Der Vatikan und die Juden
Der Papst erfüllte seit dem frühen Mittelalter eine sogenannte doppelte Schutzherrschaft. Das heißt einerseits sollte er die Juden vor Übergriffen der Christen schützen. Andererseits musste er die Christen vor dem angeblich "verderblichen Einfluss" der Juden bewahren.
Mit der Reformation geriet dann der Heilige Stuhl mehr und mehr in die Defensive. Der Historiker Thomas Brechenmacher beschreibt in seinem Buch wie sich das Verhältnis des Vatikans zu den Juden vom 16. Jahrhundert an bis heute entwickelte. Zunächst stellt er fest, dass der päpstliche Judenschutz mehr und mehr hinter dem Christenschutz zurück trat.
Ab dem 16. Jahrhundert wurden die Juden wieder der kirchlichen Inquisition unterstellt. Sie wurden in die Ghettos zurück gewiesen. Es gab Zwangspredigten und Zwangstaufen für Juden. Der verbotene soziale Umgang von Christen und Juden wurde schärfer überwacht.
Manche Päpste besannen sich auch auf ihre alte Schutzpflicht gegenüber den Juden. Brechenmacher führt unter anderem ein Beispiel aus Polen an. Um 1750 wurden dort Juden beschuldigt, sie hätten Christen zu rituellen Zwecken ermordet. Der damalige Papst Benedikt XIV verteidigte die Juden. Ein anderes Beispiel: Als christliche Händler versuchten, ihre jüdischen Konkurrenten zu denunzieren, wurden sie vom Papst zurück gewiesen.
Dann wiederum tolerierte ein Papst, Leo XII, antijüdische Hetzschriften. Bis zum Ende des Kirchenstaates 1870 und darüber hinaus pendelten die Päpste also zwischen Antijudaismus und einer gewissen Toleranz. Immer aber ging es darum, Macht und Einfluss der katholischen Kirche zu sichern.
Brechenmacher unterscheidet zwischen kirchlichem Antijudaismus und einem rassistisch motivierten Antisemitismus. Seiner Ansicht nach haben die nationalsozialistischen Auswüchse des Antisemitismus ihre Wurzeln nicht im kirchlichen Antijudaismus. Beides lässt sich allerdings nicht ohne weiteres auseinanderhalten – das räumt auch der Autor ein.
Das Verhalten des Papstes in der Zeit des Nationalsozialismus wird bis heute scharf kritisiert. Das Buch beschäftigt sich sehr ausführlich mit dieser Diskussion. Pius XII ist eigentlich ein entschiedener Gegner der Nationalsozialisten gewesen. Er setzte sich immer wieder für seine Glaubensbrüder ein. Für die Juden ergriff er hingegen nicht deutlich genug Partei, wie ihm vorgeworfen wird.
Brechenmacher verteidigt Pius XII. Ein Machtwort des Papstes hätte Hitler nicht gebremst, glaubt er. Außerdem seien viele Juden in Italien mit dem Segen des Papstes im Stillen gerettet worden.
Nach 1945 beschäftigte sich die katholische Kirche neu mit ihrem Verhältnis zu den Juden. Das war ein äußerst mühsamer Prozess. Erst 1965 wurde die endgültige Fassung der vatikanischen Erklärung Nostra Aetate verabschiedet. Danach sind Katholiken und Juden Brüder. Weitere Schritte folgten sehr langsam: 1993 erkannte der Vatikan Israel als Staat an. Im Jahr 2000 legte Papst Johannes Paul II das erste Schuldbekenntnis ab.
Thomas Brechenmacher hat in den vatikanischen Archiven akribisch recherchiert. Er zitiert aus vielen aufschlussreichen Dokumenten und er bemüht sich sehr um eine differenzierte Sicht der Päpste im Umgang mit den Juden. Auf keinen Fall wolle er den Heiligen Stuhl verteidigen, betont in der Einleitung zu seinem Buch. Er zitiert schärfste antijüdische Äußerungen von Päpsten und setzt diesen regelmäßig ein "andererseits" entgegen. Das klingt dann aber doch ein wenig nach Verteidigung.
Thomas Brechenmacher: Der Vatikan und die Juden
Geschichte einer unheiligen Beziehung vom 16.Jahrhundert bis zur Gegenwart
C.H.Beck, 328 Seiten, 24,90 Euro
Ab dem 16. Jahrhundert wurden die Juden wieder der kirchlichen Inquisition unterstellt. Sie wurden in die Ghettos zurück gewiesen. Es gab Zwangspredigten und Zwangstaufen für Juden. Der verbotene soziale Umgang von Christen und Juden wurde schärfer überwacht.
Manche Päpste besannen sich auch auf ihre alte Schutzpflicht gegenüber den Juden. Brechenmacher führt unter anderem ein Beispiel aus Polen an. Um 1750 wurden dort Juden beschuldigt, sie hätten Christen zu rituellen Zwecken ermordet. Der damalige Papst Benedikt XIV verteidigte die Juden. Ein anderes Beispiel: Als christliche Händler versuchten, ihre jüdischen Konkurrenten zu denunzieren, wurden sie vom Papst zurück gewiesen.
Dann wiederum tolerierte ein Papst, Leo XII, antijüdische Hetzschriften. Bis zum Ende des Kirchenstaates 1870 und darüber hinaus pendelten die Päpste also zwischen Antijudaismus und einer gewissen Toleranz. Immer aber ging es darum, Macht und Einfluss der katholischen Kirche zu sichern.
Brechenmacher unterscheidet zwischen kirchlichem Antijudaismus und einem rassistisch motivierten Antisemitismus. Seiner Ansicht nach haben die nationalsozialistischen Auswüchse des Antisemitismus ihre Wurzeln nicht im kirchlichen Antijudaismus. Beides lässt sich allerdings nicht ohne weiteres auseinanderhalten – das räumt auch der Autor ein.
Das Verhalten des Papstes in der Zeit des Nationalsozialismus wird bis heute scharf kritisiert. Das Buch beschäftigt sich sehr ausführlich mit dieser Diskussion. Pius XII ist eigentlich ein entschiedener Gegner der Nationalsozialisten gewesen. Er setzte sich immer wieder für seine Glaubensbrüder ein. Für die Juden ergriff er hingegen nicht deutlich genug Partei, wie ihm vorgeworfen wird.
Brechenmacher verteidigt Pius XII. Ein Machtwort des Papstes hätte Hitler nicht gebremst, glaubt er. Außerdem seien viele Juden in Italien mit dem Segen des Papstes im Stillen gerettet worden.
Nach 1945 beschäftigte sich die katholische Kirche neu mit ihrem Verhältnis zu den Juden. Das war ein äußerst mühsamer Prozess. Erst 1965 wurde die endgültige Fassung der vatikanischen Erklärung Nostra Aetate verabschiedet. Danach sind Katholiken und Juden Brüder. Weitere Schritte folgten sehr langsam: 1993 erkannte der Vatikan Israel als Staat an. Im Jahr 2000 legte Papst Johannes Paul II das erste Schuldbekenntnis ab.
Thomas Brechenmacher hat in den vatikanischen Archiven akribisch recherchiert. Er zitiert aus vielen aufschlussreichen Dokumenten und er bemüht sich sehr um eine differenzierte Sicht der Päpste im Umgang mit den Juden. Auf keinen Fall wolle er den Heiligen Stuhl verteidigen, betont in der Einleitung zu seinem Buch. Er zitiert schärfste antijüdische Äußerungen von Päpsten und setzt diesen regelmäßig ein "andererseits" entgegen. Das klingt dann aber doch ein wenig nach Verteidigung.
Thomas Brechenmacher: Der Vatikan und die Juden
Geschichte einer unheiligen Beziehung vom 16.Jahrhundert bis zur Gegenwart
C.H.Beck, 328 Seiten, 24,90 Euro