"Der vernünftige Weg wäre jetzt kurzfristig Neuwahlen abzuhalten"

Evangelos Antonaros im Gespräch mit Christopher Ricke · 05.09.2011
Die Regierung Griechenlands habe das Vertrauen der Bevölkerung verloren. "Wir sind (...) der Überzeugung, dass (...) die Griechen mit dieser Regierung, mit dieser Partei, nichts mehr zu tun haben wollen", sagt der griechische Oppositionspolitiker Evangelos Antonaros. Er fordert Neuwahlen.
Christopher Ricke: Es gab in den letzten Tagen einen Paukenschlag, der klingt noch nach: Mitten in der Griechenlandkrise ist eine Delegation der Geldgeber von EU, IWF und EZB aus Griechenland abgereist. Eigentlich steht heute im Terminkalender, grünes Licht für die nächste Kredittranche für die Griechen, doch ob das klappt, das darf bezweifelt werden. Der Vorwurf: Griechenland erfüllt die Auflagen nicht ausreichend. In Deutschland gibt es immer mehr, die sagen, Griechenland sollte vielleicht doch aus der Eurozone austreten, und ich spreche jetzt mit Evangelos Antonaros – der gehört nicht der griechischen Regierendenpartei, der sozialistischen PASOK an, sondern der oppositionellen Nea Demokratia. Er war früher stellvertretender Außenminister Griechenlands. Guten Morgen, Herr Antonaros!

Evangelos Antonaros: Guten Morgen! Darf ich Sie kurz korrigieren?

Ricke: Bitte korrigieren Sie mich!

Antonaros: Ich war Regierungssprecher in der letzten Regierung.

Ricke: Und das haben Sie mit so viel Sprachkenntnis getan, dass wir Sie auch gerne zum Interview einladen, Herr Antonaros. Jetzt wächst ja in Europa die Sorge, dass Griechenland seine Reformversprechen nicht einhält, dass damit die Rettung des Euro insgesamt gefährdet ist. Wie begründet ist denn aus Ihrer Sicht diese Sorge?

Antonaros: Es gibt zunächst mal eine Auszeit von zehn Tagen, da kommt also diese Dreier-Delegation voraussichtlich am 15. September wieder nach Athen. Die griechische Regierung bestreitet von sich aus, dass es Schwierigkeiten gegeben hat, dass diese Auszeit vorgesehen war. Es sieht nicht danach aus, aber immerhin, es geht darum, dass das vereinbarte Programm, das bisher mit großen Schwierigkeiten angewandt worden ist beziehungsweise nur ansatzweise angewandt worden ist, vorankommt, sodass Griechenland auch in den Genuss der nächsten Tranche kommt. Und das Hauptproblem, das es in Griechenland zurzeit gibt, ist, dass dieses Programm die falschen Leute erwischt und daher auch die Sparziele gar nicht erfüllen kann. Nämlich was ich damit sagen will, ist Folgendes: Es gibt immer neue Steuererhöhungen gegen die Masse der Bevölkerung, vor allem was die Mehrwertsteuer betrifft, und dadurch gehen Tausende von Klein- und Kleinstfirmen Pleite, es entstehen immer neue Arbeitslosenheere, und das Hauptproblem besteht dann darin, dass diese Leute keine Kaufkraft haben, nichts kaufen, die Rezession immer schlimmer wird und die Ziele, was die Steuereinnahmen betrifft, zur Genesung der griechischen Staatsfinanzen, einfach verfehlt werden.

Ricke: Wer macht denn da die Fehler? Sind das die regierenden Sozialisten, die mit dem Rücken zur Wand stehen, oder sind das die Geldgeber, die den Griechen die falschen Sparauflagen machen?

Antonaros: Aus unserer Sicht, aus der Sicht der Opposition – das ist auch meine persönliche Überzeugung – gibt es zwei Fehler: Einmal das Gesamtkonzept und das nicht so wirksam, wie es eigentlich sein müsste, die Kürzung der Staatsausgaben zum Ziel macht und gleichzeitig keine Konjunkturprogramme zur Wiederbelebung der Wirtschaft beinhaltet. Und zum anderen, dass dieses Programm, dieses Konzept von der Regierung falsch angewandt wird in dem Sinne, wie ich Ihnen das gerade auch erklärt habe, dass die falschen Steuererhöhungen eingeführt werden und immer neue Steuern, sodass die Leute einfach ächzen und im Endeffekt kein Geld haben, um diese Steuern zu bezahlen.

Ricke: Aber fassen wir das doch mal zusammen: Da haben wir ein total überschuldetes Land – wer daran schuld ist, das schiebt man sich dann gerne gegenseitig zu –, es gibt die Menschen dort, die kann man ja nicht bis an die Schmerzgrenze auspressen. Auch ein Grieche hat irgendwann einmal genug und kann einfach nicht mehr. Jetzt gibt es viele, die sagen, so kann Griechenland die Schulden nie bezahlen, besser wäre es, man kehrt zurück zur Drachme, wertet ab, reformiert sich, geht also sozusagen wie ein Privatschuldner in die Insolvenz, und nach sieben Jahren Wohlverhalten ist alles wieder gut und man hat die Chance auf Neuanfang. Muss man so ehrlich sein?

Antonaros: Ich glaube, das wäre das falsche Rezept, denn dann hätten die Leute möglicherweise keinen Grund mehr, sich anzustrengen, sich zusammenzureißen und das zu erreichen, was erreicht werden muss. Ich glaube, man sollte sich auf die – wie sollte ich sagen – die Schrumpfung des Staatssektors konzentrieren, denn die Arbeitslosen, die neuen Arbeitslosen, die in den letzten zwei Jahren dazugekommen sind, die kommen fast alle ausschließlich aus dem Privatsektor. Und das zeigt doch, wie falsch diese Richtung ist. Man muss diese eine Korrektur vornehmen, und ich glaube, im Einvernehmen mit unseren Partnern kann diese Korrektur durchgeführt werden, denn wir stehen auch dazu, dass wir alle unsere Schulden zurückzahlen müssen. Es darf keineswegs der Eindruck entstehen, dass sich Griechenland um seine Verpflichtungen drücken möchte.

Ricke: Wir haben auch wieder die Diskussion über vorgezogene Neuwahlen, wir haben auch die Frage, ob die Krise so groß ist, wie sie jetzt wieder aufflackert, dass man sozusagen eine Regierung der nationalen Einheit braucht, dass also alle Parteien zusammenarbeiten. Was ist der richtige Weg?

Antonaros: Ich glaube, der richtige Weg wäre in diesem Moment, weil die Regierung, die sozialistische Partei – und das geht aus allen Umfragen hervor –, die hat also das Vertrauen, das sie vor zwei Jahren noch hatten, das war enorm. Wir waren abgeschlagen als damalige Regierungspartei. Der vernünftige Weg wäre jetzt kurzfristig Neuwahlen abzuhalten, das Volk hätte die Möglichkeit sich zu äußern und anschließend wäre alle Szenarien möglich. Aber wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass das Volk, die Griechen, mit dieser Regierung, mit dieser Partei nichts mehr zu tun haben wollen.

Ricke: Der griechische Oppositionspolitiker Evangelos Antonaros – vielen Dank, Herr Antonaros!

Antonaros: Ich danke Ihnen auch fürs Gespräch!

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