Der Trommler aus Danzig
Der Roman "Die Blechtrommel" gehört mit den danach erschienenen Büchern "Katz und Maus" sowie "Hundejahre" zur sogenannten Danziger Trilogie und begründete Grass' Weltruhm. 1959 wurde der Roman veröffentlicht.
Als alle das Gefühl hatten, die deutsche Nachkriegsliteratur mit dem Reportagerealismus ihrer Kriegsromane habe sich festgefahren, erschien genau in diesem Augenblick, vor 50 Jahren, der Roman "Die Blechtrommel" von Günter Grass.
Zugegeben: Ich bin Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt, mein Pfleger beobachtet mich, lässt mich kaum aus dem Auge; denn in der Tür ist ein Guckloch, und meines Pflegers Auge ist von jenem Braun, welches mich, den Blauäugigen, nicht durchschauen kann.
Mit dem Moralischen und Erbauungshaften der damaligen westdeutschen Nachkriegsliteratur hatte der Roman nun wirklich nichts zu tun: ein wüstes Buch, halb des Barock, halb der Gotik, voller fantastischer Bilder und ungewöhnlicher Einfälle. Es erzählt die Geschichte des Oscar Matzerath, der im Alter von drei Jahren zu wachsen aufhört, mit einer Kindertrommel durch die Lande zieht und gegen die Erwachsenenwelt protestiert, ein kleiner Mann mit großen Fähigkeiten, der - unter anderem - Glas durch einen schrillen Schrei zerspringen lassen kann, auch Möglichkeiten der Einsicht in unbewusste Vorgänge besitzt, bis er in ein Irrenhaus gesperrt wird und dort seine Geschichte zu erzählen beginnt.
Sie spielt hauptsächlich in Danzig, dem Geburtsort von Grass, und transportiert neben vielen Familiendetails auch wichtige historische Ereignisse wie den deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939, den Beginn des Zweiten Weltkriegs.
Am 1. September 39 - ich setze voraus, Sie kennen das Datum - da ist meine zweite große Schuld: Ich selbst, Oscar der Trommler, habe nicht nur meine arme Mama ins Grab getrommelt, ich weiß auch, dass ich meinen armen Onkel und mutmaßlichen Vater Jan Gonski in die polnische Post schleppte und so vermutlich seinen Tod verschuldete.
Langsam erzählt sich Oscar in die Gegenwart hinein, mit viel Lokalkolorit aus Düsseldorf und dem Ruhrgebiet, und da lässt der kleine Trommler den später sich politisch engagierenden Bürger Grass schon erkennen.
"Es liegt sicher daran, dass alle meine Bücher auch ein Klima mit sich bringen von der jeweiligen Zeit, in der sie geschrieben wurden. 'Die Blechtrommel' ist ein typisches Buch der 1950er-Jahre. Das liegt auch daran, dass ich mich als Schriftsteller immer auch als Zeitgenossen empfunden habe."
Es ist sicher nicht zufällig, dass Oscar Matzerath ein Zwerg ist und ein Kind - denn das geniale Kind kann unverantwortlich und expressiv und überall dabei sein. Insofern ist der Charakter des Märchens, den das Buch auch hat, gerechtfertigt. Grass rückte seine Geschichte in die Perspektive einer Vergangenheit, aus der auf die Gegenwart geschaut wird, zum Beispiel aus der Erfahrung eines Verlustes von Heimat, der Landschaft um Danzig.
Deshalb war Grass skeptisch, als ihn der berühmte deutsche Verleger Kurt Wolff, während der Nazi-Zeit nach Amerika emigriert, besuchte und wegen einer amerikanischen Ausgabe für Random House nachfragte. Ob er sich vorstellen könne, dass der Roman in Amerika Interesse finden könne.
"Das kann ich mir nicht vorstellen, sagte ich. Das Buch ist bewusst in der deutschen Provinz angesiedelt. Sie müssen gar nicht weiterreden, antwortete Wolff. Das Buch erscheint in Amerika, und dann sagte er den mich stolz machenden Satz: 'Alle große Literatur kommt aus der Provinz.'"
Der Roman "Die Blechtrommel", 1979 von Volker Schlöndorff verfilmt, gehört mit den danach erschienenen Büchern "Katz und Maus" sowie "Hundejahre" zur sogenannten Danziger Trilogie und begründete Grass' Weltruhm. Für ihn selber ist der Roman heute weit weg gerückt und auch noch nicht einmal der Höhepunkt dieser Trilogie.
"Innerhalb dieser ersten Schaffensperiode via Rückblick auf die deutsche Geschichte - 'Die Blechtrommel', 'Katz und Maus' und 'Hundejahre' - ist für mich nach wie vor 'Hundejahre' das wichtigste Buch - aber wer hört schon auf den Autor?"
Zugegeben: Ich bin Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt, mein Pfleger beobachtet mich, lässt mich kaum aus dem Auge; denn in der Tür ist ein Guckloch, und meines Pflegers Auge ist von jenem Braun, welches mich, den Blauäugigen, nicht durchschauen kann.
Mit dem Moralischen und Erbauungshaften der damaligen westdeutschen Nachkriegsliteratur hatte der Roman nun wirklich nichts zu tun: ein wüstes Buch, halb des Barock, halb der Gotik, voller fantastischer Bilder und ungewöhnlicher Einfälle. Es erzählt die Geschichte des Oscar Matzerath, der im Alter von drei Jahren zu wachsen aufhört, mit einer Kindertrommel durch die Lande zieht und gegen die Erwachsenenwelt protestiert, ein kleiner Mann mit großen Fähigkeiten, der - unter anderem - Glas durch einen schrillen Schrei zerspringen lassen kann, auch Möglichkeiten der Einsicht in unbewusste Vorgänge besitzt, bis er in ein Irrenhaus gesperrt wird und dort seine Geschichte zu erzählen beginnt.
Sie spielt hauptsächlich in Danzig, dem Geburtsort von Grass, und transportiert neben vielen Familiendetails auch wichtige historische Ereignisse wie den deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939, den Beginn des Zweiten Weltkriegs.
Am 1. September 39 - ich setze voraus, Sie kennen das Datum - da ist meine zweite große Schuld: Ich selbst, Oscar der Trommler, habe nicht nur meine arme Mama ins Grab getrommelt, ich weiß auch, dass ich meinen armen Onkel und mutmaßlichen Vater Jan Gonski in die polnische Post schleppte und so vermutlich seinen Tod verschuldete.
Langsam erzählt sich Oscar in die Gegenwart hinein, mit viel Lokalkolorit aus Düsseldorf und dem Ruhrgebiet, und da lässt der kleine Trommler den später sich politisch engagierenden Bürger Grass schon erkennen.
"Es liegt sicher daran, dass alle meine Bücher auch ein Klima mit sich bringen von der jeweiligen Zeit, in der sie geschrieben wurden. 'Die Blechtrommel' ist ein typisches Buch der 1950er-Jahre. Das liegt auch daran, dass ich mich als Schriftsteller immer auch als Zeitgenossen empfunden habe."
Es ist sicher nicht zufällig, dass Oscar Matzerath ein Zwerg ist und ein Kind - denn das geniale Kind kann unverantwortlich und expressiv und überall dabei sein. Insofern ist der Charakter des Märchens, den das Buch auch hat, gerechtfertigt. Grass rückte seine Geschichte in die Perspektive einer Vergangenheit, aus der auf die Gegenwart geschaut wird, zum Beispiel aus der Erfahrung eines Verlustes von Heimat, der Landschaft um Danzig.
Deshalb war Grass skeptisch, als ihn der berühmte deutsche Verleger Kurt Wolff, während der Nazi-Zeit nach Amerika emigriert, besuchte und wegen einer amerikanischen Ausgabe für Random House nachfragte. Ob er sich vorstellen könne, dass der Roman in Amerika Interesse finden könne.
"Das kann ich mir nicht vorstellen, sagte ich. Das Buch ist bewusst in der deutschen Provinz angesiedelt. Sie müssen gar nicht weiterreden, antwortete Wolff. Das Buch erscheint in Amerika, und dann sagte er den mich stolz machenden Satz: 'Alle große Literatur kommt aus der Provinz.'"
Der Roman "Die Blechtrommel", 1979 von Volker Schlöndorff verfilmt, gehört mit den danach erschienenen Büchern "Katz und Maus" sowie "Hundejahre" zur sogenannten Danziger Trilogie und begründete Grass' Weltruhm. Für ihn selber ist der Roman heute weit weg gerückt und auch noch nicht einmal der Höhepunkt dieser Trilogie.
"Innerhalb dieser ersten Schaffensperiode via Rückblick auf die deutsche Geschichte - 'Die Blechtrommel', 'Katz und Maus' und 'Hundejahre' - ist für mich nach wie vor 'Hundejahre' das wichtigste Buch - aber wer hört schon auf den Autor?"