Der unbekannte Beckmann
Gleich drei Museen würdigen in nächster Zeit den Maler und Grafiker Max Beckmann. Den Anfang macht die Schirn Kunsthalle, die die bislang weniger bekannten Aquarelle und Pastelle Beckmanns ausstellt. Gezeigt werden über 100 zum Teil großformatige Arbeiten des Künstlers.
Die Galerie der Schirn Kunsthalle ist in lichtem Grau gestrichen, die Wände falten sich wie eine Zieharmonika in den Raum, die Aquarelle und Pastelle überraschen durch ihr großes Format. Das wirkt wie eine Malereiausstellung mit einem Max Beckmann, den wir so noch nicht kannten. Die Schirn präsentiert annähernd 100 Papierarbeiten aus allen Werkphasen: Sie strotzen vor Farbe, sie zeigen einen spontan reagierenden, flüssig und schnell arbeitenden Künstler. Die Schirn Kunsthalle hat mit dem Katalog das Werkverzeichnis dieser Arbeiten herausgegeben und deshalb selten oder nie gezeigte Blätter bekommen. Direktor Max Hollein:
"Gerade bei Arbeiten wie diesen, also Aquarellen und Pastellen, ist es so, dass nicht nur die emotionale Bindung der Sammler an die Arbeiten sehr eng ist, sondern dass es wirklich Arbeiten sind, mit denen die Leute leben. Und viele der Sammler, die uns hier unterstützt haben, sind jetzt nicht riesige Sammler, sondern die haben eben das eine oder andere Blatt und die Trennung davon ist eine sehr schmerzliche, auf der anderen Seite sehen sie die Verantwortung. "
Eine durchgängige Erotik bestimmt das Thema und die Atmosphäre dieser Blätter. Das macht die Ausstellung leicht und beschwingt. Und selbst die Andeutungen düsterer Thematik haben hier eine andere Wirkung als in den Ölbildern. Ein Pastell auf schwarzgrundiertem Papier von 1928, "Begegnung in der Nacht", zeigt eine kopfüber aufgehängte, fast nackte Frau. Zwei Männer flankieren die Frau: ein Voyeursgesicht und ein betreten schauender Smokingträger. Das erinnert an Folterszenen in Beckmanns Tryptichen, doch der leichte Strich der Pastellkreide macht es weniger beklemmend, eher frivol. Ansichten von Paris, Interieurs, Bilder seiner attraktiven jungen Frau Quappi, oberbayerische Landschaften oder Strandszenen an der Cote d’Azur und Nordsee – das alles wirkt wie ein Ventil, wie eine Entspannungsübung, der sich der Maler hingibt.
Drei zentrale Aquarelle von 1933 demonstrieren das Beckmanns Eintauchen in die mythologische Welt und damit seine Reaktion auf die Vertreibung aus Frankfurt durch die Nazis. Die Blätter zeigen "Odysseus und die Sirene", den "Raub der Europa" und die von einem Schwert am Inzest gehinderten "Geschwister". Hier präsentiert sich ein Beckmann der wuchtigen Personenbilder, auf der Höhe seiner malerischen Ausdruckskraft. Mit der Figur des umherirrenden und seiner Heimat nachtrauerndem Odysseus sollte sich Beckmann immer wieder identifizieren. Und mit der ohnmächtig über dem Stierrücken hängenden Europa ist nicht nur politische Bedrohung artikuliert. Ganz offensichtlich misst sich Max Beckmann hier mit seinem großen Kontrahenten Pablo Picasso.
Wer allerdings den privaten Beckmann sucht, wird in dieser Ausstellung auf eher unvorhergesehene Art fündig. Mayen Beckmann, die Enkelin des Malers, hat aus dem Familienarchiv Schmalfilme beigesteuert, die hauptsächlich in den 20er Jahren entstanden sind: Beckmann und seine Frau beim Skifahren, am Strand, mit Sammlern und Museumsleuten.
"Die Schmalfilme waren für mich eine ganz große Freude, als ich sie vor Jahren bei Quappi Beckmann in der Schublade entdeckte und von ihr dann auch geschenkt bekam und retten konnte, da die am Zerbrechen waren, und durch die Stiftung Kinemathek in Berlin konnten die dann wieder nutzbar gemacht werden."
Jetzt sieht man diese kleinen Filmschnipsel gleich im Eingangsbereich und nimmt Einblick in das Privatleben, das beim Maler bis auf wenige Interieurs und Atelieransichten sonst nicht verhandelt wird. Max Beckmann ist auch hier der gut gekleidete Weltbürger, den wir von seinen Selbstporträts kennen, aber er zeigt sich auch ganz ungeniert in Badehose, am Strand hingefläzt oder beim Grimassieren.
Die Enkelin Mayen Beckmann war vor allem von der Familienähnlichkeit der Körpersprache angerührt.
"Eine andere, für mich sehr verblüffende Komponente dieser Filme ist, dass ich all diese Bewegungen und all diese Albereien und diese kleinen Lachen sehr gut kenne, denn mein Vater Peter Beckmann war seinem Vater wirklich unvermutet ähnlich, was, wenn die beiden Köpfe still sind, nicht so sehr sieht, aber in den Bewegungen ist es ganz verblüffend, wie so Bewegungsabläufe sich vererbt haben."
Für Überraschung in der Ausstellung sorgen dann wieder die späten, aquarellierten Tuschfederzeichnungen von 1945. Sie zeigen einen hochartistischen Beckmann, zart und delikat. Am Ende der Schau dann Aquarelle, die Max Beckmann in der New Yorker Zeit, oft zum großen Entsetzen seiner Kunden, in dunklen Farben übermalte und verdichtete. Das allerdings hat nichts mit seelischer Verdüsterung zu tun: in New York, wo er 1950 starb, hatte er sich so wohl und befreit gefühlt wie lange nicht mehr.
Das Frankfurter Städelmuseum kommentiert diesen beschwingenden Beckmann in der Schirn übrigens mit einer Präsentation der frühen Druckgrafik, zumeist der malerischen Lithografie. Begleitet von Blättern von Rembrandt, Goya, Delacroix, Manet, Klinger, Liebermann oder Corinth lernen wir hier einen Beckmann kennen, der Kunstgeschichte aufsaugt, umformt und dann eigenen Ausdruck findet. Die meisten Blätter sind über das mit Beckmann befreundete Ehepaar Battenberg in die Städelsammlung gelangt. Bei ihnen, im Frankfurter Ortsteil Sachsenhausen, in der Schweizer Straße 3, hatte der im Ersten Weltkrieg zusammengebrochene Maler 1915 Unterschlupf gefunden. Hier begann seine Zeit in Frankfurt, die schließlich siebzehn Jahre dauerte. In Frankfurt fand er einflussreiche Freunde, wurde zum Professor ernannt, hier erwarb das Städel seine ersten Arbeiten und begründete damit noch vor dem Exil in Amsterdam seinen frühen Ruhm.
Service: Die Ausstellung "Max Beckmann - Die Aquarelle und Pastelle" ist vom 3.3. bis zum 28.5.2006 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt zu sehen.
"Gerade bei Arbeiten wie diesen, also Aquarellen und Pastellen, ist es so, dass nicht nur die emotionale Bindung der Sammler an die Arbeiten sehr eng ist, sondern dass es wirklich Arbeiten sind, mit denen die Leute leben. Und viele der Sammler, die uns hier unterstützt haben, sind jetzt nicht riesige Sammler, sondern die haben eben das eine oder andere Blatt und die Trennung davon ist eine sehr schmerzliche, auf der anderen Seite sehen sie die Verantwortung. "
Eine durchgängige Erotik bestimmt das Thema und die Atmosphäre dieser Blätter. Das macht die Ausstellung leicht und beschwingt. Und selbst die Andeutungen düsterer Thematik haben hier eine andere Wirkung als in den Ölbildern. Ein Pastell auf schwarzgrundiertem Papier von 1928, "Begegnung in der Nacht", zeigt eine kopfüber aufgehängte, fast nackte Frau. Zwei Männer flankieren die Frau: ein Voyeursgesicht und ein betreten schauender Smokingträger. Das erinnert an Folterszenen in Beckmanns Tryptichen, doch der leichte Strich der Pastellkreide macht es weniger beklemmend, eher frivol. Ansichten von Paris, Interieurs, Bilder seiner attraktiven jungen Frau Quappi, oberbayerische Landschaften oder Strandszenen an der Cote d’Azur und Nordsee – das alles wirkt wie ein Ventil, wie eine Entspannungsübung, der sich der Maler hingibt.
Drei zentrale Aquarelle von 1933 demonstrieren das Beckmanns Eintauchen in die mythologische Welt und damit seine Reaktion auf die Vertreibung aus Frankfurt durch die Nazis. Die Blätter zeigen "Odysseus und die Sirene", den "Raub der Europa" und die von einem Schwert am Inzest gehinderten "Geschwister". Hier präsentiert sich ein Beckmann der wuchtigen Personenbilder, auf der Höhe seiner malerischen Ausdruckskraft. Mit der Figur des umherirrenden und seiner Heimat nachtrauerndem Odysseus sollte sich Beckmann immer wieder identifizieren. Und mit der ohnmächtig über dem Stierrücken hängenden Europa ist nicht nur politische Bedrohung artikuliert. Ganz offensichtlich misst sich Max Beckmann hier mit seinem großen Kontrahenten Pablo Picasso.
Wer allerdings den privaten Beckmann sucht, wird in dieser Ausstellung auf eher unvorhergesehene Art fündig. Mayen Beckmann, die Enkelin des Malers, hat aus dem Familienarchiv Schmalfilme beigesteuert, die hauptsächlich in den 20er Jahren entstanden sind: Beckmann und seine Frau beim Skifahren, am Strand, mit Sammlern und Museumsleuten.
"Die Schmalfilme waren für mich eine ganz große Freude, als ich sie vor Jahren bei Quappi Beckmann in der Schublade entdeckte und von ihr dann auch geschenkt bekam und retten konnte, da die am Zerbrechen waren, und durch die Stiftung Kinemathek in Berlin konnten die dann wieder nutzbar gemacht werden."
Jetzt sieht man diese kleinen Filmschnipsel gleich im Eingangsbereich und nimmt Einblick in das Privatleben, das beim Maler bis auf wenige Interieurs und Atelieransichten sonst nicht verhandelt wird. Max Beckmann ist auch hier der gut gekleidete Weltbürger, den wir von seinen Selbstporträts kennen, aber er zeigt sich auch ganz ungeniert in Badehose, am Strand hingefläzt oder beim Grimassieren.
Die Enkelin Mayen Beckmann war vor allem von der Familienähnlichkeit der Körpersprache angerührt.
"Eine andere, für mich sehr verblüffende Komponente dieser Filme ist, dass ich all diese Bewegungen und all diese Albereien und diese kleinen Lachen sehr gut kenne, denn mein Vater Peter Beckmann war seinem Vater wirklich unvermutet ähnlich, was, wenn die beiden Köpfe still sind, nicht so sehr sieht, aber in den Bewegungen ist es ganz verblüffend, wie so Bewegungsabläufe sich vererbt haben."
Für Überraschung in der Ausstellung sorgen dann wieder die späten, aquarellierten Tuschfederzeichnungen von 1945. Sie zeigen einen hochartistischen Beckmann, zart und delikat. Am Ende der Schau dann Aquarelle, die Max Beckmann in der New Yorker Zeit, oft zum großen Entsetzen seiner Kunden, in dunklen Farben übermalte und verdichtete. Das allerdings hat nichts mit seelischer Verdüsterung zu tun: in New York, wo er 1950 starb, hatte er sich so wohl und befreit gefühlt wie lange nicht mehr.
Das Frankfurter Städelmuseum kommentiert diesen beschwingenden Beckmann in der Schirn übrigens mit einer Präsentation der frühen Druckgrafik, zumeist der malerischen Lithografie. Begleitet von Blättern von Rembrandt, Goya, Delacroix, Manet, Klinger, Liebermann oder Corinth lernen wir hier einen Beckmann kennen, der Kunstgeschichte aufsaugt, umformt und dann eigenen Ausdruck findet. Die meisten Blätter sind über das mit Beckmann befreundete Ehepaar Battenberg in die Städelsammlung gelangt. Bei ihnen, im Frankfurter Ortsteil Sachsenhausen, in der Schweizer Straße 3, hatte der im Ersten Weltkrieg zusammengebrochene Maler 1915 Unterschlupf gefunden. Hier begann seine Zeit in Frankfurt, die schließlich siebzehn Jahre dauerte. In Frankfurt fand er einflussreiche Freunde, wurde zum Professor ernannt, hier erwarb das Städel seine ersten Arbeiten und begründete damit noch vor dem Exil in Amsterdam seinen frühen Ruhm.
Service: Die Ausstellung "Max Beckmann - Die Aquarelle und Pastelle" ist vom 3.3. bis zum 28.5.2006 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt zu sehen.