"Der Versuch, den Finger in die Wunde zu legen"
Das Stück "Tod eines Handlungsreisenden" ist nach Ansicht des Schauspielers Thomas Thieme topaktuell. In einer immer älter werdenden Gesellschaft würden die Menschen immer früher ausgemustert, sagte Thieme, der in dem Stück an der Berliner Schaubühne die Hauptrolle spielt. Er persönlich sei allerdings von der Problematik nicht betroffen: "Ich habe im Moment viel Glück. Und wenn ich mal eine Pause habe, ist das auch nicht schlimm."
Auszüge aus dem Gespräch:
Jürgen Liebing: Heute Abend hat an der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin das Stück von Arthur Miller "Tod eines Handlungsreisenden" Premiere. Die Uraufführung war 1949 in New York und es ist zweifelsohne Millers berühmtestes Stück. Regie führt Luk Perceval. Die Hauptrolle spielt Thomas Thieme. Guten Abend Herr Thieme. Das Stück von Arthur Miller ist Thema im Englischunterricht, an Theatern wird es eigentlich eher selten gespielt. Die Geschichte vom alternden Handelsvertreter, der entlassen wird, weil er nicht mehr den notwendigen Erfolg bringt. Herr Thieme, was hat sie persönlich an dieser Rolle interessiert?
Thomas Thieme: Die Identität zwischen uns – jetzt nicht mir persönlich, aber meiner Generation und dieser Rolle nimmt ja im Grunde ständig zu. Das Alter wird einerseits biologisch immer weiter nach oben geschraubt, also wir werden immer älter, aber wir werden immer früher ausgemustert. Ich selbst bin jetzt 57 und ich denke auch, dass Willy Loman ungefähr so alt ist und dann wird er eben ausgemustert und diese Situation ist im Leben eines Menschen diesen Alters so existenziell, dass es sich lohnt, das auf der Bühne mal zu durchleben.
Liebing: Dieses Stück ist ja mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet worden, und man kann es – klischeehaft – soziologisch angehen, eine Gesellschaft mustert die Alten aus, wirft sie zum alten Eisen, oder eher psychologisch: Ein Man muss erkennen, dass sein Lebenstraum nicht aufgegangen ist. Wie legen Sie das an?
Thieme: Es basiert ja auf einer Fassung, die das Ganze ein wenig verlegt, den American Dream, von dem es ja eigentlich handelt, verschiebt der Regisseur in das Deutschland von heute. Und insofern sind wir sehr dicht am Tagesgeschehen. Es gibt auch einen Fernseher auf der Bühne, der das aktuelle Programm überträgt. Womit schon die Frage, wann spielt es, beantwortet ist. Und ansonsten versuchen wir schon herauszuarbeiten, dass das jeden Tag jedem hier passieren kann. Insofern Soziologie, Psychologie, beides. Aber im Grunde der Versuch, ohne aktualistisch zu sein, schon einen Finger in die Wunde zu legen und möglicherweise auch die Zuschauer ein bisschen zu sensibilisieren für bestimmte Dinge.
Liebing: Das Publikum der Schaubühne heute ist ja eher ein jüngeres. Spielen Sie da ein Thema, was für die noch nicht die Wirklichkeit ist?
Thieme: Ja klar, aber es gibt ja auch zwei Söhne. Zwei sehr wichtige Rollen, die vom Umfang her nicht wesentlich kleiner sind als Willy Loman selbst und diese Generation wird sich auch in diesen Söhnen wieder finden. Die Söhne stehen unter einem unglaublichen Druck, den komischerweise der ausgemusterte Alte noch ganz besonders macht. In seiner Panik, selbst ausgeschieden zu werden, macht er einen derartigen Druck auf die beiden Jungs, dem sie nicht standhalten können. …
Liebing: Als ursprünglichen Titel hatte Arthur Miller "Inside his head" geplant, also "In seinem Kopf". Was geht eigentlich in ihrem Kopf vor als 57-jähriger Schauspieler, der vielleicht nicht so groß das Problem hat, keine Rolle mehr zu bekommen – anders als bei Schauspielerinnen – haben Sie diese Angst?
Thieme: Also diese konkrete Angst habe ich nicht, ich habe andere Ängste, die im Grunde jeder hat, die sich aus meiner Biografie ergeben. Ich komme aus dem Osten. Ich bin in einer Diktatur groß geworden. Das dürfen wir nicht vergessen, das wird jetzt immer ein bisschen verkleinert und verniedlicht das Problem DDR. Diese 30 Jahre Osten haben mich schon sehr geprägt. … Jetzt bin ich 57 und habe im Moment eigentlich viel Glück. Wie man so schön sagt in unserer Branche, es läuft gut. Und ich bin nicht wirklich arbeitssüchtig. Wenn ich mal eine Pause habe, ist das auch nicht schlimm.
Das gesamte Gespräch mit Thomas Thieme können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
Jürgen Liebing: Heute Abend hat an der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin das Stück von Arthur Miller "Tod eines Handlungsreisenden" Premiere. Die Uraufführung war 1949 in New York und es ist zweifelsohne Millers berühmtestes Stück. Regie führt Luk Perceval. Die Hauptrolle spielt Thomas Thieme. Guten Abend Herr Thieme. Das Stück von Arthur Miller ist Thema im Englischunterricht, an Theatern wird es eigentlich eher selten gespielt. Die Geschichte vom alternden Handelsvertreter, der entlassen wird, weil er nicht mehr den notwendigen Erfolg bringt. Herr Thieme, was hat sie persönlich an dieser Rolle interessiert?
Thomas Thieme: Die Identität zwischen uns – jetzt nicht mir persönlich, aber meiner Generation und dieser Rolle nimmt ja im Grunde ständig zu. Das Alter wird einerseits biologisch immer weiter nach oben geschraubt, also wir werden immer älter, aber wir werden immer früher ausgemustert. Ich selbst bin jetzt 57 und ich denke auch, dass Willy Loman ungefähr so alt ist und dann wird er eben ausgemustert und diese Situation ist im Leben eines Menschen diesen Alters so existenziell, dass es sich lohnt, das auf der Bühne mal zu durchleben.
Liebing: Dieses Stück ist ja mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet worden, und man kann es – klischeehaft – soziologisch angehen, eine Gesellschaft mustert die Alten aus, wirft sie zum alten Eisen, oder eher psychologisch: Ein Man muss erkennen, dass sein Lebenstraum nicht aufgegangen ist. Wie legen Sie das an?
Thieme: Es basiert ja auf einer Fassung, die das Ganze ein wenig verlegt, den American Dream, von dem es ja eigentlich handelt, verschiebt der Regisseur in das Deutschland von heute. Und insofern sind wir sehr dicht am Tagesgeschehen. Es gibt auch einen Fernseher auf der Bühne, der das aktuelle Programm überträgt. Womit schon die Frage, wann spielt es, beantwortet ist. Und ansonsten versuchen wir schon herauszuarbeiten, dass das jeden Tag jedem hier passieren kann. Insofern Soziologie, Psychologie, beides. Aber im Grunde der Versuch, ohne aktualistisch zu sein, schon einen Finger in die Wunde zu legen und möglicherweise auch die Zuschauer ein bisschen zu sensibilisieren für bestimmte Dinge.
Liebing: Das Publikum der Schaubühne heute ist ja eher ein jüngeres. Spielen Sie da ein Thema, was für die noch nicht die Wirklichkeit ist?
Thieme: Ja klar, aber es gibt ja auch zwei Söhne. Zwei sehr wichtige Rollen, die vom Umfang her nicht wesentlich kleiner sind als Willy Loman selbst und diese Generation wird sich auch in diesen Söhnen wieder finden. Die Söhne stehen unter einem unglaublichen Druck, den komischerweise der ausgemusterte Alte noch ganz besonders macht. In seiner Panik, selbst ausgeschieden zu werden, macht er einen derartigen Druck auf die beiden Jungs, dem sie nicht standhalten können. …
Liebing: Als ursprünglichen Titel hatte Arthur Miller "Inside his head" geplant, also "In seinem Kopf". Was geht eigentlich in ihrem Kopf vor als 57-jähriger Schauspieler, der vielleicht nicht so groß das Problem hat, keine Rolle mehr zu bekommen – anders als bei Schauspielerinnen – haben Sie diese Angst?
Thieme: Also diese konkrete Angst habe ich nicht, ich habe andere Ängste, die im Grunde jeder hat, die sich aus meiner Biografie ergeben. Ich komme aus dem Osten. Ich bin in einer Diktatur groß geworden. Das dürfen wir nicht vergessen, das wird jetzt immer ein bisschen verkleinert und verniedlicht das Problem DDR. Diese 30 Jahre Osten haben mich schon sehr geprägt. … Jetzt bin ich 57 und habe im Moment eigentlich viel Glück. Wie man so schön sagt in unserer Branche, es läuft gut. Und ich bin nicht wirklich arbeitssüchtig. Wenn ich mal eine Pause habe, ist das auch nicht schlimm.
Das gesamte Gespräch mit Thomas Thieme können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.