Türkische Christen retten ihre Kultur
Vor acht Jahren kehrten 13 aramäische Familien nach jahrelangem Exil in Deutschland zurück in ihre alte Heimat im Südosten der Türkei. Dort bauen sie seitdem ihr zerstörtes Dorf Kafro wieder auf.
Izrail Demir schließt die alte Kirche von Kafro auf. Ein schlichter Bau aus mächtigen Mauern mit einem kleinen Turm. 1500 Jahren lang hat die Gemeinde hier Gottesdienst gefeiert:
"Das ist das Taufbecken, da bin ich getauft worden."
Izrail Demirs Taufe ist jetzt 48 Jahre her. Damals war Kafro noch ein blühendes Dorf. Doch es geriet zwischen die Fronten: Die kurdische PKK kämpfte hier gegen die türkische Armee. Tausende Dörfer im Südosten der Türkei wurden in diesem Krieg zerrieben; die Bewohner verjagt oder vertrieben. Das christliche Kafro war jahrelang menschenleer, ein Geisterdorf.
Die Kirche von Kafro verfiel; sie diente als Schießplatz für türkische Soldaten:
"Einschusslöcher. – Manche haben sich verewigt. – Ja, das sind meistens Soldaten."
Das Kirchendach haben die neuen Siedler von Kafro schon repariert. Izrail Demir träumt davon, dass eines Tages hier wieder eine große Gemeinde Gottesdienst feiert:
"Wir hoffen das Beste. Also, wir sind zurückgekommen, aber niemand hat uns gefolgt. Das ist eine Enttäuschung."
Früher, bis in die 80-er Jahre hinein, hatten 300 Familien in Kafro gelebt. Alle sind sie geflüchtet: nach Göppingen, nach Augsburg, manche nach Schweden oder in die Schweiz.
Vor acht Jahren dann haben dreizehn Familien den Schritt zurück gewagt: Sie haben ihre Häuser in Göppingen oder Augsburg verkauft; sich ein neues Heim hier in Kafro aufgebaut. Sie wollen verhindern, dass ihre christlich-aramäische Kultur ausstirbt:
Die Kriege zerstören nach und nach das aramäisch-christliche Leben
Das Vater Unser auf Aramäisch, der Sprache, die schon zu Zeiten von Jesus Christus hier Tur Abdin gesprochen wurde. Die aramäischen Kloster-Anlagen in der Südtürkei sind allesamt aufwändig renoviert. Hier, im Drei-Länder-Eck Türkei - Irak - Syrien blühte einst die christliche Kultur. In der Türkei dürfen die aramäischen Christen ihre Religion jetzt endlich frei ausüben. Aber die Kriege in den Nachbarländern zerstören nach und nach das aramäisch-christliche Leben:
"Irak ist geleert worden von Christen und jetzt wissen wir gar nicht, wie es in Syrien wird."
Aber Izrail Demir gibt nicht auf. Zusammen mit den anderen Familien baut er Kafro weiter aus. Er selbst ist vom Fach und hat hier eine Baufirma aufgemacht.
In der Dorfmitte sitzen gut zwei Dutzend Gäste und Dorfbewohner an Holztischen und –Bänken; Olivenbäume spenden Schatten. Am Rand dieses Dorfplatzes wird der große Backofen angeheizt, denn wenn Gäste kommen, wird in Kafro Pizza serviert – eine leckerer als die andere:
"Also es gibt die gemischte, da ist Gemüse drauf, und es gibt Salami aus Deutschland, je nach Wunsch, der Kunde ist König, ja!"
Sagt die junge Frau mit dem aramäischen Namen Schmuni. Als Jugendliche zog sie mit ihren Eltern von Göppingen nach Kafro, jetzt studiert sie in der Türkei"und hilft gern mal in der Pizzeria von Kafro als Bedienung aus.
"Ja, wir haben einige Kinder. Die gehen hier zur Schule, manche studieren. Und wir haben drei kleine Neugeborene im Dorf."
So wächst Kafro ganz langsam. Platz genug ist vorhanden, sagt Izrail Demir, als er mit einer Besuchergruppe durchs alte Viertel Kafros spaziert. Alle Häuser sind verlassen, bei manchen ist das Dach eingestürzt:
"Also hier zum Beispiel: Das haben wir restauriert, damit das nicht kaputt geht. – Und da zieht hoffentlich auch mal jemand hin. – Ja hoffe‘ mer. Die Hoffnung verlieren wir nicht, aber es sieht nicht gut aus."
Sagt Izrail Demir und blickt rüber zur Pizzeria in der Dorfmitte. Dort sitzen die aramäischen Besucher, die einst auch hier geboren wurden und jetzt über halb Europa verstreut leben. Sie alle kommen gern zum Urlaub hierher; sie alle bewundern den Wiederaufbau-Willen von Izrail Demir und den anderen neuen Siedlern in Kafro. Aber selbst wieder in die alte Heimat ziehen, nein, das trauen sie sich nicht.