Der Staat ist jetzt auch fürs Wetter zuständig
Über die internationale Klimaforschung wird viel diskutiert, eines aber ist unstrittig: Ihr Unterhaltungswert steigt von Jahr zu Jahr.
So auch dieser Tage wieder, als Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung verkündeten: "Harte Winter widersprechen nicht dem Bild der globaler Erwärmung, sondern vervollständigen es eher." Vor zehn Jahren behauptete die Zunft noch genau das Gegenteil. "Winter mit starkem Frost und viel Schnee wird es in unseren Breiten nicht mehr geben", gab damals das Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie als verbindliche Parole aus. Wie formulierte es Johann Wolfgang von Goethe so schön: "Seltsam ist Propheten Lied, doppelt seltsam was geschieht.”
Selbst eine neue Eiszeit würde die Theorie von der unaufhaltsamen globalen Erwärmung demnach nicht widerlegen, sondern sie "vervollständigen". Die Klimadebatte erinnert insofern stark an den Witz über die vier Hauptfeinde der sowjetischen Landwirtschaft: Frühling, Sommer, Herbst und Winter – sowie an die zwei Nebenfeinde: Tag und Nacht. Was immer das Wetter auch zu bieten hat, es wird heute als Menetekel gesehen.
Egal ob zu viel Regen oder zu wenig, Hitze oder Kälte, zu viel Schnee oder zu wenig. Als das Orkantief Kyrill Anfang 2007 durch Deutschland jagte, schrieb die "Bild"-Zeitung: "Wer an der drohenden Klimakatastrophe noch gezweifelt hat – das Orkantief Kyrill hat ihn endgültig wachgerüttelt". Und weil die in dessen Folge vorhergesagte Sturmflut an der Nordsee ausblieb, schrieb das Blatt: "Wie unberechenbar das Wetter geworden ist, zeigte Kyrill im Norden: Die Sturmflut, mit der Meteorologen gerechnet hatten, fiel aus."
Wenn nicht nur eine Katastrophe, sondern auch ihr Ausbleiben als Folge des sündhaften menschlichen Treibens gedeutet werden, dann zeigt dies ein in sich völlig geschlossenes Weltbild. Wenn nichts passiert handelt es sich dann ebenfalls um eine so genannte Extrem-Wetterlage, gewissermaßen um extrem normales Wetter.
Befördert wird diese Weltsicht von einer in den Medien grassierenden Gigantomanie, die es nicht mehr unter einem Superlativ tut. Wenn ein stinknormales Popkonzert zum Mega-Event hochgejazzt wird, dann reichen 20 Zentimeter Schneefall eben auch zum Jahrhundert-Winter. Und wenn deshalb ein paar Züge ausfallen, dann ist das ein Skandal, der nach Konsequenzen schreit.
Ein bekannter Trendforscher hat das Phänomen mit dem schönen Wort "Immerschlimmerismus" beschrieben. Alles wird angeblich immer schlimmer, obwohl die Deutschen in toto noch nie so wohlhabend und gesund waren wie heute. Gut gepampert wie die meisten Zeitgenossen nun mal sind, geht ihnen allmählich das Gespür für allgemeine und unvermeidliche Lebensrisiken verloren.
Und wenn mal etwas schief geht, dann beginnt sofort die Suche nach den Schuldigen und die Forderung nach Kompensation wird erhoben. Wenn Menschen sich heute mit einem Becher Kaffee verbrühen, dann sind sie nicht etwa selbst schuld, sondern verklagen den Betreiber des Ausschankes. Wenn es im Urlaub regnet statt sonnig zu sein, dann ist das nicht etwa Pech, sondern ein eklatantes Versagen des Reiseveranstalters. Und wenn sie mit überhöhter Geschwindigkeit im Schnee von der Straße abkommen, dann liegt das nicht an ihrer Fahrweise, sondern am Unvermögen der für die Straßenräumung zuständigen Dienststellen.
Die gesellschaftliche Anspruchshaltung, vor Wetterkapriolen geschützt zu werden, hat jedoch noch eine andere, tiefere Ursache: Politiker und Regierungen haben sich in den vergangenen Jahren zu Schutzmächten des Klimas stilisiert. Eine Politik, die nicht in der Lage ist, die Krankenkassenbeiträge zu stabilisieren, gibt vor, die Welttemperatur um zwei Grad regulieren zu können. Das Klima wird deshalb in der Öffentlichkeit mittlerweile als ein System wahrgenommen, das durch die Ausschaltung menschengemachter Einflüsse in einen sanften Ruhezustand versetzt werden könnte. Ganz so als habe man ein Thermostat in der Hand, an dem man nur drehen müsse. Das ist natürlich barer Unsinn. Das Klima wird sich so oder so weiterhin verändern – aus welchen Gründen auch immer. Der Bürger hält sich mit solchen Widersprüchen nicht groß auf, sondern zieht den einfachen Schluss: Der Staat ist jetzt auch fürs Wetter zuständig.
Dirk Maxeiner, geboren 1953, volontierte bei der Motorpresse in Stuttgart und war Redakteur bei Hobby (das Magazin der Technik) und beim Stern. Er entwickelte in den 80er-Jahren in Paris das Stadtmagazin Pariser Luft und war dort Chefredakteur und Herausgeber. Danach Idee und Entwicklung des Umweltmagazins Chancen, dort Chefredakteur bis 1988. Anschließend bis 1993 Chefredakteur der Zeitschrift natur — der zu dieser Zeit größten europäischen Umweltzeitschrift. Seit 1993 arbeitet Maxeiner als Publizist. Er verfasst Sachbücher schreibt für Magazine und Zeitschriften und ist Mitglied im publizistischen Netzwerk "Die Achse des Guten". Darüber hinaus hält er Vorträge zu den Themenbereichen seiner Publikationen.
Selbst eine neue Eiszeit würde die Theorie von der unaufhaltsamen globalen Erwärmung demnach nicht widerlegen, sondern sie "vervollständigen". Die Klimadebatte erinnert insofern stark an den Witz über die vier Hauptfeinde der sowjetischen Landwirtschaft: Frühling, Sommer, Herbst und Winter – sowie an die zwei Nebenfeinde: Tag und Nacht. Was immer das Wetter auch zu bieten hat, es wird heute als Menetekel gesehen.
Egal ob zu viel Regen oder zu wenig, Hitze oder Kälte, zu viel Schnee oder zu wenig. Als das Orkantief Kyrill Anfang 2007 durch Deutschland jagte, schrieb die "Bild"-Zeitung: "Wer an der drohenden Klimakatastrophe noch gezweifelt hat – das Orkantief Kyrill hat ihn endgültig wachgerüttelt". Und weil die in dessen Folge vorhergesagte Sturmflut an der Nordsee ausblieb, schrieb das Blatt: "Wie unberechenbar das Wetter geworden ist, zeigte Kyrill im Norden: Die Sturmflut, mit der Meteorologen gerechnet hatten, fiel aus."
Wenn nicht nur eine Katastrophe, sondern auch ihr Ausbleiben als Folge des sündhaften menschlichen Treibens gedeutet werden, dann zeigt dies ein in sich völlig geschlossenes Weltbild. Wenn nichts passiert handelt es sich dann ebenfalls um eine so genannte Extrem-Wetterlage, gewissermaßen um extrem normales Wetter.
Befördert wird diese Weltsicht von einer in den Medien grassierenden Gigantomanie, die es nicht mehr unter einem Superlativ tut. Wenn ein stinknormales Popkonzert zum Mega-Event hochgejazzt wird, dann reichen 20 Zentimeter Schneefall eben auch zum Jahrhundert-Winter. Und wenn deshalb ein paar Züge ausfallen, dann ist das ein Skandal, der nach Konsequenzen schreit.
Ein bekannter Trendforscher hat das Phänomen mit dem schönen Wort "Immerschlimmerismus" beschrieben. Alles wird angeblich immer schlimmer, obwohl die Deutschen in toto noch nie so wohlhabend und gesund waren wie heute. Gut gepampert wie die meisten Zeitgenossen nun mal sind, geht ihnen allmählich das Gespür für allgemeine und unvermeidliche Lebensrisiken verloren.
Und wenn mal etwas schief geht, dann beginnt sofort die Suche nach den Schuldigen und die Forderung nach Kompensation wird erhoben. Wenn Menschen sich heute mit einem Becher Kaffee verbrühen, dann sind sie nicht etwa selbst schuld, sondern verklagen den Betreiber des Ausschankes. Wenn es im Urlaub regnet statt sonnig zu sein, dann ist das nicht etwa Pech, sondern ein eklatantes Versagen des Reiseveranstalters. Und wenn sie mit überhöhter Geschwindigkeit im Schnee von der Straße abkommen, dann liegt das nicht an ihrer Fahrweise, sondern am Unvermögen der für die Straßenräumung zuständigen Dienststellen.
Die gesellschaftliche Anspruchshaltung, vor Wetterkapriolen geschützt zu werden, hat jedoch noch eine andere, tiefere Ursache: Politiker und Regierungen haben sich in den vergangenen Jahren zu Schutzmächten des Klimas stilisiert. Eine Politik, die nicht in der Lage ist, die Krankenkassenbeiträge zu stabilisieren, gibt vor, die Welttemperatur um zwei Grad regulieren zu können. Das Klima wird deshalb in der Öffentlichkeit mittlerweile als ein System wahrgenommen, das durch die Ausschaltung menschengemachter Einflüsse in einen sanften Ruhezustand versetzt werden könnte. Ganz so als habe man ein Thermostat in der Hand, an dem man nur drehen müsse. Das ist natürlich barer Unsinn. Das Klima wird sich so oder so weiterhin verändern – aus welchen Gründen auch immer. Der Bürger hält sich mit solchen Widersprüchen nicht groß auf, sondern zieht den einfachen Schluss: Der Staat ist jetzt auch fürs Wetter zuständig.
Dirk Maxeiner, geboren 1953, volontierte bei der Motorpresse in Stuttgart und war Redakteur bei Hobby (das Magazin der Technik) und beim Stern. Er entwickelte in den 80er-Jahren in Paris das Stadtmagazin Pariser Luft und war dort Chefredakteur und Herausgeber. Danach Idee und Entwicklung des Umweltmagazins Chancen, dort Chefredakteur bis 1988. Anschließend bis 1993 Chefredakteur der Zeitschrift natur — der zu dieser Zeit größten europäischen Umweltzeitschrift. Seit 1993 arbeitet Maxeiner als Publizist. Er verfasst Sachbücher schreibt für Magazine und Zeitschriften und ist Mitglied im publizistischen Netzwerk "Die Achse des Guten". Darüber hinaus hält er Vorträge zu den Themenbereichen seiner Publikationen.