Der Traum vom aufblühenden Judentum in Portugal
Die Synagoge Mekor Haim Kadoori in der portugiesischen Küstenstadt Porto ist seit 75 Jahren die größte und vielleicht schönste auf der gesamten iberischen Halbinsel. Doch nicht nur ihre Baukunst zeichnet sie aus, sondern auch ihre besondere Geschichte.
Es regnet in Strömen an diesem Sonntagmorgen in der portugiesischen Hafenstadt Porto. Kaum jemand ist auf den Beinen, nur im noblen Villenviertel Boa Vista versammelt sich eine üppige Traube Menschen vor der imposanten Synagoge Mekor Haim Kadoori, dem sogenannten "Tempel des Nordens".
Vor dem Gotteshaus säumen mehrere Polizeiwagen den Straßenrand, die Beamten grüßen freundlich, aber zurückhaltend. Eilig steigen die geladenen Gäste unter aufgespannten Regenschirmen die breite Treppe hinauf. Am Eingang zum Tempel verteilt ein kleiner Junge eifrig schwarze Kippot, der Rabbiner Daniel Litvak begrüßt die Besucher persönlich und bittet sie herzlich in die opulente Eingangshalle.
Die Synagoge ist seit ihrer Einweihung vor 75 Jahren die größte und vielleicht schönste ihrer Art auf der gesamten iberischen Halbinsel. Die Wände sind mit den typischen Azulejo Kacheln portugiesischer Fassaden geschmückt, hohe Fenster erstrecken sich über beide Gebetsräume und in der Mitte, zwischen Tevah und Bima, krönt eine 14 Meter hohe Kuppel den festlichen Gebetssaal.
1938, als in Deutschland die Synagogen brannten, wurde der "Quell des Lebens", so die deutsche Übersetzung, vom portugiesischen Armeegeneral Arturo de Barros Basto festlich eingeweiht. Er, selbst Nachfahre von sogenannten Marranen - Zwangskonvertierten aus dem Mittelalter - war beseelt vom Traum eines nach Inquisition und Exodus erneut aufblühenden Judentums in Portugal.
Das eindrucksvolle Gebäude, viel zu groß für die kleine Gemeinde und die geringe Zahl portugiesischer Juden, steht exemplarisch für diesen Traum. Rabbi Daniel Litvak, der als Teilzeitrabbiner zwischen Porto und Ashdot in Israel pendelt und heute gemeinsam mit Gemeindevertretern aus Lissabon und London die Jubiläumszeremonie leitet, erklärt die kulturellen Verbindungen, die damals für den Bau geschaffen wurden und bis heute anhalten:
"Barros Basto versammelte die wenigen jüdischen Familien in Porto und gründete die Gemeinde im Jahr 1927. Abraham Israel Ben Rosh, so nannte er sich nach seiner Konversion, verbrachte viel Zeit damit, von Dorf zu Dorf zu reiten und die versteckten Juden nach Porto in seine Yeshiva Rosh Pina einzuladen. Insgesamt durchliefen rund 800 Schüler die Talmudschule im oberen Teil der Synagoge, die dann symbolisch der Tempel für die verstreuten Juden werden sollte. Er plante schließlich die große Rückkehr der portugiesischen Marranen. Dieser Traum erfüllte sich leider nicht, der General wurde angefeindet, verleumdet und 1937 schließlich unehrenhaft aus dem Militär entlassen. Die Gemeinde hier war zahlenmäßig immer klein und hätte dieses große Bauwerk nie alleine finanzieren können. Zu diesem Zweck ist von der Anglo Jewish Association damals das Portuguese Marrano Commitee in London gegründet worden, das die Finanzierung der Synagoge koordinierte. Einige Vertreter der Londoner Gemeinde sind daher heute auch hier."
Die Zeremonie für die über 200 geladenen Gäste aus Politik und Gesellschaft wird daher abwechselnd auf Englisch, Portugiesisch und Hebräisch gehalten, der israelische Botschafter parliert im flüssigen Portugiesisch, der Gemeindepräsident aus London scherzt auf Englisch mit dem gebürtigen Argentinier Litvak Die sephardischen Netzwerke wirken intakt, man gibt sich hier in der Synagoge betont weltoffen, schließlich lag diese Idee im Sinne ihres Gründers.
Der beeindruckte mit seinem Enthusiasmus seiner Zeit nicht nur namhafte jüdische Historiker wie Cecil Roth oder Lucien Wolf, in den 30er-Jahren koordinierte Barros Basto den Exodus deutscher und osteuropäischer Juden über Portugal in die neue Welt. Das Erbe Ben Roshs verwaltet heute seine Enkelin Isabel Ferreira Lopes, Vizepräsidentin der Gemeinde zu Porto. Eigentlich ist sie es, die heute in die Synagoge ihres Großvaters lädt. Herzlich begrüßt die rüstige Dame die Gäste im Vorraum und bittet die Damen, auf der Empore Platz zu nehmen:
"Ich glaube, die Zeremonie heute geht in die Geschichte ein. Mehr als 200 geladene Gäste aus aller Welt sind hergekommen. Ganz besonders bewegend empfand ich die Rede von Antonio Marinho Pinto, er ist der Präsident der portugiesischen Anwaltskammer und wie mein Großvater in Almarante, hier in der Nähe von Porto, geboren. Für mich und meine Familie war es enorm wichtig, dass er heute hier gesprochen hat, denn er war derjenige, der maßgeblich an der Rehabilitierung meines Großvaters beteiligt war. Die unermüdliche Arbeit meines Großvaters wurde ja kurz vor dem Zweiten Weltkrieg durch Verleumdungen jäh unterbunden und für uns ist es eine besondere Genugtuung, dass die Gerechtigkeit auch 74 Jahre danach triumphiert und seiner heute hier gedacht wird."
Auf Lopes Bestreben hin ist es gelungen, vom portugiesischen Parlament vergangenes Jahr eine Rehabilitierung ihres Großvaters post mortem zu erwirken, die Feierlichkeiten heute stehen daher voll und ganz im Zeichen dieser späten Anerkennung.
Litvak: "Das Klima in Portugal ist generell philosemitisch eingestellt, das beweist ja das rege Erscheinen der Gäste heute. Versteckte Juden wie zu Zeiten von Barros Basto sollte es also in der heutigen offenen Gesellschaft nicht mehr geben. Nach der letzten Volksumfrage bezeichneten sich jedoch rund 7000 Menschen als jüdisch - und das, wo wir gerade einmal 1000 Juden in Portugal kennen. Das ist eigentlich für eine offene Gesellschaft ungewöhnlich. In den ländlichen Gegenden gibt es wahrscheinlich auch heute noch Menschen, die jüdische Bräuche praktizieren, sich aber nicht offen zum Judentum bekennen."
Die Emissäre der israelischen Organisation Shavei Israel arbeiten seit einigen Jahren in eben jenen ländlichen Gebieten Portugals unermüdlich an der Wiederbelebung des Traumes von Barros Basto. Dort geben sie in abgelegenen Bergdörfern Hebräischunterricht, vor einem halben Jahr wurde sogar eine neue Synagoge in der Bergregion der Serra da Estrela eingeweiht. Litvak war selbst vor einigen Jahren mit Shavei nach Portugal gekommen, mittlerweile habe man sich wegen inhaltlicher Differenzen jedoch getrennt. Warum die Emissäre zu den Feierlichkeiten in Porto nicht geladen wurden, wollte Litvak mit dem Verweis auf die gute Zusammenarbeit allerdings nicht kommentieren.
Mehr zum Thema:
Neue Christen, neue Juden
Ehemals zwangsgetaufte "Conversos" im portugiesischen Belmonte (DKultur)
Vor dem Gotteshaus säumen mehrere Polizeiwagen den Straßenrand, die Beamten grüßen freundlich, aber zurückhaltend. Eilig steigen die geladenen Gäste unter aufgespannten Regenschirmen die breite Treppe hinauf. Am Eingang zum Tempel verteilt ein kleiner Junge eifrig schwarze Kippot, der Rabbiner Daniel Litvak begrüßt die Besucher persönlich und bittet sie herzlich in die opulente Eingangshalle.
Die Synagoge ist seit ihrer Einweihung vor 75 Jahren die größte und vielleicht schönste ihrer Art auf der gesamten iberischen Halbinsel. Die Wände sind mit den typischen Azulejo Kacheln portugiesischer Fassaden geschmückt, hohe Fenster erstrecken sich über beide Gebetsräume und in der Mitte, zwischen Tevah und Bima, krönt eine 14 Meter hohe Kuppel den festlichen Gebetssaal.
1938, als in Deutschland die Synagogen brannten, wurde der "Quell des Lebens", so die deutsche Übersetzung, vom portugiesischen Armeegeneral Arturo de Barros Basto festlich eingeweiht. Er, selbst Nachfahre von sogenannten Marranen - Zwangskonvertierten aus dem Mittelalter - war beseelt vom Traum eines nach Inquisition und Exodus erneut aufblühenden Judentums in Portugal.
Das eindrucksvolle Gebäude, viel zu groß für die kleine Gemeinde und die geringe Zahl portugiesischer Juden, steht exemplarisch für diesen Traum. Rabbi Daniel Litvak, der als Teilzeitrabbiner zwischen Porto und Ashdot in Israel pendelt und heute gemeinsam mit Gemeindevertretern aus Lissabon und London die Jubiläumszeremonie leitet, erklärt die kulturellen Verbindungen, die damals für den Bau geschaffen wurden und bis heute anhalten:
"Barros Basto versammelte die wenigen jüdischen Familien in Porto und gründete die Gemeinde im Jahr 1927. Abraham Israel Ben Rosh, so nannte er sich nach seiner Konversion, verbrachte viel Zeit damit, von Dorf zu Dorf zu reiten und die versteckten Juden nach Porto in seine Yeshiva Rosh Pina einzuladen. Insgesamt durchliefen rund 800 Schüler die Talmudschule im oberen Teil der Synagoge, die dann symbolisch der Tempel für die verstreuten Juden werden sollte. Er plante schließlich die große Rückkehr der portugiesischen Marranen. Dieser Traum erfüllte sich leider nicht, der General wurde angefeindet, verleumdet und 1937 schließlich unehrenhaft aus dem Militär entlassen. Die Gemeinde hier war zahlenmäßig immer klein und hätte dieses große Bauwerk nie alleine finanzieren können. Zu diesem Zweck ist von der Anglo Jewish Association damals das Portuguese Marrano Commitee in London gegründet worden, das die Finanzierung der Synagoge koordinierte. Einige Vertreter der Londoner Gemeinde sind daher heute auch hier."
Die Zeremonie für die über 200 geladenen Gäste aus Politik und Gesellschaft wird daher abwechselnd auf Englisch, Portugiesisch und Hebräisch gehalten, der israelische Botschafter parliert im flüssigen Portugiesisch, der Gemeindepräsident aus London scherzt auf Englisch mit dem gebürtigen Argentinier Litvak Die sephardischen Netzwerke wirken intakt, man gibt sich hier in der Synagoge betont weltoffen, schließlich lag diese Idee im Sinne ihres Gründers.
Der beeindruckte mit seinem Enthusiasmus seiner Zeit nicht nur namhafte jüdische Historiker wie Cecil Roth oder Lucien Wolf, in den 30er-Jahren koordinierte Barros Basto den Exodus deutscher und osteuropäischer Juden über Portugal in die neue Welt. Das Erbe Ben Roshs verwaltet heute seine Enkelin Isabel Ferreira Lopes, Vizepräsidentin der Gemeinde zu Porto. Eigentlich ist sie es, die heute in die Synagoge ihres Großvaters lädt. Herzlich begrüßt die rüstige Dame die Gäste im Vorraum und bittet die Damen, auf der Empore Platz zu nehmen:
"Ich glaube, die Zeremonie heute geht in die Geschichte ein. Mehr als 200 geladene Gäste aus aller Welt sind hergekommen. Ganz besonders bewegend empfand ich die Rede von Antonio Marinho Pinto, er ist der Präsident der portugiesischen Anwaltskammer und wie mein Großvater in Almarante, hier in der Nähe von Porto, geboren. Für mich und meine Familie war es enorm wichtig, dass er heute hier gesprochen hat, denn er war derjenige, der maßgeblich an der Rehabilitierung meines Großvaters beteiligt war. Die unermüdliche Arbeit meines Großvaters wurde ja kurz vor dem Zweiten Weltkrieg durch Verleumdungen jäh unterbunden und für uns ist es eine besondere Genugtuung, dass die Gerechtigkeit auch 74 Jahre danach triumphiert und seiner heute hier gedacht wird."
Auf Lopes Bestreben hin ist es gelungen, vom portugiesischen Parlament vergangenes Jahr eine Rehabilitierung ihres Großvaters post mortem zu erwirken, die Feierlichkeiten heute stehen daher voll und ganz im Zeichen dieser späten Anerkennung.
Litvak: "Das Klima in Portugal ist generell philosemitisch eingestellt, das beweist ja das rege Erscheinen der Gäste heute. Versteckte Juden wie zu Zeiten von Barros Basto sollte es also in der heutigen offenen Gesellschaft nicht mehr geben. Nach der letzten Volksumfrage bezeichneten sich jedoch rund 7000 Menschen als jüdisch - und das, wo wir gerade einmal 1000 Juden in Portugal kennen. Das ist eigentlich für eine offene Gesellschaft ungewöhnlich. In den ländlichen Gegenden gibt es wahrscheinlich auch heute noch Menschen, die jüdische Bräuche praktizieren, sich aber nicht offen zum Judentum bekennen."
Die Emissäre der israelischen Organisation Shavei Israel arbeiten seit einigen Jahren in eben jenen ländlichen Gebieten Portugals unermüdlich an der Wiederbelebung des Traumes von Barros Basto. Dort geben sie in abgelegenen Bergdörfern Hebräischunterricht, vor einem halben Jahr wurde sogar eine neue Synagoge in der Bergregion der Serra da Estrela eingeweiht. Litvak war selbst vor einigen Jahren mit Shavei nach Portugal gekommen, mittlerweile habe man sich wegen inhaltlicher Differenzen jedoch getrennt. Warum die Emissäre zu den Feierlichkeiten in Porto nicht geladen wurden, wollte Litvak mit dem Verweis auf die gute Zusammenarbeit allerdings nicht kommentieren.
Neue Christen, neue Juden
Ehemals zwangsgetaufte "Conversos" im portugiesischen Belmonte (DKultur)