Der Stadtschlossbau in Berlin

Ein Hirngespinst und seine Umsetzung

Zwei Frauen gehen in Berlin in der Straße Unter den Linden an dem Grundstück vorbei, auf dem das Stadtschloss errichtet werden soll.
Zwei Frauen gehen in Berlin in der Straße Unter den Linden an dem Grundstück vorbei, auf dem das Stadtschloss errichtet wird. © dpa / picture alliance / Paul Zinken
Von Winfried Sträter |
Erschaffen aber ungeliebt, später zerstört und gesprengt, dann überbaut und nun wiederaufgebaut: das Berliner Stadtschloss. Mitten in Berlin ersteht etwas, das eigentlich nie jemand so richtig vermisste. Die Geschichte eines Bauwerks.
Nichts lag ferner als das. Berlin war von der Herausforderung Wiedervereinigung förmlich überrollt worden. Ost und West – zwei Welten, eine Stadt, ohne Vorwarnung. Die existenzielle Verunsicherung im Ostteil, der brutal schnelle Abbau der Berlin-Subventionen für die ganze Stadt. Wichtig war nach dem Hauptstadtbeschluss von 1991, ein neues Regierungsviertel aus dem Boden zu stampfen.
Die Mitte Berlins betrat – beziehungsweise befuhr - man nun wieder durch das Brandenburger Tor. Und sah zur Linken wie zur Rechten die Mischung aus maroder DDR-Architektur und nicht mehr ganz frischen Bauwerken der preußisch-wilhelminischen Zeit. Am Ende dann der sperrige Riegel des Auswärtigen Amtes der DDR, der Palast der Republik und der Marx-Engels-Platz. Den Riegel abzureißen, war ein naheliegender Gedanke. Auch dass der Palast nicht das letzte Wort der Geschichte sein würde. Aber ihn dann durch das vormalige Hohenzollernschloss zu ersetzen?
Als dieser Gedanke durch die Berliner Medien irrlichterte, haben die meisten Berliner ihn für so abwegig gehalten, dass sie sich nicht ernsthaft damit auseinandersetzten. Das Stadtschloss hatte wie eine Trutzburg im Zentrum gestanden, ein Bezugspunkt der imperialen Architektur, aber kein Blickpunkt für Freunde schöner Schlösserbauten.
Die Wiederaufbau auf Initiative eines Romantikers
Und dann war es auch noch mit einer schmachvollen Erinnerung verbunden: 1918 hatte sich der letzte Kaiser hier aus dem Staube gemacht, als die Situation für ihn brenzlig wurde. In der Weimarer Republik hatte man Mühe gehabt, den Bau sinnvoll zu nutzen –ehrfürchtig-romantische Erinnerungen weckte er nicht mehr. Ein Klotz, der als Museum genutzt wurde. Dass die DDR ihn abreißen ließ, hat die Gemüter verhältnismäßig wenig bewegt – am meisten im Westen, wo man drauf und dran war, das ebenfalls kriegsbeschädigte Schloss Charlottenburg abzureißen.
Es ist kein Zufall, dass kein Berliner, sondern ein Romantiker, der Berlin nur von Besuchen kannte, öffentlich vom Wiederaufbau träumte. Alles sprach gegen diesen merkwürdigen Traum: die Geschichte des Schlosses, die Gegenwart des Palastes und die Zukunft der Berliner Mitte, in der eines fernen Tages vielleicht etwas entstehen sollte, das der Zukunft zugewandt wäre und das den Geist der neuen Republik verkörpern würde.
Luftschloss nannte der "Spiegel" die Attrappe spöttisch, die 1993 um den Palast der Republik herum aufgestellt wurde, um die Phantasie anzuregen. Dass daraus bauliche Realität wurde, gehört zu den erstaunlichsten und merkwürdigsten Phänomenen der Nach-Wende-Epoche – zumal nur mit Mühe eine sinnvolle Nutzung dafür zu finden ist – wie auch schon in der Weimarer Republik.
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