Der teuerste lebende Künstler der Welt

Von Matthias Thibaut |
Er hatte einst in Kunst eine Fünf und wurde von Kunsthochschulen abgelehnt. Inzwischen gilt der 1965 geborene Damien Hirst mit seinen Arbeiten, die Museum und Schlachthof zusammenbringen, als teuerster lebender Künstler. Die Kunstzeitung "Monopol" beschäftigt sich in ihrem "Berlin-Jubelheft" mit seinem Aufenthalt in der Hauptstadt.
Als der amerikanische Sammler Steven Cohen Anfang des Jahres dem Londoner Supersammler Charles Saatchi seinen Haifisch in Formaldehyd abkaufte, wurde Damien Hirst der teuerste lebende Künstler der Welt: 8 Millionen Dollar kostete der Fisch, der jahrelang Starattraktion der Londoner Saatchi Collection war, eine Ikone der Gegenwartskunst mit ihren megalomanischen Obsessionen, ihrer Sensationslust, ihrem Blick für das schnelle Statement und das prägnante Bild.

Erstaunlich, sagte Hirst einmal, was man mit einer 5 in Kunst, einer perversen Fantasie und einer Kettensäge alles erreichen kann - - säuberlich zersägte Kuh- und Kalbsleichen gehörten zu seinen frühen Showstücken.

1965 in Leeds geboren, hat Hirst eine unauffällige Jugend verbracht und am Küchentisch im Reihenhäuschen gerne, aber ohne besonderes Talent gezeichnet. Zwei Kunsthochschulen lehnten ihn ab. Bei der dritten, dem Goldsmith College in London, schwänzte er das zweite Jahr die meiste Zeit. Er hielt es für sinnvoller, mit Freunden die Ausstellung "Freeze" zu organisieren. Das war 1988. Die Show lockte Saatchi an, der den jungen Kunststudenten unter seine Fittiche nahm. Der Rest ist Geschichte.

Hirst wurde Organisator, Leitfigur und Aushängeschild der "Young British Artists", die in den neunziger Jahren die Kunstszene aufmischten. Saatchis Ausstellung "Sensation" 1997 machte Hirst zum Weltstar. Er war der meistgenannte Künstler der Gegenwart, Ausstellungsmacher, Musikverleger, Pop-Videokünstler. Restaurantbesitzer. Als Sotheby's vergangenes Jahr das Interieur von Hirsts ehemaligen Pharmacy Restaurant für 12 Millionen Pfund vesteigerte, erzielten noch die Aschenbecher Kunstpreise. Hirst entwarf einen Minigolfplatz, bei dem man Golfbälle in haarige Hintern schießen kann. Ein italienischer Sammler kaufte seine neuen Apostelbilder, um sie dem Vatikan zu schenken. Dutzende von Assistenten malen Hirst Spot Paintings, die nach einem Nummernsystem entworfen werden. Dabei kann Hirst mit Malerei eigentlich gar nichts anfangen:

" Ich bin Künstler, Skulpteur, kein Maler. Jemand sagte, die größte Idee der Kunst im 20. Jahrhundert ist die Collage, und das ist, was ich mache. Wenn man mir fertige Elemente gibt, kann ich sie arrangieren. Wenn man mir eine leere Leinwand und Farbe gibt, ich wüsste zum Teufel nicht, was ich malen sollte, die unendlichen Möglichkeiten sind einfach zu viel."

Hirsts Kunst zwingt zusammen, was nicht zusammengehört. Schönheit und Ekel, Museum und Schlachthof, die minimalistische kontrollierte Eleganz seiner Vitrinen und das blutverschmiertes Chaos. Tod und Leben, Gott und profane Schockimpulse, die Instant-Berühmtheit garantieren.

Für die "Sunday Times" ließ er sich nackt unter Rinderteilen fotografieren. Auch andere Künstler brachten es auf die Titelseiten der Magazine - Hirst hat die Kunst aus dem Zirkel der Eliten in die Domäne von Pop und Boulevard gebracht. Heute ist er berühmt, weil er berühmt ist. In diesem Sommer tat er es den echten Popstars gleich. Für 5 Millionen Pfund kaufte er das verfallene Schloss Toddington Manor in den Cotswolds.

Das Feuilletongespräch zum Thema mit dem Herausgeber von "Monopol - Zeitschrift für Kunst und Leben", Florian Illies, das sich in der Ausgabe des so genannten Berlin-Jubelhefts mit Hirsts Berliner Aufenthalt 1993/1994 beschäftigt, können Sie in der rechten Spalte als Audio hören.