erleben. So schickte man ihm 2011 eine Urlaubskarte mit einem Bild von Schloss Neuschwanstein. Auf der Rückseite stand ein Satz voller Hass: "Hallo Bimbo, wieder gut schmarotzt heute! Ab nach Afrika!"
"Ich sage Ihnen ganz offen: Ich lasse mich nicht einschüchtern."
Fahrrad statt dunkle Karrosse
Während andere Politiker mit dunklen Karossen zu ihren Wahlkampfauftritten unterwegs sind, fährt Karamba Diaby ganz bescheiden Fahrrad oder geht zu Fuß. Ein Grund, warum ihn die Menschen in Halle – auch die Kleingärtner - als volksnah und authentisch erleben.
Kleingärtnerin: "Politik muss glaubwürdiger werden. Die Menschen sind nicht dumm und die interessieren sich wirklich dafür. Und wenn sie jedes Mal veräppelt werden und die große Mutti ihre Versprechungen macht, das bringt es nicht mehr. Man muss die Leute ernst nehmen, bei ihnen vorbeigehen, das ist was die Leute brauchen."
Diaby: "Das ist auch, warum ich hier bin."
Die Kleingärten haben es Karamba Diaby angetan, auch wenn er keinen besitzt.
"Es ist unwichtig, ob du Professor oder Reinigungskraft bist, ob du Ärztin oder Krankenschwester bist. Das interessiert keinen Menschen. Und wenn du die Regeln einhälst, dann alles okay. Ich betrachte das hier als Mikrokosmos unserer Gesellschaft."
Der gebürtige Senegalese als Vorzeige-Ossi
Aber nicht alle können mit Diabys Art umgehen. Immer wieder passiert es, dass Menschen abwinken, einen Schritt zurücktreten, wenn Karamba Diaby kommt. Ein etwa 1,70 Meter großer Mann, kurze Haare, sehr sportlich. Und immer lachend. Zu jedem Thema hat er etwas beizutragen, ob Fußball, Hoch-Beete oder den Geschmack von Biersorten.
Diabys Themen: Bildung und Integration, Mindestlohn, die soziale und mentale Situation der Ostdeutschen. Irgendwie ist der gebürtige Senegalese auch ein Vorzeige-Ossi.
"Ich habe den Eindruck, dass die Vorurteile gegenüber Ostdeutschland bei manchen Leuten, genauso vergleichbar sind, wie gegenüber Afrikanern."
Diaby hatte schon immer ein Herz für die Sorgen und Nöte der kleinen Leute. Ein Grund, weshalb der 52-Jährige nun auch gerne mit seinem Wahlkampfteam durch die Kleingärten zieht, um für sich zu werben.
Diaby: "Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag."
Erst beim Abschied präsentiert Karamba Diaby während seiner Lauben-Wahlkampftour sein kleines Mitbringsel: Ein Tütchen Radieschen-Samen. Um sich gleich noch mal bei den zwei Biogärtnerinnen einzuladen, im verwunschenen Klein-Garten in der Anlage Robert Koch-Straße. Mitten in der Hallenser Innenstadt.
Diaby: "Danke, dass Sie sich so viel Zeit genommen haben."
Kleingärtnerin: "Ich danke Ihnen, super!"
Diaby: "Ich komme noch mal, um zu gucken."
Kleingärtnerin: "Wir laden sie ein."
Diaby: "Ja, um zu gucken, ob was aus den Radieschen geworden ist. Dann können wir gemeinsam Radieschen essen."
Kleingärnerin: "Genauso machen wir das!"