Der Stil von Bella Italia

Von Elske Brault |
Kann ein Klappstuhl seinen Betrachter in Anbetung versinken lassen? Der Klappstuhl Donald schafft das. Sein Rahmen aus blank gescheuertem Aluminium greift beim Zusammenklappen so nahtlos ineinander, dass die glatte, glänzende Oberfläche zum Darüberstreichen herausfordert. Die kleine Rückenlehne sieht dann aus wie ein Entenschnabel, daher Donald. Der Schaumstoffsitz ist vollendet den Gesäßbacken angepasst und mit feinstem Leder überzogen. Dieser Klappstuhl weist auf Höheres, auf die platonische Ideenwelt, er ist der reinste Gedanke eines Klappstuhls. Und kostet schlappe 500 Euro.
"Italien gilt als das Land, in dem die teuersten Möbel der Welt hergestellt werden. Aber wir sind zugleich die drittgrößten Lieferanten für IKEA nach China und Polen. IKEA kauft mehr in Italien hergestellte Möbel ein als die Italiener Möbel bei IKEA kaufen. Das zeigt doch, dass Italien sehr wohl in der Lage ist, auch preisgünstige Möbel herzustellen. "

Für Andrea Cancellato, Direktor der Designsammlung Triennale in Mailand, ist der Klappstuhl Donald aus dem Jahr 2000 eines der jüngsten Objekte in seiner Sammlung. Zusammenklappen ist eine italienische Leidenschaft, das erste Klapptelefon haben Italiener erfunden, ein Bücherregal und einen Kleiderständer zum Zusammenklappen. Letzterer besteht aus umeinander verdrehten Holzstäben und sieht aus wie eine aufs Feld gestellte Weizengarbe. Der Rückgriff auf ländliche Motive oder schon vorhandene, traditionelle Formen ist typisch für italienisches Design, sagt Kurator Rüdiger Joppien vom Museum für Kunst und Gewerbe.

"Es gibt von Alessi eine Produktlinie, die haben sich die alten Drechsler vom Comer See genommen, haben einige italienische Designer dorthin geschickt. Da war ein handwerkliches Potential, die können sich aber allein nicht mehr halten, die haben keine Vertriebsstrukturen, und jetzt kommt ein Gigant wie Alessi mit seinen Designern und sagt: Wie können wir einen Teil dieses kulturellen Erbes wiederbeleben oder auch abschöpfen. "

Entstanden sind so zum Beispiel Salz- und Pfefferstreuer aus Edelholz. Holz hört sich so schwer an, gemahnt an deutsche Eiche. Wenn italienische Möbelbauer mit Holz arbeiten, kommt der Superleggera dabei heraus, der superleichte Stuhl, an dem Gio Ponti acht Jahre lang bastelte. Die Werbung 1957 zeigte eine Hausfrau in kariertem Bademantel, die den Superleggera auf dem Mittelfinger balanciert. Und auch hier, so die italienische Ausstellungskuratorin Silvana Anicchiarico, variierte Gio Ponti ein Traditionsmodell, den Chiavari, der seit dem 19.Jahrhundert in Ligurien hergestellt wurde.

"Seine Arbeit daran war, etwas wegzunehmen. Den Stuhl immer leichter zu machen. Er hat an der Struktur gefeilt. Der dreieckige Querschnitt der Beine und Streben nutzt die Laufrichtung der Holzfasern und die Kraft des Holzes. "

Das nur rund anderthalb Kilo wiegende Sitzmöbel ist zudem auch noch elastisch, Ponti selbst warf es zum Beweis bei der Präsentation aus dem 4. Stock, und der Stuhl blieb unversehrt. Dinge mit nach draußen nehmen zu können, mit ihnen beweglich zu sein, ist ein weiteres Ziel italienischer Designer. So erfand Marcello Nizzoli schon 1950 die erste Reiseschreibmaschine, später auch die tragbare Nähmaschine. Während deutsche Journalisten noch mühsam auf eine schwere schwarze Triumph-Adler einhackten, eroberte die kleine Olivetti die Redaktionsräume jenseits des Atlantik, bei Washington Post und Daily Telegraph. Sie ließ sich aufrecht hinstellen, quasi vom Tisch fegen, wenn der Autor denselben für handschriftliche Notizen brauchte, und befeuerte das Auge mit ihrem Markenzeichen, der knallroten Umstelltaste. Knallrot musste 1964 auch der erste tragbare Fernseher sein und ein Jahr später ein tragbarer Radiowürfel, wieder aufklappbar. Bei aller kindlichen Verspieltheit - auch der Sitzsack kommt aus Italien - waren die Italiener doch erstaunlich praktisch, wenn es darum ging, neue Materialien einzusetzen. Plastik für Möbel - aus Mangel an Rohstoffen ein Hit in den Sechzigern bis hin zum aufblasbaren Sessel. Und zuvor hatten Italienische Designer gezeigt, wie man aus dem Schrott des Krieges den Erfolg der Nachkriegszeit produziert: Die VESPA.

"Das ist ein typisches Beispiel für die Umstellung der Industrie, denn die Vespa entsteht aus Teilen, die im Krieg gebraucht wurden, und diese Teile werden jetzt neu zusammengesetzt, uminterpretiert für ein neues Verkehrsmittel. Die Vespa ist schon ein ganz besonderes Objekt, denn sie hat von 1946 bis heute überdauert. Noch heute werden 1200 verschiedene Modelle hergestellt, und sie ist zu einer solchen Ikone geworden, dass sie in tausenden von Filmen eine Rolle spielt. "

Von Gregory Peck in "Ein Herz und eine Krone" bis Nanni Moretti in "Liebes Tagebuch": Mit wehendem Haar durch enge römische Gassen zu knattern, wird wohl noch lange der Inbegriff italienischen Lebensgefühls bleiben. Und diese Ausstellung weckt die Sehnsucht danach.

Service: Italienisches Design 1945-2000
27. Mai bis 28. August 2005 im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Katalog 170 Seiten, deutsche und englische Texte, viele farbige Abbildungen, 29 Euro.