Der Tod ist ihr Begleiter
Connie Palmen balanciert am Rande eines Abgrunds: Im Laufe eines Jahres versterben ihr Ehemann, der niederländische Politiker Hans van Miero, dessen Tochter, dessen Schwester, Freunde, Nachbarn und Kollegen. In ihrem "Logbuch" verarbeitet die Autorin das Schreckensjahr.
Eine bekannte Schriftstellerin trifft mit Anfang 40 bei ihrem Kollegen Cees Noteboom einen 20 Jahre älteren Politiker. Sie, Connie Palmen, hat gerade ein aufwühlendes Buch herausgebracht, in dem sie über den plötzlichen Tod ihrer großen Liebe, des Journalisten und Talkmasters Ischa Meijer, berichtet. Er, Hans van Mierlo, hat in diesem Jahr seine Karriere als Außenminister und Stellvertretenden Ministerpräsident der Niederlande beendet.
Die beiden verlieben sich auf der Stelle ineinander. Sie werden ein Paar und heiraten genau elf Jahre und elf Tage später, am 11.11.2009. Kurz darauf kommt Hans van Mierlo aufgrund akuten Multiorganversagens ins Krankenhaus. Im März 2010 stirbt er. Zwei Monate später, als sie bemerkt, dass von den Erinnerungen der letzten gemeinsamen Wochen einige verblassen, beginnt Connie Palmen, sich Notizen zu machen. Ein knappes Jahr lang - dann hat sie ihr "Logbuch eines unbarmherzigen Jahres" beendet.
Ein Text, in dem sich Aufzeichnungen innerer Zustände mit essayistischen Erkundungen zu Trauer und Tod, literaturkritischen Exkursen sowie Szenen einer leidenschaftlichen Liebe mischen. Mit ihrem "Logbuch" balanciert Connie Palmen am Rande eines Abgrunds – ohne abzustürzen. Anrührend ihre Fähigkeit zum Schmerz, bewundernswert ihre menschliche Energie, ihr ungebrochener Wille zur Selbstreflexion, ihr analytisches Vermögen und das hohe literarische Formbewusstsein - dadurch hält der Leser die Konfrontation mit dem Beschriebenen aus. Was er erfährt, ist ungemein intim, doch niemals gerät er in die Rolle eines Voyeurs.
"Logbuch" nennt die Autorin - in Abgrenzung zum Tagebuch - ihre Erinnerungen an eine große Liebe und die Auseinandersetzung mit dem Tod. Das Logbuch erscheint ihr, im Gegensatz zum Tagebuch, als angemessene Möglichkeit, Schmerz und Trauer über den Verlust des Geliebten und des damit einhergehenden Sich-selbst-Abhandenkommens festzuhalten: "Man kann ein Log in den Strom des Kummers senken, dessen Geschwindigkeit messen, dessen Tiefe peilen."
Der Leser wird unweigerlich in ein "annus horribilis" hineingezogen. Und fragt sich, wie kann ein Mensch das aushalten? Es muss eine tatsächlich außergewöhnliche Liebe zwischen Connie Palmen und Hans van Miero gewesen sein, altersweise, ironisch und zugleich voller Leben. Eine Liebe des tiefen Verständnisses füreinander und der kleinen Gesten, der gegenseitigen Inspiration und der Lust am anderen. Und als wäre dieser eine Verlust nicht schon genug, sterben im Laufe des beschriebenen Jahres weiterhin, fast jeden Monat, Nachbarn, Kollegen und Freunde Connie Palmens, darunter, besonders schmerzlich, Schwester und Tochter ihres toten Mannes.
Die Autorin beschreibt angesichts dieser anhaltenden Katastrophe radikal ihre Gefühle: Verzweiflung, Scham und Selbstzerstörungswünsche. Selten gibt sich jemand so sehr preis und behält dennoch seine Würde. Der Kummer der Autorin über den Tod bleibt am Ende des Logbuchs bestehen, doch: "Dem Immer des Todes steht das Immer der Literatur gegenüber."
Besprochen von Carsten Hueck
Die beiden verlieben sich auf der Stelle ineinander. Sie werden ein Paar und heiraten genau elf Jahre und elf Tage später, am 11.11.2009. Kurz darauf kommt Hans van Mierlo aufgrund akuten Multiorganversagens ins Krankenhaus. Im März 2010 stirbt er. Zwei Monate später, als sie bemerkt, dass von den Erinnerungen der letzten gemeinsamen Wochen einige verblassen, beginnt Connie Palmen, sich Notizen zu machen. Ein knappes Jahr lang - dann hat sie ihr "Logbuch eines unbarmherzigen Jahres" beendet.
Ein Text, in dem sich Aufzeichnungen innerer Zustände mit essayistischen Erkundungen zu Trauer und Tod, literaturkritischen Exkursen sowie Szenen einer leidenschaftlichen Liebe mischen. Mit ihrem "Logbuch" balanciert Connie Palmen am Rande eines Abgrunds – ohne abzustürzen. Anrührend ihre Fähigkeit zum Schmerz, bewundernswert ihre menschliche Energie, ihr ungebrochener Wille zur Selbstreflexion, ihr analytisches Vermögen und das hohe literarische Formbewusstsein - dadurch hält der Leser die Konfrontation mit dem Beschriebenen aus. Was er erfährt, ist ungemein intim, doch niemals gerät er in die Rolle eines Voyeurs.
"Logbuch" nennt die Autorin - in Abgrenzung zum Tagebuch - ihre Erinnerungen an eine große Liebe und die Auseinandersetzung mit dem Tod. Das Logbuch erscheint ihr, im Gegensatz zum Tagebuch, als angemessene Möglichkeit, Schmerz und Trauer über den Verlust des Geliebten und des damit einhergehenden Sich-selbst-Abhandenkommens festzuhalten: "Man kann ein Log in den Strom des Kummers senken, dessen Geschwindigkeit messen, dessen Tiefe peilen."
Der Leser wird unweigerlich in ein "annus horribilis" hineingezogen. Und fragt sich, wie kann ein Mensch das aushalten? Es muss eine tatsächlich außergewöhnliche Liebe zwischen Connie Palmen und Hans van Miero gewesen sein, altersweise, ironisch und zugleich voller Leben. Eine Liebe des tiefen Verständnisses füreinander und der kleinen Gesten, der gegenseitigen Inspiration und der Lust am anderen. Und als wäre dieser eine Verlust nicht schon genug, sterben im Laufe des beschriebenen Jahres weiterhin, fast jeden Monat, Nachbarn, Kollegen und Freunde Connie Palmens, darunter, besonders schmerzlich, Schwester und Tochter ihres toten Mannes.
Die Autorin beschreibt angesichts dieser anhaltenden Katastrophe radikal ihre Gefühle: Verzweiflung, Scham und Selbstzerstörungswünsche. Selten gibt sich jemand so sehr preis und behält dennoch seine Würde. Der Kummer der Autorin über den Tod bleibt am Ende des Logbuchs bestehen, doch: "Dem Immer des Todes steht das Immer der Literatur gegenüber."
Besprochen von Carsten Hueck
Connie Palmen: Logbuch eines unbarmherzigen Jahres
Diogenes Verlag, Zürich 2013
264 Seiten, 21,90 Euro
Diogenes Verlag, Zürich 2013
264 Seiten, 21,90 Euro