Folge 46

Schmaler Grat: Theater zwischen Boykott und Kulturaustausch

45:28 Minuten
Schauspieler, teilweise mit Masken lehnen ausdrucksstark gegen eine Scheibe
"Wie stark kann man sich positionieren, die Stimme erheben?", fragte sich Thomas Ostermeier bei Gastspielen etwa in China oder Iran. © Gianmarco Bresadola
Von Susanne Burkhardt und Elena Philipp |
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Krieg in der Ukraine, die Pandemie und Autokraten: Kulturaustausch wird schwieriger. Warum sie ihn aber für unerlässlich halten, erzählen die kroatische Regisseurin Tea Tupajić und Thomas Ostermeier von der Berliner Schaubühne im Theaterpodcast.
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine erschüttert Europa. Viele Stimmen auf ukrainischer Seite fordern den Boykott russischer Kultur und Kunst.
30 Jahre nach den Balkankriegen hält die kroatische Theaterregisseurin Tea Tupajić davon zwar nichts, erklärt aber im Theaterpodcast, warum es ihr, die die Belagerung in Sarajevo erlebt hat, nicht leicht fällt, gegen den Boykott zu sein: „Du musst wirklich etwas in dir selbst töten, damit du den Kollegen wieder vertrauen kannst.“ 
Zwei Personen in einem dunklen Raum, sichtbar von hinten ein Mann, sichtbar von vorn eine Frau.
Regisseurin Tea Tupajic ist gegen einen Kulturboykott – erklärt aber auch, warum das nicht leichtfällt.© Jean Counet

Festhalten an der Idee des Austauschs

Auch Thomas Ostermeier, der künstlerische Leiter der Berliner Schaubühne, hat Verständnis für die Ablehnung russischer Kultur durch ukrainische Künstlerinnen und Künstler. Für sich selbst aber hält er an der Idee des Austauschs fest – also auch an Gastspielen in Ländern wie China oder dem Iran.
Dort hört er immer wieder vom Publikum, wie notwendig es sei, dass die „kleine Prozentzahl derer, die in diesen Ländern noch frei Meinungsäußerung, Kunstfreiheit, emanzipatorische Kämpfe versucht zu thematisieren, aus der westlichen Welt Unterstützung bekommt; dass zwischen der Regierung im Iran und den Iranern unterschieden wird“. 

Zwischen Kollaboration und Positionierung

Sehr oft fragten dann westliche Medien, ob er sich nicht zum Kollaborateur mache, wenn er mit dem Schaubühnen-Ensemble etwa nach China reise, erzählt Ostermeier. Das sei immer ein schmaler Grat: "Wie stark kann man sich positionieren, die Stimme erheben?"

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Nah an den Konflikten zu sein, keinesfalls harmloser als die Realität – das ist auch die Auffassung von Kunst, der Tea Tupajić folgt: „Wenn wir Kultur sagen, dann sagen wir Theater, Festivals, Kulturpolitik. Wenn wir Kunst sagen, dann reden wir über Mut und davon, die Grenzen zu überqueren – über Leben und Tod.“
Bühnenbild einer Person im Lichtkegel
Verständnis für die Position ukrainischer Künstler: Thomas Ostermeiser von der Berliner Schaubühne hält dennoch an der Idee des Austauschs fest.© Barbara Braun / MuTphoto
Wie widersprüchlich der internationale Kulturaustausch sein kann und warum es dabei nicht nur um Verständigung und Versöhnung gehen kann, darüber sprechen Tupajić und Ostermeier im Theaterpodcast.

Wer macht den Theaterpodcast?
Einmal im Monat greift der Theaterpodcast die wichtigen Debatten rund um das Theater und seine Macherinnen und Macher auf. Über die Kunst und den Betrieb, in dem immer noch zu wenig Frauen das Sagen haben, sprechen zwei Theaterredakteurinnen: Susanne Burkhardt vom Deutschlandfunk-Kultur-Theatermagazin Rang 1 und Elena Philipp vom Onlineportal nachtkritik.de.

Susanne Burkhardt studierte Kulturwissenschaft, Betriebswirtschaft und Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und in London (Middlesex University). Sie ist Diplom-Medienberaterin und begann ihre Radiokarriere als Hörspielregieassistentin beim Sender Freies Berlin (später RBB). Nach einem Volontariat beim Deutschlandradio ist sie seit 2001 Redakteurin, Autorin und Moderatorin bei Deutschlandfunk Kultur.

Elena Philipp studierte in Freiburg Politik und Soziologie, entschied sich nach einer Regiehospitanz aber für ein Studium der Theater-, Film- und Literaturwissenschaft in Berlin. Dort arbeitete sie für Tanzfestivals, war Mitgründerin eines Literaturmagazins und eines Text-Ton-Festivals und etablierte beim Literaturwettbewerb Open Mike das Livebloggen. Seit 2006 schreibt sie für Tageszeitungen und Fachmedien über Theater und Tanz. 2017 wurde sie Redakteurin beim Online-Theaterfeuilleton nachtkritik.de.

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