Der Volksgerichtshof - ein Terrorinstrument
Der Umgang mit der NS-Justiz ist einer der großen Skandale in der Geschichte der Bundesrepublik. Erst 40 Jahre nach Kriegsende distanzierte sich der Bundestag vom Volksgerichtshof, einer der wichtigsten Institutionen zur Absicherung der Naziherrschaft.
"Der Bundestag stellt fest, dass die als Volksgerichtshof bezeichnete Institution kein Gericht im rechtsstaatlichen Sinne, sondern ein Terrorinstrument zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Willkürherrschaft war. Den Entscheidungen des Volksgerichtshofes kommt deshalb nach Überzeugung des Deutschen Bundestages keine Rechtswirkung zu."
Einstimmig verabschiedete das Bonner Parlament am 25. Januar 1985 diesen Beschluss. Eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Hatte der Volksgerichtshof, von Hitler 1934 höchstpersönlich eingerichtet, gegen Männer und Frauen, die sich der Diktatur widersetzt hatten, doch weit mehr als 5000 Todesurteile verhängt. Selbst im kleinsten Kreis geäußerte Zweifel am Endsieg führten vom Sitzungssaal aufs Schafott.
Aber die Entscheidung, die Urteile des Volksgerichtshofes generell zu ächten, war nicht selbstverständlich. Jahrzehntelang hatte der Bundesgerichtshof der Bundesrepublik den Volksgerichtshof nicht als Instrument zur Aufrechterhaltung der Nazigewaltherrschaft betrachtet, sondern als ordentliches Gericht, an dem in aller Unabhängigkeit Recht gesprochen worden sei. Seine Richter und Staatsanwälte - in Wirklichkeit Mörder im Namen des Gesetzes - waren in der Bundesrepublik dementsprechend jahrzehntelang nicht verfolgt worden. Sie taten Dienst in der westdeutschen Justiz oder waren in allen Ehren in den Ruhestand getreten, als wäre nichts gewesen.
Erst 1967 stand mit Hans-Joachim Rehse ein Richter des Volksgerichtshofes unter Anklage. Er war mitverantwortlich für mindestens 231 Todesurteile, sich aber keiner Schuld bewusst. Seine Rechtfertigung:
"Bei der defätistischen Zersetzungswelle, die damals das deutsche Volk zu überrollen drohte, mussten unsere Urteile der Abschreckung dienen."
Zwar wurde Rehse zunächst wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Der Bundesgerichtshof aber hob das Urteil des Westberliner Schwurgerichts auf. Die zweite Hauptverhandlung führte zum Freispruch. Das Landgericht Berlin war der Meinung, Rehses Todesurteile hätten sich im Rahmen vertretbarer Gesetzesauslegung bewegt!
Auch Paul Reimers, der an mindestens 97 Todesurteilen des Volksgerichtshofes mitgewirkt hatte und von 1955 bis 1963 wieder als Strafrichter tätig war, sah keinen Grund zur Selbstkritik:
"Das habe ich nie bereut, das habe ich selbst am Volksgerichtshof eigentlich nicht bereut. Da war ja auch nichts mehr zu bereuen."
Zu einem Prozess gegen Reimers kam es nicht. Er nahm sich vorher das Leben.
1983 mischte sich endlich die Politik in diesen Justizskandal ein. Die SPD stellte im Bundestag den Antrag, die Entscheidungen des Volksgerichtshofes als von Anfang an nichtig zu betrachten. In einer ersten Debatte fand er keine einhellige Zustimmung. Der Justizminister der damaligen CDU-FDP-Koalition, Hans Engelhardt:
"Der Wunsch nach einer ausdrücklichen Nichtigkeitserklärung erweckt doch den Eindruck, als stellten die Urteile des Volksgerichtshofs ein Stück unbewältigte Vergangenheit dar, mit dem wir eigentlich so recht erst jetzt uns auseinanderzusetzen beginnen. Und dies genau ist ja eben nicht die Wahrheit und ist nicht richtig."
Joschka Fischer von den Grünen sah das anders:
"Erstaunt, ja fassungslos, muss man zur Kenntnis nehmen, dass die westdeutsche Justiz diese braunen Terrorurteile im Regelfall als rechtskräftige Entscheidungen im Sinne der heute geltenden Prozessordnung begreift, zumindest über 30 Jahre hinweg begriffen hat. Nicht einer dieser furchtbaren Juristen wurde nach dem Kriege wegen eines solchen Terrorurteils als Mörder oder Gehilfe verurteilt."
Erst nach einigen Kompromissen im Rechtsausschuss des Bundestages fanden sich alle Fraktionen des Parlamentes bereit, dem Volksgerichtshof am 25. Januar 1985 rechtsstaatliche Eigenschaften abzusprechen. Die Täter hat es nicht mehr gestört.
Hans-Joachim Rehse war und blieb der einzige von 577 Richtern und Staatsanwälten dieses Organs des Naziterrors, der jemals vor einem bundesdeutschen Gericht stand. Alle anderen galten entweder als mittlerweile nicht verhandlungsfähig oder waren inzwischen gestorben.
Einstimmig verabschiedete das Bonner Parlament am 25. Januar 1985 diesen Beschluss. Eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Hatte der Volksgerichtshof, von Hitler 1934 höchstpersönlich eingerichtet, gegen Männer und Frauen, die sich der Diktatur widersetzt hatten, doch weit mehr als 5000 Todesurteile verhängt. Selbst im kleinsten Kreis geäußerte Zweifel am Endsieg führten vom Sitzungssaal aufs Schafott.
Aber die Entscheidung, die Urteile des Volksgerichtshofes generell zu ächten, war nicht selbstverständlich. Jahrzehntelang hatte der Bundesgerichtshof der Bundesrepublik den Volksgerichtshof nicht als Instrument zur Aufrechterhaltung der Nazigewaltherrschaft betrachtet, sondern als ordentliches Gericht, an dem in aller Unabhängigkeit Recht gesprochen worden sei. Seine Richter und Staatsanwälte - in Wirklichkeit Mörder im Namen des Gesetzes - waren in der Bundesrepublik dementsprechend jahrzehntelang nicht verfolgt worden. Sie taten Dienst in der westdeutschen Justiz oder waren in allen Ehren in den Ruhestand getreten, als wäre nichts gewesen.
Erst 1967 stand mit Hans-Joachim Rehse ein Richter des Volksgerichtshofes unter Anklage. Er war mitverantwortlich für mindestens 231 Todesurteile, sich aber keiner Schuld bewusst. Seine Rechtfertigung:
"Bei der defätistischen Zersetzungswelle, die damals das deutsche Volk zu überrollen drohte, mussten unsere Urteile der Abschreckung dienen."
Zwar wurde Rehse zunächst wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Der Bundesgerichtshof aber hob das Urteil des Westberliner Schwurgerichts auf. Die zweite Hauptverhandlung führte zum Freispruch. Das Landgericht Berlin war der Meinung, Rehses Todesurteile hätten sich im Rahmen vertretbarer Gesetzesauslegung bewegt!
Auch Paul Reimers, der an mindestens 97 Todesurteilen des Volksgerichtshofes mitgewirkt hatte und von 1955 bis 1963 wieder als Strafrichter tätig war, sah keinen Grund zur Selbstkritik:
"Das habe ich nie bereut, das habe ich selbst am Volksgerichtshof eigentlich nicht bereut. Da war ja auch nichts mehr zu bereuen."
Zu einem Prozess gegen Reimers kam es nicht. Er nahm sich vorher das Leben.
1983 mischte sich endlich die Politik in diesen Justizskandal ein. Die SPD stellte im Bundestag den Antrag, die Entscheidungen des Volksgerichtshofes als von Anfang an nichtig zu betrachten. In einer ersten Debatte fand er keine einhellige Zustimmung. Der Justizminister der damaligen CDU-FDP-Koalition, Hans Engelhardt:
"Der Wunsch nach einer ausdrücklichen Nichtigkeitserklärung erweckt doch den Eindruck, als stellten die Urteile des Volksgerichtshofs ein Stück unbewältigte Vergangenheit dar, mit dem wir eigentlich so recht erst jetzt uns auseinanderzusetzen beginnen. Und dies genau ist ja eben nicht die Wahrheit und ist nicht richtig."
Joschka Fischer von den Grünen sah das anders:
"Erstaunt, ja fassungslos, muss man zur Kenntnis nehmen, dass die westdeutsche Justiz diese braunen Terrorurteile im Regelfall als rechtskräftige Entscheidungen im Sinne der heute geltenden Prozessordnung begreift, zumindest über 30 Jahre hinweg begriffen hat. Nicht einer dieser furchtbaren Juristen wurde nach dem Kriege wegen eines solchen Terrorurteils als Mörder oder Gehilfe verurteilt."
Erst nach einigen Kompromissen im Rechtsausschuss des Bundestages fanden sich alle Fraktionen des Parlamentes bereit, dem Volksgerichtshof am 25. Januar 1985 rechtsstaatliche Eigenschaften abzusprechen. Die Täter hat es nicht mehr gestört.
Hans-Joachim Rehse war und blieb der einzige von 577 Richtern und Staatsanwälten dieses Organs des Naziterrors, der jemals vor einem bundesdeutschen Gericht stand. Alle anderen galten entweder als mittlerweile nicht verhandlungsfähig oder waren inzwischen gestorben.