Der Stoff, aus dem Jazz ist
"Lady sings the Blues" erzählt von Triumphen und Abstürzen, von Exzess und Überleben. Es ist eine Art Lebensresümee der großen Jazzsängerin Billie Holiday. 1956, drei Jahre vor ihrem Tod ist es entstanden. Nun ist das lange vergriffene Werk in einer Neuauflage erschienen.
Eine seltene, aber schöne Überraschung – ganz ohne besonderen Anlass präsentiert die Edition Nautilus wieder einen lange vergriffenen Text: "Lady sings the Blues", eine Art Lebensresümee der großen Jazzsängerin Billie Holiday, das sie 1956, drei Jahre vor ihrem Tod am 17. Juli 1959, mit dem Ghostwriter William Dufty zu Papier gebracht hat.
"Lady sings the Blues" ist keine Autobiografie, noch nicht einmal im weitesten Sinn. Fakten, Chronologie, Quellen und Belege – all das interessiert Billie Holiday wenig. Was an biografischen Details der 1915 in Baltimore als Eleanore Harris Fagan geborenen Musikerin im Einzelnen stimmt und was nicht, kann man verlässlicher in "offiziellen" Biografien nachlesen, am besten in der von Donald Clarke ("Billie Holiday. Wishing on the Moon").
"Lady sings the Blues" bietet etwas anderes: Billie Holiday, die schwarze tragische Künstlerin schlechthin, verwandelte mit ihrer Stimme in ihren Songs die ganze Brüchigkeit, die Verlorenheit, die Einsamkeit, den Rassismus, die Drogen- und Gewalterfahrung einer schwarzen Frau von "ganz unten" in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in wunderbare Kunst.
Billie Holiday, die keinen einzigen klassischen Blues gesungen, aber den Jazzgesang bis auf den heutigen Tag geprägt hat (wie man bei neueren Stimmen wie Madeleine Peyroux oder Melanie Gardot gut hören kann), liefert mit ihren Lebenserinnerungen den realen Unterboden für ihre Kunst: Die ersten Begegnungen mit dem Jazz als Musik der Bordelle und der "Unterwelt", dessen Ursprung von eben dort sie später immer wieder betonte.
Die Auftrittsmöglichkeiten in Cabarets und Bars, die direkt vom organisierten Verbrechen betrieben wurden, die Abhängigkeit der Künstler von unseriösem Management, die Ausplünderung ohne Tantiemen, die zermürbenden Tourneen in rassistische Gegenden der USA, in dem schwarze Künstler nicht einmal die öffentlichen Toiletten benutzen durften.
Schließlich die Drogen und die üblen Schikanen, die eine rassistische Polizei und Justiz immer besonders gerne an schwarzen Stars exekutierten, um sie auf "ihren Platz" zu verweisen. Schließlich die Gewalt von Männern, denen Lady Day (wie sie ihr Kollege und bester Freund, der kongeniale Saxophonist Lester Young getauft hatte) umso mehr ausgesetzt war, je mehr Geld sie verdiente und ausgab.
Von all diesen Schwierigkeiten, Schwächen, Triumphen und Abstürzen erzählt das Buch; von Vergewaltigung und Aggression, von Exzess und Überleben. Typische Themen des Blues, die Billie Holiday aber anders als ihre großen Vorgängerinnen Bessie Smith und Ma Rainey in eleganten, innovativen und auch heute noch gültigen Jazz transponiert hat.
Wie gesagt: Keine echte Autobiografie, sondern verdichtet der Stoff, aus dem Billie Holidays Klassiker bestehen – Songs wie "Strange Fruit", "My Man", "Fine and mellow", "Gloomy Sunday" und ein paar Dutzend andere, die sie zu einer Schlüsselfigur des Jazz gemacht haben.
Eine kleine Rüge aber dennoch: Nautilus verwendet den alten Satz des Buches, das 1983 schon einmal erschienen war. Leider mit ein paar sehr störenden Fehlern – die Pianistin Beryl Booker war kein Mann, ein "Officer" ist kein Offizier und "Downtown Manhattan" nicht unbedingt die "Innenstadt".
Besprochen von Thomas Wörtche
"Lady sings the Blues" ist keine Autobiografie, noch nicht einmal im weitesten Sinn. Fakten, Chronologie, Quellen und Belege – all das interessiert Billie Holiday wenig. Was an biografischen Details der 1915 in Baltimore als Eleanore Harris Fagan geborenen Musikerin im Einzelnen stimmt und was nicht, kann man verlässlicher in "offiziellen" Biografien nachlesen, am besten in der von Donald Clarke ("Billie Holiday. Wishing on the Moon").
"Lady sings the Blues" bietet etwas anderes: Billie Holiday, die schwarze tragische Künstlerin schlechthin, verwandelte mit ihrer Stimme in ihren Songs die ganze Brüchigkeit, die Verlorenheit, die Einsamkeit, den Rassismus, die Drogen- und Gewalterfahrung einer schwarzen Frau von "ganz unten" in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in wunderbare Kunst.
Billie Holiday, die keinen einzigen klassischen Blues gesungen, aber den Jazzgesang bis auf den heutigen Tag geprägt hat (wie man bei neueren Stimmen wie Madeleine Peyroux oder Melanie Gardot gut hören kann), liefert mit ihren Lebenserinnerungen den realen Unterboden für ihre Kunst: Die ersten Begegnungen mit dem Jazz als Musik der Bordelle und der "Unterwelt", dessen Ursprung von eben dort sie später immer wieder betonte.
Die Auftrittsmöglichkeiten in Cabarets und Bars, die direkt vom organisierten Verbrechen betrieben wurden, die Abhängigkeit der Künstler von unseriösem Management, die Ausplünderung ohne Tantiemen, die zermürbenden Tourneen in rassistische Gegenden der USA, in dem schwarze Künstler nicht einmal die öffentlichen Toiletten benutzen durften.
Schließlich die Drogen und die üblen Schikanen, die eine rassistische Polizei und Justiz immer besonders gerne an schwarzen Stars exekutierten, um sie auf "ihren Platz" zu verweisen. Schließlich die Gewalt von Männern, denen Lady Day (wie sie ihr Kollege und bester Freund, der kongeniale Saxophonist Lester Young getauft hatte) umso mehr ausgesetzt war, je mehr Geld sie verdiente und ausgab.
Von all diesen Schwierigkeiten, Schwächen, Triumphen und Abstürzen erzählt das Buch; von Vergewaltigung und Aggression, von Exzess und Überleben. Typische Themen des Blues, die Billie Holiday aber anders als ihre großen Vorgängerinnen Bessie Smith und Ma Rainey in eleganten, innovativen und auch heute noch gültigen Jazz transponiert hat.
Wie gesagt: Keine echte Autobiografie, sondern verdichtet der Stoff, aus dem Billie Holidays Klassiker bestehen – Songs wie "Strange Fruit", "My Man", "Fine and mellow", "Gloomy Sunday" und ein paar Dutzend andere, die sie zu einer Schlüsselfigur des Jazz gemacht haben.
Eine kleine Rüge aber dennoch: Nautilus verwendet den alten Satz des Buches, das 1983 schon einmal erschienen war. Leider mit ein paar sehr störenden Fehlern – die Pianistin Beryl Booker war kein Mann, ein "Officer" ist kein Offizier und "Downtown Manhattan" nicht unbedingt die "Innenstadt".
Besprochen von Thomas Wörtche
Billie Holiday / William Dufty: Lady sings the Blues
Deutsch von Frank Witzel
Edition Nautilus, Hamburg 2013
223 Seiten, 18 Euro
Deutsch von Frank Witzel
Edition Nautilus, Hamburg 2013
223 Seiten, 18 Euro