Harald Welzer ist der Direktor von "Futurzwei – Stiftung Zukunftsfähigkeit" und Honorarprofessor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg. Kürzlich ist sein Buch "Alles könnte anders sein. Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen" erschienen.
Klimaschutz als eine Frage der Gerechtigkeit
31:24 Minuten
Die Protestbewegung "Fridays for Future" belege die "Neuentstehung einer politischen Generation", sagt Sozialpsychologe Harald Welzer. Statt mit Gradzahlen zu argumentieren, machten Jugendliche Klimaschutz nun zu einer Frage der Gerechtigkeit.
Der Direktor der gemeinnützigen Stiftung Futurzwei, Harald Welzer, setzt große Hoffnung in die von Schülerinnen und Schülern ins Leben gerufene Protestbewegung "Fridays for Future", bei der Jugendliche weltweit immer freitags gegen den Raubbau am Planeten und für mehr Klimaschutz demonstrieren – allen vorweg die 16-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg.
"Ich glaube, sie haben etwas in der Hand, weil sie eine interessante Umdefinition vorgenommen haben." Statt wie Klimaforscher mit Gradzahlen oder Diagrammen zu argumentieren, würden sie mit Gerechtigkeit argumentieren – und der Elterngeneration vorwerfen: Ihr nehmt uns die Zukunft weg. "Das heißt, es geht jetzt nicht mehr um Wissenschaft, sondern es geht um Gerechtigkeit. Und Gerechtigkeit ist der stärkste Treiber von sozialen Bewegungen", meint Welzer.
Reaktionen sind "unfassbar bieder und dumm"
Die Reaktionen von den älteren Generationen seien dagegen genauso "unfassbar bieder und dumm" wie damals zu Zeiten der 68er-Studentenbewegung. "Wenn der CDU-Generalsekretär, Herr Ziemiak, twittert, Greta Thunberg solle sich doch mal besser Gedanken um die Arbeitsplätze machen", und andere in Zeitungskommentaren schreiben würden, die Schülerinnen sollen doch besser studieren gehen, statt zu demonstrieren – "da sieht man, das ist so unglaublich alt und seltsam disparat zu dem, das Kinder sagen: Es geht hier um zukünftiges Überleben. Schulnoten sind nicht so wichtig wie eine gesicherte Lebenssphäre." Insofern sei in der Protestbewegung "noch ordentlich Potenzial drin".
Aus Sicht von Welzer haben wir es mit der "Neuentstehung einer politischen Generation" zu tun. "Es geht hier um die politische Durchsetzung von Interessen, insbesondere einer jüngeren Generation."
Klimaschutzgesetz ist "ambitioniert" und "konsequent"
Mit Blick auf Deutschlands Klimapolitik lobt Welzer das von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) vorgelegte Klimaschutzgesetz, das verbindliche Emissionsgrenzen vorsieht. "Der Plan ist nicht nur ambitioniert. Er ist auch das Einzige, was man tatsächlich konsequenterweise auf dieser Ebene machen kann."
Die Umweltministerin möchte verbindliche Emissionsgrenzen für unterschiedliche Ressorts wie Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft festlegen. Für jeden Sektor soll demnach für jedes Jahr eine Menge an klimaschädlichen Emissionen festgelegt werden, die nicht überschritten werden darf.
Solche verbindlichen Vorgaben seien unabdingbar, meint Welzer. Denn würde man – wie beim bisherigen Klimaschutzgesetzt – immer "im Rahmen der Unverbindlichkeit bleiben", werde es immer andere Prioritäten geben. "Natürlich insbesondere auf Ebene der Fachministerien."
Ein Rahmen des Klimaschutzes würde immer "äußerlich bleiben", wenn man nicht sage: "Ihr müsst das und das machen, es gibt Reduktionsziele – und wenn ihr die nicht einhaltet, dann gibt es Sanktionen dafür."
"Es ist erschütternd, wie unrealistisch diese Leute sind"
In der Union stoßen die Pläne des Umweltministeriums auf teils heftige Kritik. Der CDU-Wirtschaftsrat warf Schulze "Planwirtschaft" und eine "Ideologisierung der Umweltpolitik" vor.
"Da wird dann immer in die Mottenkiste gegriffen und Sozialismus und Planwirtschaft und so weiter gerufen", sagt Welzer – insbesondere von Seiten der CSU. "Es ist immer wieder erschütternd, wie unglaublich unrealistisch diese Leute sind. Weil: Es gibt einfach eine Unabweisbarkeit, dass dieses Problem Klimawandel uns und insbesondere natürlich auch jüngere Menschen immer weiter auf den Leib rückt" und die "künftigen Lebensvoraussetzungen" bestimme.
"Und dann immer mit Partikularinteressen, Arbeitsplätzen, Fortschritt und so weiter zu kommen" und Forderungen in Bezug auf Klimawandel "im Grunde illusionär zurückzuweisen – das ist wirklich faszinierend". Dies zeige, "wie wenig sich in der politischen Klasse in den letzten Jahrzehnten getan" habe. "Das muss man wirklich mit Erschütterung feststellen."
(lk)