Der Tabubrecher

Von Matthias Eckholdt |
Bret Easton Ellis' Roman "American Psycho" schlug 1991 ein wie eine Bombe: Die Geschichte des Wallstreet-Yuppie Patrick Bateman, der neben Drogen und Mode auch eine Vorliebe für abartige Sexualmorde hat, brach mit zahlreichen Tabus. Ein Sturm der Entrüstung brach los. Ellis glaubt, dass sein Roman absichtlich missverstanden wurde.
Bret Easton Ellis war gerade einmal 21, als sein erster Roman "Less than zero" herauskam. Die Kritik bejubelte sein gnadenloses Porträt der sinnentleerten MTV-Generation. Ein neuer Komet am amerikanischen Literaturhimmel leuchtete auf und erlosch rasch wieder mit dem zweiten, kaum noch beachteten Roman "The Rules of Attraction".

Bret Easton Ellis zog sich zurück und bastelte an seiner literarischen Bombe, die 1991 - Ellis war 27 - hochgehen sollte. "American Psycho" nennt er seine Geschichte vom Wallstreet-Yuppie Patrick Bateman, der dem nachgeht, was im New York der Achtziger angesagt ist: extravagant dinieren, die In-Clubs entdecken, koksen, Designer-Klamotten tragen und sich über die neusten Trends informiert zeigen. Nebenher allerdings begeht Patrick Bateman ausgerüstet mit Schlagbohrmaschine, Bolzenschussgerät und reichlich perversen Phantasien bestialische Sexualmorde.

"The publisher, at the last minute, about three months before publication, decided not to publish the book, on the grounds that it was obscene and tasteless and too violent. ... There were people who read it in the house that it was supposed to be published at who really hated it and were very frightened by it and thought it was a very ugly book, and they didn’t want any part of it."

Etwa drei Monate vor der Veröffentlichung, so erinnert sich Bret Easton Ellis, entschied der Verleger, "American Psyco" doch nicht herauszubringen. Begründung: Das Buch sei obszön und zu gewalttätig.

Ellis ging zu einem anderen Verlag. Auch dort gab es ziemliche Kontroversen um die Veröffentlichung. Es gab Leute im Verlag, die das Buch regelrecht hassten; sie hielten es für ein hässliches Buch und wollten damit nichts zu tun haben.

Nach der Veröffentlichung von "American Psycho" bricht der Sturm der Entrüstung erst richtig los. Bret Easton Ellis erhält dreizehn Morddrohungen. Amerikanische Unternehmen protestieren dagegen, dass ihre Produkte im Roman genannt werden. Frauengruppen rufen zum Boykott des Buches auf.

Die Literaturkritiker überbieten sich gegenseitig in ihren Verrissen. Die Palette der Vorwürfe gegen Ellis reicht von "künstlerisch unbegabt" bis hin zu "degeneriert". Norman Mailer stimmt ein in den Chor der Empörten. Er spricht Ellis in einem großen Essay in "Vanity Fair" jegliche literarische Fähigkeit ab und bezeichnet ihn als halbkompetenten, narzisstischen jungen Kerl, der keinerlei Ahnung von Psychologie habe.

Doch Bret Easton Ellis wollte mit "American Psycho" kein Psychogramm eines Mörders, sondern ein Porträt einer Gesellschaft vorlegen, die alle Werte und Glücksversprechen an den Markt delegiert hat.

"I think the book is filled with psychology, but it’s one that is made up of brand names, consumerism, shopping, accumulation, violence and pornography. If they don’t like it because of the way I write or my style or anything, that’s fine, but to not like it because they think I’m proposing some kind of evil plan for the world and that I want to hurt people, is annoying. It’s very annoying."

Bret Easton Ellis findet, dass sein Roman voller Psychologie ist, die allerdings besteht aus Markennamen, Konsumwahn, Gewalt und Pornographie. Die Psychologie ist da, sie steht im Buch, sie ist nur nicht so offenkundig.

Ellis ist überrascht, wenn Leute den Roman so missverstehen. Wenn sie ihn nicht mögen wegen der Art zu schreiben, wäre das okay, aber ihn nicht zu mögen, weil sie denken, der Autor würde irgendwelche finsteren Pläne für die Welt schmieden, und sich daran erfreuen, Menschen weh zu tun - das findet er einfach ärgerlich.
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