Der Tahrir-Platz kommt nach Heidelberg
Schon lange vor dem "Theatertreffen" in Berlin und den "Autorentheatertagen" der verschiedenen Intendanzen von Ulrich Khuon suchte das Heidelberger Theater mit seinem "Stückemarkt" nach neuen Ideen. In diesem Jahr war Ägypten Gastland - doch der "Stückemarkt" tat sich schwer damit.
Ausgerechnet Ägypten. Natürlich war das Land in aller Munde, seit Langzeit-Präsident Hosni Mubarak stürzte, vor etwas mehr als einem Jahr; aber schon der regelmäßige Nachrichten-Blick auf die Folgen der Revolution macht dem Publikum hier zu Lande Mal um Mal sehr drastisch klar, wie voraussetzungslos wir sympathisieren- Als also Holger Schultze, aus Osnabrück neu zugewandert als Heidelberger Intendant, den Schwerpunkt "Ägypten" wählte für den ersten eigenen "Stückemarkt", war auch das Problem programmiert - "Kultur in Ägypten" wäre eigentlich und in erster Linie das Thema für eine ganze Serie von Seminaren; und danach wären auch ein paar Theatertexte willkommen. In Heidelberg jetzt war es naturgemäß umgekehrt, viel zu wenig vorbereitet trafen wir auf sehr viel fremde Welt.
Dann begann der Aufstand - Dunja schaut ihm per Livestream auf dem Handy zu, skypt mit der Freundin in New York und fühlt sich nutzlos, weil die Mutter (erfahren mit Polizeieinsätzen, seit sie selber im Knast saß im Gefolge der Unruhen nach der Ermordung von Mubaraks Vorgänger Sadat) die Tochter nicht hinaus lässt auf den Tahrir-Platz. Mitmachen oder zuschauen - das ist der Kern-Konflikt des Erstlings der Universitätsdozentin Zeinab Magdy, die sicherlich beispielhaft steht für die junge intellektuelle Oberschicht des Landes. Der Kampf um den politischen Alltag allerdings ist ihr nicht genug - obendrein verwebt sie den Umsturz mit der revoltierenden Sexualität der jungen Frau. Und die Revolution auf der Straße - das zeigt der Text- ändert noch nicht sehr viel an den Zwängen des Alltags, speziell zwischen den auf Rollenmustern festgelegten Geschlechtern und den zwischen Erinnerung und Aktion hin und her driftenden Generationen.
"Angst" heißt das eher konventionell wirkende Kammerspiel von Hatem Hafez - ein angehender Geschäftsmann gerät eher zufällig in die Hände bewaffneter Outsider der Gesellschaft; wie kriminell die sind, bleibt durchaus unklar - und nicht von Schuld ist die Rede, sondern von den Mechanismen von Unruhe und Angst; deutliche Bezüge zur Aktualität sind nicht auszumachen - der Autor, Journalist, Dramatiker und Dozent, scheint nicht (wie Magdy) unbedingt Teil des Um- und Aufbruchs zu sein. Wie repräsentativ sein Schreiben ist, war nicht zu erkunden.
Wie überhaupt mehr Stück-Begleitung nötig gewesen wäre für die Begegnung mit den neuen ägyptischen Texten - "A'raies" oder 'Zehn Jungfrauen‘ von Dina Soliman, einer kraftvollen Feministin mit Kopftuch, führt als stärkster unter den ägyptischen Texten tief hinein in die Denk- und Gefühlswelt ägyptischer Frauen, erzählt vom Opfergang der "Niljungfrau" ebenso wie vom Kampf um befreite Sexualität .
Möwengeschrei markierte die Eröffnung des Stückemarkts - der Wiener Dramatiker Stefan Lack beschwört für "Die Verfassung der Strände" gleich ein ganzes Sortiment von Katastrophen-Szenarien: ölverseuchte Strände und verantwortungslose Manager, lärmende Kreuzfahrt-Touristen, gnadenlose Piraten und ein Fernsehteam, schließlich den Tsunami aller Tsunamis, der die Welt als solche zehn Meter unter Wasser setzt .
Lacks monumentale Textflächen waren im Vorjahr immerhin nominiert beim Stückemarkt; Regisseurin Marie Bues und das engagierte Ensemble haben jetzt für die Uraufführung mit viel Energie getan, was möglich war, um der Wucht der Worte zumindest einleuchtende szenische und spielerische Grundierungen zu verpassen; trotzdem bleibt Lacks Meer-Gemurmel viel zu jelineckisch: ein Zitaten-, besser: Imitaten-Salat im Sprach-Geist der Nobelpreisträgerin. Nur dass die Witzeleien aus der Wortspielhölle noch ein wenig dämlicher daher kommen als schon bei Jelinek selber oft: "Meer, rette Dich! Oder doch besser Meerrettich?" Wer's mag ...
In bester Verfassung waren bei Lack also nicht nur die Strände nicht. Und der Stückemarkt tat sich merklich schwer mit Ägypten. Jetzt füllen Gastspiele von Uraufführungen und Nach-Inszenierungen neuer Stücke die Woche - bevor am Wochenende sieben junge Autorinnen und Autoren antreten zum Wettbewerb um die Preise beim Heidelberger Stückemarkt.
Dann begann der Aufstand - Dunja schaut ihm per Livestream auf dem Handy zu, skypt mit der Freundin in New York und fühlt sich nutzlos, weil die Mutter (erfahren mit Polizeieinsätzen, seit sie selber im Knast saß im Gefolge der Unruhen nach der Ermordung von Mubaraks Vorgänger Sadat) die Tochter nicht hinaus lässt auf den Tahrir-Platz. Mitmachen oder zuschauen - das ist der Kern-Konflikt des Erstlings der Universitätsdozentin Zeinab Magdy, die sicherlich beispielhaft steht für die junge intellektuelle Oberschicht des Landes. Der Kampf um den politischen Alltag allerdings ist ihr nicht genug - obendrein verwebt sie den Umsturz mit der revoltierenden Sexualität der jungen Frau. Und die Revolution auf der Straße - das zeigt der Text- ändert noch nicht sehr viel an den Zwängen des Alltags, speziell zwischen den auf Rollenmustern festgelegten Geschlechtern und den zwischen Erinnerung und Aktion hin und her driftenden Generationen.
"Angst" heißt das eher konventionell wirkende Kammerspiel von Hatem Hafez - ein angehender Geschäftsmann gerät eher zufällig in die Hände bewaffneter Outsider der Gesellschaft; wie kriminell die sind, bleibt durchaus unklar - und nicht von Schuld ist die Rede, sondern von den Mechanismen von Unruhe und Angst; deutliche Bezüge zur Aktualität sind nicht auszumachen - der Autor, Journalist, Dramatiker und Dozent, scheint nicht (wie Magdy) unbedingt Teil des Um- und Aufbruchs zu sein. Wie repräsentativ sein Schreiben ist, war nicht zu erkunden.
Wie überhaupt mehr Stück-Begleitung nötig gewesen wäre für die Begegnung mit den neuen ägyptischen Texten - "A'raies" oder 'Zehn Jungfrauen‘ von Dina Soliman, einer kraftvollen Feministin mit Kopftuch, führt als stärkster unter den ägyptischen Texten tief hinein in die Denk- und Gefühlswelt ägyptischer Frauen, erzählt vom Opfergang der "Niljungfrau" ebenso wie vom Kampf um befreite Sexualität .
Möwengeschrei markierte die Eröffnung des Stückemarkts - der Wiener Dramatiker Stefan Lack beschwört für "Die Verfassung der Strände" gleich ein ganzes Sortiment von Katastrophen-Szenarien: ölverseuchte Strände und verantwortungslose Manager, lärmende Kreuzfahrt-Touristen, gnadenlose Piraten und ein Fernsehteam, schließlich den Tsunami aller Tsunamis, der die Welt als solche zehn Meter unter Wasser setzt .
Lacks monumentale Textflächen waren im Vorjahr immerhin nominiert beim Stückemarkt; Regisseurin Marie Bues und das engagierte Ensemble haben jetzt für die Uraufführung mit viel Energie getan, was möglich war, um der Wucht der Worte zumindest einleuchtende szenische und spielerische Grundierungen zu verpassen; trotzdem bleibt Lacks Meer-Gemurmel viel zu jelineckisch: ein Zitaten-, besser: Imitaten-Salat im Sprach-Geist der Nobelpreisträgerin. Nur dass die Witzeleien aus der Wortspielhölle noch ein wenig dämlicher daher kommen als schon bei Jelinek selber oft: "Meer, rette Dich! Oder doch besser Meerrettich?" Wer's mag ...
In bester Verfassung waren bei Lack also nicht nur die Strände nicht. Und der Stückemarkt tat sich merklich schwer mit Ägypten. Jetzt füllen Gastspiele von Uraufführungen und Nach-Inszenierungen neuer Stücke die Woche - bevor am Wochenende sieben junge Autorinnen und Autoren antreten zum Wettbewerb um die Preise beim Heidelberger Stückemarkt.